Biographie

Geologe Friedrich Musper aus Heidenheim: Er suchte Öl und fand seinen Tod

Vor 80 Jahren starb der Heidenheimer Geologe Friedrich Musper nach einem abenteuerlichen und tragischen Leben – im Dienste und als Gefangener der niederländischen Krone. Was ein Blick in seine ungewöhnliche Biographie offenbart.

Geologe Friedrich Musper aus Heidenheim: Er suchte Öl und fand seinen Tod

Am Ende war es das Schwarzwasserfieber, eine Malaria-Folge. Blutkörperchen zerlegen sich, das Hämoglobin gelangt in den Urin und färbt ihn schwarz-rot, die Nieren versagen. Friedrich Musper überlebte es nicht, schon gar nicht nach eineinhalb Jahren Haft in Kerkern und Käfigen, in brüllender tropischer Hitze, ohne Ärzte, die auch seine Herzbeschwerden hätten lindern können, seine Nervenentzündung. Am 26. Juli 1943 verstarb der Heidenheimer Geologe in Niederländisch-Guyana, dem heutigen Surinam in Südamerika. 80 Jahre und 8000 Kilometer von uns entfernt. Das gleich vielfach tragische Ende eines nur wenig bekannten Heidenheimers.

Karl August Friedrich Robert Musper, den seine Freunde Fritz nannten, wurde am 3. Mai 1893 in Heidenheim geboren. Sein Vater August Musper war Prokurist bei der Zigarrenfabrik Schäfer, die Muspers zählten zum gut etablierten Bürgertum.

Studium der Naturwissenschaften

Fritz Musper ging aufs Gymnasium, doch Naturwissenschaften waren ihm lieber als Altgriechisch und Latein. Sein Abitur musste er deswegen in Schwäbisch Gmünd ablegen, dort war das nächste „Realgymnasium“ ohne Humanistik-Schwerpunkt. Musper studierte in München und Tübingen Geologie, aber auch Paläontologie und Gesteinskunde, hörte aber auch Vorlesungen in Biologie, Botanik und Chemie. Vier Jahre musste das Studium im Ersten Weltkrieg ruhen, Musper zog mit einem württembergischen Armeekorps an die Front, kam aber unbeschadet wieder und beendete sein Studium. Der frischgebackene Doktor wurde Assistent an der Uni, sein Vize war ab 1920 übrigens ein weiterer Heidenheimer, der später auch Muspers Schwester heiratete: Alfred Bentz, der als einflussreicher Erdölgeologe von sich reden machen sollte.

1920 heiratete Musper, doch gerade die Ehe gab ihm zu denken. Gute und gutbezahlte Jobs als Geologe waren im krisengeschüttelten Deutschland kaum zu haben. Und Muspers Faszination für die weite Welt konnte in keinen deutschen Kolonien mehr gestillt werden. Fritz Musper ergriff eine Chance und wurde holländischer Staatsbediensteter beim „Dienst van der Mijnbouw“, dem Geologie- und Bergbau-Dienst des Königreichs. Die Niederlande warben damals viele deutsche Geologen an, denn das Königriech hatte noch große Kolonien und suchte dort nach Bodenschätzen. Musper wurde 1921 nach Niederländisch-Indien geschickt, also ins heutige Indonesien.

Der Dschungel als Arbeitsplatz

Eine Welt entfernt von Württemberg schon in den kolonialen Hauptstädten, erst recht aber dort, wo Musper arbeiten sollte: mitten im Dschungel, in Gegenden, die nur nach tagelangen Bootsfahrten auf kleinen Flüssen oder mit Gewaltmärschen über Elefantenpfade erreichbar waren. Musper war als Stratigraph gefragt, er sollte erkunden, wo sich in Indonesien welche Erdschichten überlagerten. Mit seinen Karten konnte man die Gebiete bestimmen, in denen Ölbohrungen besonders erfolgversprechend waren.

Werner K. Mayer aus Schwäbisch Gmünd hat sich mit dem Leben und der Tätigkeit des Heidenheimer Geologen Friedrich Musper intensiv beschäftigt. Hendrik Rupp

„Musper steckte damals im Dreck“, sagt der Gmünder Musper-Forscher Werner Mayer: „Er ging komplett in seiner Forschung auf.“ Geologische Erkenntnisse bearbeitete er gleich mit, dokumentierte Fossilienfunde. Eine ausgestorbene Fischart trägt bis heute seinen Namen. Seine Frau und die 1922 geborene Tochter saßen derweil in primitiven Dschungelstationen, allein und ohne Freunde und oft wochenlang ohne ihn. Für seine Frau war das zu viel: 1924 nahm sie Gift, vielleicht auch nur als Hilferuf, denn es war keine sofort tödliche Dosis und in einem Krankenhaus hätte sie diese überlebt. Doch der nächste Arzt war tagelang entfernt, und auf dem Weg dorthin starb Luise Musper auf einem Flussboot einen langsamen und qualvollen Tod.

