Mitbestimmung im Gemeinderat

Frauen in der Kommunalpolitik noch immer deutlich in der Minderheit

Gerade einmal 31 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestags sind Frauen. Im Landtag Baden-Württemberg sind es mit knapp 29 Prozent sogar noch weniger. In den Kommunalparlamenten im Kreis Heidenheim sieht es nicht anders aus – im Gegenteil. Woran das liegt und wie sich das ändern könnte.

Frauen in der Kommunalpolitik noch immer deutlich in der Minderheit

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Baden-Württemberg ist weiblich. Diese Zahl allerdings spiegelt sich nicht in der Repräsentation der Frauen in den politischen Entscheidungsgremien wieder. Weder auf Landesebene noch auf kommunaler Ebene. Das ergibt sich sehr deutlich bei einem Blick auf die Besetzung der Gemeinderäte im Kreis Heidenheim.

Von 46 Prozent bis fünf Prozent

Da ist Giengen mit einem Frauenanteil von 46 Prozent (und drei Frauen als Fraktionsvorsitzende) absoluter Spitzenreiter, gefolgt von Heidenheim mit immerhin 39 Prozent (und ebenfalls drei Frauen an den Fraktionsspitzen). Danach kommt erst einmal lange nichts. In den meisten Gremien im Kreis Heidenheim kommt eine Frau auf vier oder fünf Männer. Schlusslicht, wenn man so will, ist Dischingen: derzeit eine Frau, 17 Männer. Frauenanteil: fünf Prozent. Zu Beginn der Legislaturperiode sah das freilich noch etwas anders aus: Immerhin gehörten 2019 noch drei Frauen zum Gemeinderat, durch Wechsel hat sich ihr Anteil aber reduziert.

Nun stellt sich bei all den Zahlen die Frage: Woran liegt es, dass Frauen – gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung – in den politischen Gremien so unterrepräsentiert sind? Und wie könnte sich das, vielleicht schon bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr, ändern?

Gaby Streicher: "Politik war lange eine Männerdomäne"

Eine, die über sehr viel Erfahrung als Mitglied eines Gemeinderats verfügt, ist Gaby Streicher: Die 66-Jährige ist stellvertretende Oberbürgermeisterin und Fraktionsvorsitzende der SPD im Giengener Gemeinderat. Auch die CDU und die Fraktion Unabhängige und Grüne werden in Giengen von Frauen angeführt (Elisabeth Diemer-Bosch bzw. Alexandra Carle). "Der geringe Frauenanteil entspringt der Historie", sagt Streicher: "Politik war über eine sehr lange Zeit hinweg eine Männerdomäne." Kinder, Küche, Kirche: "Für mehr war da aus Sicht der Gesellschaft kein Platz." Zudem habe lange das Vorurteil gegolten, dass Machtstreben quasi von Natur aus keine weibliche Eigenschaft sei und Frauen generell nicht qualifiziert genug seien für eine Entscheidungsfunktion.

Dass das Quatsch ist, dürfte mittlerweile klar sein. Die Nachwehen dieser gesellschaftlichen Rollenbilder sind aber heute noch zu spüren. "Es brauchte immer starke Frauen als Vorbilder", sagt Streicher. Im Großen wie im Kleinen. "Für mich war das zum Beispiel Christine Mack." 28 Jahre lang war Mack SPD-Stadträtin in Giengen und ermunterte Streicher 1994 dazu, ebenfalls zu kandidieren. Es ist diese direkte und persönliche Ansprache, glaubt die Giengenerin, die auch andere Frauen ermutigen könnte.

Streicher kandidierte zwar, schaffte es aber erst 2004 endgültig in den Gemeinderat. "Es braucht ein bereits bestehendes Interesse am Ehrenamt und an Entscheidungen. Ist man erst einmal im Amt, muss man in der Lage sein, die notwendige Verantwortung zu übernehmen." Angst vor dem Amt muss keine und keiner haben: "Man wächst mit den Erfolgen und mit den Niederlagen."

Politiker-Bashing und Anspruchshaltung

Im kommenden Jahr sind wieder Kommunalwahlen. Überhaupt Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, gestaltet sich zunehmend schwierig. Laut Streicher liegt das mitunter daran, dass das Politiker-Bashing und egoistische Anspruchshaltungen Einzelner eine beachtliche Entwicklung genommen hätten. Persönlich sei sie noch nie beleidigt worden, kenne aber Beispiele, gerade von betroffenen Frauen. "Dabei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, welche Vorteile dieses Amt mit sich bringt: Es bietet die Möglichkeit, in einem sehr engen und direkten Wirkungskreis das eigene Lebensumfeld mitzugestalten", so Streicher. Und sie betont: "Demokratie braucht Männer und Frauen. Sie braucht beide Kompetenzen und beide Lebenswirklichkeiten. Und es ist erwiesen, dass gemischte Teams in allen Bereichen besser funktionieren."

Streicher selbst wird im kommenden Jahr bereits 20 Jahre lang Stadträtin in Giengen sein. Sie will nochmal kandidieren.

"Politik braucht Frauen" im Ostalbkreis

Die Gleichstellungsbeauftragten im Ostalbkreis haben ein Programm erarbeitet, das Frauen ermuntern soll, sich für ein Mandat in den lokalen Gremien aufstellen zu lassen. "Politik braucht Frauen" ist eine Vortrags- und Seminarreihe, die sowohl online als auch in Präsenz stattfindet. Dabei sollen die unterschiedlichen Möglichkeiten aufgezeigt werden, sich lokalpolitisch zu engagieren, es wird erklärt, welche Kenntnisse und Fähigkeiten dafür notwendig sind und wie der Alltag in der Kommunalpolitik aussieht.

Eine paritätische Repräsentanz von Frauen und Männern in den politischen Gremien trage zu einer breiten und stabilen Akzeptanz von Entscheidungen bei und sei „ein lokaler Gradmesser für Gleichberechtigung und Chancengleichheit“, so Elke Heer, Beauftragte für Chancengleichheit in Schwäbisch Gmünd. 

Mehr Informationen zum Programm "Politik braucht Frauen" gibt es beispielsweise auf www.aalen.de.