Essen an Heiligabend

Gemeinschaft statt Einsamkeit: Hüseyin Perktas' Weihnachtsessen vereinte Menschen im Heidenheimer Paulusgemeindehaus

Nachdem die Veranstaltung von der Absage bedroht war, fanden an Heiligabend im Paulusgemeindehaus doch noch zahlreiche Menschen zum gemeinsamen Essen und Feiern zusammen.

An Heiligabend, wenn die letzten Einkäufe getätigt, die letzte Pakete ausgefahren und die Geschenke unter den Christbäumen verstaut sind, breitet sich eine eigentümliche Stille in der Stadt aus. Die Straßen leeren sich, dafür sind ungewohnt viele Fenster erleuchtet.

Aber das ist eine trügerische Stille, denn in vielen Zimmern sitzen Menschen, die einsam sind, die kein Geld für Geschenke hatten oder denen es einfach davor graut, an diesem Abend alleine zu essen. An Heiligabend alleine zu sein, kann sich besonders bedrückend anfühlen.

Hüseyin Perktas hat das schon vor Jahren erkannt. Der frühere Pächter der Konzerthaus-Gaststätte und Unternehmer beschloss, an Heiligabend Menschen ein Gefühl von Gemeinschaft zu verschaffen, beim gemeinsamen Essen und Reden. Zuerst fand sein Weihnachtsessen im Konzerthaus statt, dann jahrelang im Lokschuppen. Weil dieses Jahr im Vorfeld die Absprache misslang, sprang auf Initiative von Bürgermeisterin Simone Maiwald die evangelische Kirchengemeinde mit dem großen Saal im Paulusgemeindehaus ein (wir berichteten).

Viel Zuspruch im Heidenheimer Paulusgemeindehaus

Noch auf der Bahnhofstraße war es an Heiligabend still, trat man aber ins Paulusgemeindehaus, schwoll mit jedem Schritt das Geräusch vieler Stimmen an. Im Saal saßen zur Kaffeezeit bereits an fast allen Tischen Menschen, Familien hatten sich versammelt, an anderen saßen Paare, alleine blieb praktisch niemand. Allerdings blieben diesmal auch manche Plätze leer.

Über den Klang von Weihnachtsliedern im Swing-Gewand hinweg entsponnen sich überall Gespräche, feste Sitzordnungen gab es nicht. Emsig umsorgte eine Schar von Helferinnen und Helfern die Besucher. Eine Schülergruppe des Hellensteingymnasiums sagte, es sei ihnen eine Ehre, an diesem Nachmittag helfen zu dürfen.

Gemeinsam essen, gemeinsam feiern - so stellt sich Gastgeber Perktas Heiligabend vor. Markus Brandhuber

Und mittendrin Gastgeber Perktas, er begrüßt alle Besucherinnen und Besucher mit Handschlag, er geht von Tisch zu Tisch, ruft den einen ein „Hallo!“ zu, anderen den muslimischen Gruß „Salam aleikum“ („Friede sei mit dir“). Wer welche Religion hat oder überhaupt gläubig ist, spielt keine Rolle, „O du fröhliche“ singen alle gemeinsam oder summen wenigstens mit.

Geschenke für die Kinder

Wer Perktas dabei beobachtet, wie er die Menschen wahrnimmt, sie wertschätzt und wie er gemeinsam mit Maiwald Geschenke an die Kinder verteilt, bekommt eine Ahnung, wie sehr ihn der Gedanke geplagt haben muss, dass ausgerechnet dieses eine Essen ausfallen sollte. Mehrmals bedankt er sich bei Maiwald und Stadtkämmerer Guido Ochs für die Unterstützung.

„Heute ist ein besonderes Essen“, sagte Pfarrerin i.R. Eva-Maria Busch in ihrer Andacht, es sei „ein Zeichen des Friedens, wenn man miteinander isst“. Gerade an Weihnachten sei Gemeinschaft wichtig: „Wenn man heute fremd ist, dann bleibt man auch fremd und alleine“, so ihre Befürchtung. Umso wichtiger sei es, auch wahrzunehmen, wie viele muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger an Weihnachten etwa die Dienste in Kliniken oder Pflegeheimen übernehmen, damit ihre christlichen Kolleginnen und Kollegen zu Hause feiern können.

Nach Kaffee und Kuchen teilten die Helfenden das Abendessen aus, voll beladene Teller mit Reis, Salat und Dönerfleisch. Perktas ermahnte seine Gäste, unbedingt vom Brot mitzunehmen, schließlich seien die Geschäfte noch zwei Tage geschlossen. Niemand soll hungern, weder körperlich noch an der Seele.

Helfen als Grundsatz

Menschen zu helfen, scheint Hüseyin Perktas ein kaum zu stillendes Bedürfnis zu sein. Der heute 69-Jährige war über 1990er-Jahre hinweg Pächter der Konzerthaus-Gastronomie, baute danach einen Großhandel für Dönerspieße und typisch türkische Backwaren auf. Zwischenzeitlich musste der rührige Unternehmer, der längst auch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, auch eine Insolvenz verkraften, an seiner Hilfsbereitschaft änderte das nichts. Als es vor knapp zwei Jahren in der Türkei zu einem verheerenden Erdbeben kam, stellte Perktas umgehend eine Spendenaktion auf die Beine.