Mikroabenteuer

Ein Tag ohne Smartphone: Wenn das Display schwarz bleibt

Für die meisten Menschen gehört das Handy zum Alltag. Doch wie fühlt es sich an, wenn man einfach einmal darauf verzichtet?

Ein Tag ohne Smartphone: Wenn das Display schwarz bleibt

Punkt 22 Uhr, Sonntagabend: Ein letztes Mal gleitet der Zeigefinger über das Display, schiebt den Regler nach rechts: Ausschalten. Für die kommenden 24 Stunden soll das Smartphone ausgeschaltet bleiben. Keine Nachrichten, keine Anrufe, keine Mails. Nichts. Der Selbstversuch als Mikroabenteuer.

Eigentlich bin ich kein Smartphone-Junkie, Instagram und Tiktok sind mir völlig fremd und Facebook suche ich nur gelegentlich auf. Trotzdem: Ich trage das Gerät nahezu immer bei mir. Doch in welchen Situationen nutze ich es, was mache ich damit eigentlich den ganzen Tag? Vieles ist so zur Routine geworden, dass man manche Handlungen überhaupt nicht mehr bewusst begeht. Sie sind zu einer Art Reflex geworden. Das Mikroabenteuer soll Klarheit schaffen.

Weckerstellen ist unmöglich

22.30 Uhr: Wie wird jetzt eigentlich morgen das Wetter? Braucht man eine Jacke? Wird’s regnen? Instinktiv tippt der Zeigefinger aufs Display, ich will die Wetter-App befragen. Doch das Gerät bleibt schwarz. Hmmm. 23.05 Uhr: Oh, der Wecker ist noch nicht gestellt. Überraschung: Das Smartphone ist ja aus, das Weckerstellen nicht möglich. Hoffentlich verschlafe ich nicht.

Uhrzeit unbekannt: Der Hund meldet sich, will, wie immer frühmorgens, in den Garten. Schlaftrunken tippt der Zeigefinger aufs Handy auf dem Nachtkästchen, doch das zeigt keine Uhrzeit, einen Wecker gibt es nicht. Wie spät ist es? Keine Möglichkeit, das herauszufinden, also darf der Hund raus. Weiterschlafen.

Irgendwann wache ich auf, wieder geht der Finger instinktiv zum Handy. Wie spät ist es? Habe ich verschlafen? Der Blick auf die Uhr im Wohnzimmer gibt Aufschluss, jetzt aber schnell. Wie wird das Wetter? Hat der Zug mal wieder Verspätung? Fährt er überhaupt? Rechtzeitig am Bahnhof, zum Glück gibt es die Armbanduhr. Durchsage: Fünf Minuten Verspätung. Und jetzt? Die Hand gleitet in die Hosentasche, ich könnte mich über Neues in der Welt informieren. Doch das Smartphone ist aus. Keine Zerstreuung, einfach warten. Warten ohne aufs Handy zu schauen, ohne Wetterradar, ohne Nachrichten, ohne Mails, ohne WhatsApp. Einfach nur warten. Später im Zug: Nahezu alle Fahrgäste starren aufs Handy, ich starre aus dem Fenster. Auch mal interessant. Schon jetzt stelle ich fest: Mindestens 20 Mal hätte ich das Gerät heute schon in der Hand gehabt.

Einfach nur aus Gewohnheit

Ankunft am Arbeitsplatz in der Redaktion. Instinktiv greift die rechte Hand in die Hosentasche, legt das Smartphone auf den Schreibtisch. Ja, ich habe es trotzdem dabei, wer weiß, ob ich es nicht doch brauche. Andererseits ist das unlogisch, mehr als die ersten drei Jahrzehnte meines Lebens gab es diese Geräte noch gar nicht. Egal, jetzt liegt es da und ist schwarz. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich hinsehe, ob nicht doch eine Nachricht aufleuchtet, ab und zu tippe ich, ohne dass es mir bewusst ist, drauf.

Um die Mittagszeit hätte ich bestimmt schon 30 Mal zum Handy gegriffen. Sei es, um auf der Wetter-App zu schauen, wann es aufhört zu regnen oder wie die nächsten Tage werden, sei es, um nach Mails, anderen Mitteilungen oder sonst was zu schauen. Einfach aus Gewohnheit. In der Mittagspause hält die Hälfte der Kollegenschar ein Gerät in der Hand, schaut nach was-weiß-ich-was. Die einen sind vertieft, andere beteiligen sich trotzdem am Gespräch.

Den ganzen Arbeitstag über liegt das Smartphone ausgeschaltet auf dem Schreibtisch, wieder und wieder schwenkt der Blick unbewusst zum schwarzen Display. Worauf warte ich? Keine Ahnung. Doch ich spüre eine steigende Nervosität. Was, wenn jemand versucht, mich zu erreichen? Telefonisch oder per WhatsApp? Es weiß ja fast niemand, dass ich nicht erreichbar bin, das Gerät heute eine Auszeit hat? Naja, wird schon nichts Wichtiges sein. Außerdem wäre es ganz gut zu wissen, wie das Wetter die kommenden Tage und vor allen Dingen am Wochenende wird.

Feierabend: Fährt der Zug, hat er Verspätung oder fällt gar aus? Der Blick auf die App ist nicht möglich, also lasse ich es einfach auf mich zukommen. Er kommt pünktlich. Zuhause dann einmal mehr die Frage: Wie wird das Wetter morgen? Die Antwort wird wohl noch einige Stunden auf sich warten lassen. Entgegen der Gewohnheit liegt das Handy nicht auf dem Tisch, sondern bleibt in der Hosentasche. Das Wetter ist eher zum Fernsehen geeignet als zum draußen sitzen: Was gibt das Programm her? Auch diese Frage, die die App beantworten könnte, bleibt offen. Sind Waschbetonplatten eigentlich hitzeresistent (ja, solche Fragen stellt man sich eben manchmal)? Google hätte die Antwort sicherlich gleich parat, aber noch immer macht das Smartphone Pause. Die Ungewissheit, ob jemand versucht hat, mich anzurufen oder Nachrichten zu schicken, bleibt.

Montagabend, 22.15 Uhr: Handy anschalten, PIN eingeben: Elf WhatsApp-Nachrichten, alle vom netten Kollegen, der wohl nur testen wollte, ob ich mich tatsächlich an die 24-Stunden-Handy-Abstinenz halte und wirre Botschaften geschickt hat. Anrufe: Null. Der Blick auf die Wetter-App ist wenig erbaulich, also Wecker stellen, Handy aus.

Die Bilanz: Man kann sehr gut auch mal ohne Smartphone durch den Tag gehen, sollte seine Gewohnheiten vielleicht mal überdenken. Überschlagen hätte ich wohl 100 Mal das Ding in der Hand gehabt – ohne es tatsächlich zu benötigen.

Ach: Und Waschbetonplatten sind relativ hitzebeständig, sagt Google. Na Toll.