Ein Cello mit Jazzallüren

Meisterkonzert: Vivaldi in der Heidenheimer Waldorfschule in neuem Gewand

Gemeinsam mit dem Alliage Quintett brachte Star-Cellist Alban Gebhardt in der Heidenheimer Waldorfschule Ungewohntes zu Gehör.

So hat man Vivaldi sicherlich noch nie gehört: Im gut besuchten Meisterkonzert zeigten sich am Samstag die großen Klassiker in gänzlich neuem Gewand. Das Alliage Quintett spielte in seiner außergewöhnlichen Besetzung aus vier Saxophonen – vom klarinettenähnlichen Sopran bis zum sperrigen Bariton – und einem Klavier auf. Mit dabei: Alban Gerhardt, an dem als Cellist auf den Konzertpodien der Welt längst kein Weg mehr vorbeiführt. Der plauderte zwischendurch auch gern mal aus dem Nähkästchen und gab freimütig zu, dass ihm das erste Werk des Abends nicht viel sage, das Publikum aber eben Vivaldi möge. Dem Concerto in a-Moll merkte man dieses Fremdeln aber keineswegs an. Während das Klavier eher harmonisch stützend eingriff, schwang sich das Cello darüber mit noblem Ton auf. Die vier Saxophone brachten eine gehörige Portion barocker Festlichkeit mit ein, das Orchester vermisste man nicht. Schon ab den ersten Tönen war klar: Hier wird auf Augenhöhe miteinander musiziert und nicht nur ein Star-Solist bedient.

Ganz bewusst ein Konzert ohne roten Faden

Wie Alban Gerhardt erklärte, gab es für das Programm keinen roten Faden, außer dass nicht ein einziges der Werke für diese Besetzung komponiert worden sei. Entstanden sei die Idee für das ungewöhnliche Projekt im Gespräch nach einem Konzert der Klarinettistin Sabine Meyer mit dem Alliage Quintett. Und obwohl er es sich nicht habe vorstellen können, seien erste Arrangements für Tschaikowskis „Variationen über ein Rokoko-Thema“ in Auftrag gegeben worden, dabei auch eine Blues-Variation, die dem notorisch schwermütigen Komponisten vielleicht gefallen hätte. Doch Halt! „Entschuldigung, wir spielen was anderes!“, ruderte Gerhardt zurück. „War das schon immer so?“ Zuerst standen schließlich noch fünf Stücke von Schostakowitsch auf dem Programm, allesamt aus seinen Film-, Ballett- und Schauspielmusiken entnommen. Die Besetzung variierte diesmal: Entweder spielten Cello und Baritonsaxophon zusammen oder Sopran- und Altinstrument. Die teils munteren, teils melancholischen Stücke waren weit mehr als nur Füllmaterial, obwohl man sie fast übergangen hätte. Tschaikowskis Variationen – auch im Original eigentlich eine Art Cellokonzert – loteten die gesamte tonale Bandbreite des Soloinstruments aus: von der hohen Daumenlage ging es in abgründige Tiefen und wieder zurück. In der Bluesvariation kurz vor Schluss konnten die Saxophone ihr jazziges Potenzial voll auskosten und gewährten einen ersten Blick auf die zweite Konzerthälfte. Das virtuose Spiel der sechs Musikerinnen und Musiker wurde mit begeistertem Beifall, Jubelrufen und Pfiffen gewürdigt.

Von feurig bis sehnsuchtsvoll

„Ich war als Teenager ein Nerd, ich habe nur Klassik gehört“, gestand Gerhardt gleich nach der Pause. Gershwins „Rhapsody in Blue“ sei das erste nicht (rein) klassische Stück gewesen, das ihm gefallen habe. Doch zunächst ging es noch nach Spanien mit de Fallas „Siete canciones populares españolas“, sieben Liebesliedern, mal feurig-lebhaft, mal sehnsuchtsvoll. Der kurzweilige Zyklus bereitete mit seinen Latin-Rhythmen den Boden für Gershwins Meisterwerk. Der Arrangeur hatte dabei den Klavierpart des Originals vornehmlich auf das Cello und die Saxophone umgelegt, die Pianistin des Alliage Quintetts fungierte hingegen als Orchester. Diese Umkehr schuf einen ganz neuen Klangeindruck, so durchsichtig und schlank hat man das Stück – in dieser Fassung als „Phantasy in Blue“ benannt – selten gehört. Die Saxophonisten waren sicht- und hörbar in ihrem Element, für Gerhardt geriet die Rhapsodie zum Bravourstück zwischen Derbheit und Eleganz – das Cello ist schließlich prädestiniert für Blue Notes. Das Publikum quittierte den Auftritt mit lang anhaltendem Applaus und Standing Ovations. Die Zugabe an diesem mitreißenden Abend schlug dann den Bogen zurück zum ersten Teil: Der berühmte Walzer aus der Suite für Varieté-Orchester vereinte die Jazzklänge mit Schostakowitsch.

Meisterkonzerte im Januar

Gleich am 10. und 11. Januar eröffnen die Meisterkonzerte das Neue Jahr: Leah Gordon erlebt mit den Stuttgarter Philharmonikern unter Marcus Bosch „A Night on Broadway“ mit Musical-Hits im Congress-Centrum. A-cappella-Freunde kommen am 23. Januar beim Vokal-Sextett Singer Pur mit Liedern von Sting & Co. in der Waldorfschule auf ihre Kosten.

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