Die CDU ist bei der Europawahl 2024 im Landkreis Heidenheim die stärkste Partei mit einem Stimmenanteil von 32,27 Prozent, hat aber dennoch verloren: Bei der vorherigen Europawahl 2019 konnte die Partei noch 34,76 Prozent der Wählerstimmen holen. Deutlich zugelegt hat die in Teilen rechtsextreme AfD, für die 18,49 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten (2019: 10,22 Prozent). 2,24 Prozentpunkte abgeben musste die SPD, die somit noch auf einen Anteil von 13,33 Prozent der Stimmen kam. Am deutlichsten vom Wähler abgestraft wurden die Grünen, deren Stimmenanteil von auf 20,07 auf 9,91 Prozent sank. Einen Kandidaten für die Europawahl aus dem Wahlkreis Heidenheim gab es nicht. Das sagen Abgeordnete des Wahlkreises auf Bundes- bzw. Landesebene zum Ergebnis:
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter freut sich zwar über das Ergebnis der CDU, betrachtet aber das starke AfD-Ergebnis auch als Anlass, um nachzudenken: „Den offensichtlichen Rechtsruck nur mit der Enttäuschung über die aktuelle Bundesregierung zu erklären, halte ich für zu kurz gegriffen“, so der Abgeordnete. „Die Menschen erwarten konkrete Lösungen für die Probleme, die sie selbst in ihrem Lebensumfeld betreffen“, sagt er.
Zu lange habe die Bundespolitik hier den Anschein erweckt, als könne der Staat alles regeln und die Eigenverantwortung und die Notwendigkeit für Engagement zu wenig betont. „Ich fürchte, dass das Ergebnis auch Ausdruck von ethischer und politischer Orientierungslosigkeit ist“, meint Kiesewetter darüber hinaus. „Die Bedeutung dieser Europawahl für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand war vielen offenbar nicht bewusst.“ Dass gerade in Dischingen und in Giengen die AfD ihre Hochburgen habe, sei sehr bitter. Das Ergebnis zeige auch, dass die SPD mit ihrem „Friedenswahlkampf“ überhaupt nicht gepunktet habe. „Die Leute wollen keinen Scheinfrieden, kein Wischiwaschi, sondern eine klare Haltung, so auch mein Eindruck von etlichen Bürgergesprächen und Diskussionen.“
Martin Grath, Landtagsabgeordneter für die Grünen, hält mit seiner Enttäuschung nicht hinter dem Berg: „Bei diesem Ergebnis gibt es nichts zu beschönigen – es ist für die Grünen sehr schlecht. Wir sind die Verlierer dieser Europawahl“, sagt er ganz klar. Den Grünen sei es offensichtlich nicht gelungen, mit ihren Kernthemen die Wählerinnen und Wähler zu erreichen. „Am meisten ärgert mich, dass es uns nicht gelungen ist, die jungen Menschen zu überzeugen“, so Grath.
Auch Leni Breymaier, Bundestagsabgeordnete der SPD, ist entsetzt: „Das Ergebnis ist schlimm.“ Es tröste nicht, dass die SPD im Kreis Heidenheim über dem Landesschnitt der SPD Baden-Württemberg liege, sagt Breymaier. „Wählerinnen und Wählern ist es offenbar egal, ob eine Partei wie die AfD ihre Spitzenkandidaten versteckt oder diese Verfahren an der Hacke haben oder manche im Dunstkreis der Partei Gelder aus China und Russland kassieren.“
So ein Verhalten könne sich keine andere Partei erlauben, so Breymaier. „Ich empfehle meiner Partei, das Wahlergebnis demütig anzuerkennen, weiterhin gute Politik zu machen, diese aber auch besser zu erklären. Und ja, wir müssen auch offensiv in den inhaltlichen Diskurs gehen und in der Lage sein, unsere Politik in zwanzig Sekunden auf TikTok zu erklären.“
Bis zur Wahl 2019 hatte Heidenheim noch einen direkten Draht nach Brüssel, und zwar in Person der Europaabgeordneten und damaligen CDU-Kreisvorsitzenden Dr. Inge Gräßle. Sie ist mittlerweile Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd, blickt aber mit sehr viel Erfahrung auf die Europapolitik. „Die Europawahl war wieder einmal eine nationale Wahl. Europäische Themen hatten es noch schwerer als sonst, wahrgenommen zu werden“, sagt Gräßle.
Sie freue sich zwar über die Stabilisierung der CDU, bedauert aber, dass die AfD von der gestiegenen Wahlbeteiligung profitiert hat: „Sie kann Wähler aus dem Nichtwählerbereich und Protestwähler motivieren“, urteilt Gräßle. „Die Mitte erodiert – und das gibt mir sehr zu denken“, sagt die erfahrene Politikerin. „Ich hoffe und wünsche, dass die Ampel in Berlin anfängt, die Probleme zu lösen, die den Menschen auf den Nägeln brennen und nicht jede Woche weitere Probleme auftürmt“, sagt sie. Das Heizungsgesetz nehme sie als Wendepunkt wahr: Davon gehe bis heute ein riesiger und nachhaltiger Vertrauensverlust in die Politik aus. Steigende Energiepreise tun ein übrigens, und die Sicherheitslage durch Islamisten und das Herumgeiere der Grünen zu Abschiebungen von Straftätern komme hinzu. „Neuwahlen wären das Richtige“, schlussfolgert Inge Gräßle.
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