Die Erdbebenaktivität in Baden-Württemberg gehört zu den häufigsten in ganz Deutschland. Auf der Schwäbischen Alb und am Oberrheingraben ist die Wahrscheinlichkeit für stärkere Beben am größten. Das ist die Einschätzung des Landeserdbebendienstes (LED) am Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg, das die Seismizität in Baden-Württemberg und angrenzenden Gebieten mit einem flächendeckenden Netz von Erdbebenmessstationen überwacht. Auch in Heidenheim befindet sich eine solche Messstelle, die Ausschläge in Form von sogenannten Seismogrammen und damit die Stärke der Erschütterung aufzeichnet.
Zuletzt schlug die Heidenheimer Messeinrichtung am Dienstag, 2. April, um 17.10 Uhr an. Die Stärke laut Richterskala wurde mit 2,2 angegeben. Gespürt haben dürften das nicht viele Menschen, nur wer sich in unmittelbarer Nähe befand, könnte ein Zittern der Erde wahrgenommen haben, denn dieser Wert gilt als leicht. Dennoch ging die Erschütterung sofort in die einschlägigen, teils auch privat betriebenen Erdbeben-Warnportalen ein. Wer entsprechende Apps auf seinem Handy hat, erhielt eine Push-Mitteilung über ein Erdbeben in Heidenheim.
Steinbruch-Sprengung in Heidenheim: Geophysiker klärt auf
Tatsächlich nahm der Landeserdbebendienst die Aufzeichnung in Heidenheim recht rasch wieder aus der Liste. Für schnelle Aufklärung sorgte der an der Universität Jena tätige Geophysiker Jens Skapski, der privat im Internet die Seite Erdbebennews betreibt und regelmäßig über Erdbebenaktivitäten in Deutschland aufklärt. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er: „Eine Steinbruch-Sprengung hat es mal wieder in den Erdbebenfeed geschafft. Automatisch (versehentlich) gemeldet vom Erdbebendienst Südwest“. Sein Tipp, woran man manchmal auch ohne viel Hintergrundwissen erkennen kann, dass es sich um eine Steinbruch-Sprengung handelt: Das Epizentrum im Luftbild auf einer Internetkarte angucken. Dazu veröffentlicht Skapski eine Karte mit den Steinbrüchen im Waibertal zwischen Aufhausen und Rotensohl.
Eine Sprengung, die in den Erdbebenfeed eingeht? „Das kommt immer mal wieder vor“, sagt er auf Anfrage unserer Zeitung. Fachleute könnten anhand der Messwerte erkennen, dass es sich um kein Erdbeben handelt und den Eintrag löschen. Auch für Thomas Kraft, einer der Steinbruchbetreiber im Waibertal, ist diese Erdbebenaufzeichung „nichts Außergewöhnliches“. Weil es hier relativ viele Steinbrüche gebe, würde es auch manchmal Erschütterungen geben, die von den Messstellen aufgezeichnet würden.
So viele Sprengungen verzeichnet der Erdbebendienst jährlich
Das bestätigt so auch ein Sprecher des Regierungspräsidiums Freiburg, wo der Erdbebendienst angedockt ist. „Der Erdbebendienst Südwest, ein Verbund der Landeserdbebendienste Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, registriert in seinem Einzugsgebiet rund 6000 Steinbruchsprengungen pro Jahr, und das sind sicherlich nicht alle, die tatsächlich stattfinden“, so Matthias Henrich, stellvertretender Pressesprecher. Hinzu kämen noch zahlreiche andere Ereignisse wie Schallmauerdurchbrüche, platzende Meteoriten, Blindgänger- und Gebäudesprengungen, Gewitter und anderes.
Im Einzugsgebiet rund 6000 Steinbruchsprengungen pro Jahr
Matthias Henrich
Dem automatischen Detektionssystem könne in seltenen Fällen eine Fehleinschätzung unterlaufen. Die Heidenheimer Sprengung sei zum Beispiel als Erdbeben klassifiziert worden. Diese Information müsse dann durch die Qualitätskontrolle wieder entfernt werden.
Dieses Löschen eines Nicht-Erdbebens werde allerdings von den Sekundärverwertern teilweise nicht mehr verarbeitet. „Meine Empfehlung ist also, sich möglichst auf den Originalseiten zu informieren, beispielsweise https://erdbeben.led-bw.de.“
Erdbeben oder nicht?
Wie unterscheidet ein Erdbebendienst Steinbruch-Sprengungen von tatsächlichen Erdbeben? Dies zu erkennen, erfordere sehr viel Erfahrung, so der Sprecher. Rein messtechnische Unterscheidungen seien nämlich für sich genommen nicht immer eindeutig. Auch Werkzeuge mit künstlicher Intelligenz könnten die Treffsicherheit noch nicht wesentlich erhöhen. „Die endgültige Entscheidung muss dann eben der Seismologe oder die Seismologin treffen.“ Da Steinbruch-Sprengungen nicht angezeigt werden müssten, helfe im Zweifelsfall nur die Nachfrage bei den infrage kommenden Betrieben.
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Echtes Erdbeben im Landkreis Heidenheim im Jahr 2020
Der Landkreis Heidenheim gilt als nicht sonderlich aktiv, was Erdbeben angeht. Auf dem Portal des Erdbebendienstes stößt man einzig auf einen Eintrag vom 9. Dezember 2020 um 7.27 Uhr. An diesem Tag bebte südöstlich von Niederstotzingen tatsächlich der Boden. „Bei dem Erdbeben bei Niederstotzingen im Dezember 2020 bestand allerdings nie ein Zweifel: Steinbruchsprengungen finden nahe der Erdoberfläche statt, dieses Erdbeben lag aber in ungefähr 26 Kilometer Tiefe.“, so Matthias Henrich. Die Stärke war mit 1,9 auf der Richterskala allerdings schwach.
Mit einer Magnitude von 2,7 etwas stärker fiel ein Beben am 7. März 2020 um 4.54 Uhr kurz hinter der Landkreisgrenze bei Böhmenkirch aus. Die Tiefe wurde damals mit 18 Kilometern unter der Erdoberfläche festgestellt, einzelne Wahrnehmungen seien gemeldet worden.