Das haben die Brüder Grimm aber verschwiegen, dass der Prinz in ihren Märchen immer ein und dieselbe Person ist. Das Sasse-Theater bringt diese Erkenntnis nun auf die Bühne: Am Sonntag feierte die Inszenierung des Stückes „Ach, wie gut, dass jeder weiß“ von Stefan Jäger Premiere. Und, das sei gleich verraten, die kleinen und großen Zuschauer hatten viel Spaß an diesem mal ganz anderen Märchen.
Hatten die Brüder Grimm jeder ihrer Figuren einzelne Geschichten zugeordnet, so wächst hier zusammen, was zusammengehört – oder auch nicht. Goldmarie hat Hans im Glück geheiratet, und wenn sie nur so viel Geld hätten wie Kinder, dann … ja, dann wäre die ganze Geschichte nicht in Gang gekommen und das Märchenland bliebe weiterhin ein gänzlich unbekanntes Land und nie wäre ans Licht gekommen, was die Figuren dort so treiben.
Schönheit und Paranoia
Da gibt es das in den Adelsstand erhobene Rumpelstilzchen, das jetzt als Baron von Rumpelstilz unbedingt möchte, dass jeder seinen Namen kennt. Das tapfere Schneiderlein ist pleite und lässt sich vom Baron für dessen Intrigen einspannen. Schneewittchen, hochtraumatisiert aufgrund diverser stiefmütterlicher Mordanschläge, pflegt ihre Schönheit und die Paranoia gleichermaßen, dass jedermann ihr nach dem Leben trachte, Dornröschen ist dauermüde, weil das mit dem Wachküssen nur so mittelgut geklappt hat, und Rapunzel hat sich ganz und gar der Haarpflege verschrieben. Der Prinz mit seinem weißen Pferd ist zu ihnen allen gekommen, um sie gleich wieder zu verlassen und sich der nächsten Prinzessin zuzuwenden.
Der Stoff bietet also schon eine ganze Menge: Situationskomik, unerwartete Wendungen und Begegnungen, exzentrische Charaktere, das alles steckt in diesem sehr erfrischenden Märchen. Und das Ensemble genoss das alles mit offensichtlicher Spielfreude. Besonders hervorzuheben sind dabei die Kinder und Jugendlichen, die einen Großteil des Ensembles ausmachen. Textsicher und ganz bei der Sache und dabei pfiffig agierend, war der Spielernachwuchs durchweg ein Quell der Freude, der den „alten Hasen“ Marc Jahraus als Rumpelstilzchen und Dominik Offenhäuser als Schneiderlein oftmals die Show stahl.
Spielfreude und zündende Ideen
Die Spieler sind ebenso zu beglückwünschen wie das Regieteam Markus Beuther und Mia Rimer. Allein in der Stückauswahl haben die beiden ein glückliches Händchen bewiesen und offensichtlich haben sie es gut verstanden, ihr 20 Personen starkes Ensemble zu führen und anzuleiten. Bei einem Regiedebüt – für die 18-jährige Mia Rimer ist es die erste Regiearbeit überhaupt – ist das schon sehr beachtlich, zumal auch haufenweise zündende Ideen in der Inszenierung stecken. Und das Regieteam hatte den Mut, sich ganz auf Ideen und Spielfreude zu verlassen: Bühnenbild und Requisiten sind reduziert, aber effektvoll im Einsatz, und das lässt sich auch über die Kostüme sagen. Der Mut wurde belohnt: Das Publikum hat ein geradezu märchenhaftes Vergnügen an dieser auch in der Dauer von etwa 75 Minuten ohne Pause sehr kindgerechten Inszenierung und bedachte die Leistungen mit viel Applaus.
Ob das Märchen auch dieses Mal, ganz wie es die Brüder Grimm immer hielten, gut ausgeht? Das soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: Offenbar stammt auch der künftige Präsident der USA aus dem Märchenwald – an dieser Pointe weideten sich natürlich vor allem die erwachsenen Zuschauer. Für die kleineren hielt die Inszenierung ebenfalls einen Schlussgag bereit: Denn wenn sie nicht gestorben sind, dann zicken sie womöglich noch heute. Gemeint sind in diesem Fall Schneewittchen, Rapunzel und Dornröschen. Und der zu gründende Beauty-Salon. Auch das hatten uns die Gebrüder Grimm vorenthalten, bei denen Prinzessinnen ausschließlich sittsam und tugendhaft waren. In der Sasse dürfen sie noch andere Seiten zeigen: kess, modern und nicht immer lieb und nett. Und mit diesen Worten lässt sich auch die gesamte Inszenierung bestens beschreiben.
Noch sechs Aufführungen
Die weiteren Aufführungen des Kinderstücks „Ach, wie gut, dass jeder weiß“ finden statt am Samstag, 24. November, Sonntag, 1. Dezember, Samstag, 7. Dezember, Sonntag, 8. Dezember, Samstag, 14. Dezember und am Sonntag, 15. Dezember. Beginn ist jeweils um 14.30 Uhr. Karten gibt es im Pressehaus und direkt beim Sasse-Theater unter tickets@sasse-theater.de.