Aufstieg zum niederländischen Kolonialbeamten

Bittere Ironie: Nur ein gutes Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau hatte Musper schon wieder geheiratet und gleichzeitig zahlte sich seine jahrelange Plackerei im Dschungel aus. Er wurde befördert, zog mit Frau und Kindern in die Stadt Bandung. Jetzt wurde aus Friedrich Musper der niederländische Kolonialbeamte, mit weißen Anzügen, in großen Häusern, mit einheimischen Bediensteten. Musper publizierte seine Forschungen, wurde gelobt und gefeiert, reiste einige Male nach Europa und zweimal auch in seine alte Heimatstadt Heidenheim.

1937 erhielt er die niederländische Staatsbürgerschaft, eine Anstellung auf Lebenszeit war ihm sicher. Und gemeinsam mit einem immer größer werdenden Stab an Mitarbeitern erforschte Musper die gewaltigen Ölfelder der Gegend. Sie bildeten die Grundlage des Reichtums jener holländisch-britischen Ölfirma, die man heute unter dem Namen „Shell“ kennt. Musper verband seine paläontologischen Kenntnisse mit seinen stratigraphischen Fähigkeiten: Aufgrund von Fossilien konnte er auch ohne riesige Bohrungen Alter und Lage einer Erdschicht bestimmen. Und seine Karten waren nicht nur für seine Zeit enorm korrekt. Musper reiste jetzt stilvoll durch die Kolonien, seine Familie hatte Anschluss an die anderen „Blankes“, die weiße Oberschicht. Musper veröffentlichte zahlreiche Arbeiten, zunehmend auch zur reinen geologischen Forschung und längst auf holländisch.

Inhaftierung im Zweiten Weltkrieg

Im Mai 1940 brach das alles zusammen. Deutschland griff das Königreich der Niederlande an, und trotz seines niederländischen Passes wurde Friedrich Musper sofort inhaftiert. Als „Volksdeutscher“ ebenso wie als möglicher Geheimnisträger für die so kriegswichtigen Erdölfelder. Einen Prominentenbonus gab es nicht. „Die Häftlinge wurden in alten Festungen eingesperrt, teils in Käfigen gehalten oder in Ketten gelegt“, sagt Musper-Forscher Werner Mayer.

Der Angriff Japans auf die USA 1941 und der Pazifik-Krieg machten die Lage noch verworrener: Immer wieder wurden Musper und seine Mitgefangen von einem Eck Niederländisch-Indiens ins nächste verlegt, und unmittelbar vor der Schlacht um die Ölfelder von Palembang im Frühjahr 1942 wurde Musper mit fast 150 anderen Gefangenen per Schiff um die halbe Welt nach Niederländisch-Guyana in Südamerika gebracht. Die Überfahrt in einem engen Zwischendeck war der Horror und sollte das auch sein. Das, so sagten holländische Bewacher den deutschen Inhaftierten, sei die Quittung für die Bombardierung Rotterdams.

Muspers Familie blieb in Freiheit, doch viel besser ging es ihnen auch nicht: Seine Familie verarmte, wurde geächtet, seine Söhne mit dem Hinweis von der Schule verwiesen, ihr Vater sei ein inhaftierter Deutscher. Nur unter größten Entbehrungen brachte Elsa Musper ihre Familie durch diese Jahre.

Überfahrt nach Surinam als geschwächter Gefangener

Friedrich Musper war schon als gut versorgter Kolonialbeamter nicht gesund gewesen. Nach den Kerkeraufenthalten und der monatelangen Überfahrt kam er als Wrack in Surinam an. Immer weiter geschwächt sollte er im Juli 1943 tatsächlich in ein Krankenhaus verlegt werden, doch wie bei seiner ersten Frau war die ärztliche Hilfe einfach zu weit weg. Musper starb beim Transport per Schiff.

Und wie beim Tod seiner ersten Frau wiederholt sich auch die bittere Ironie, dass die Erlösung so nahe gewesen wäre: Zwei Jahre später endete der Zweite Weltkrieg, und die deutschen Internierten wurden fast ausnahmslos schnell rehabilitiert. Musper war nicht der einzige inhaftierte deutsche Geologe in Niederländisch-Indien. Seine Kollegen kamen alle wieder in Amt und Würden, erhielten teils Lehrstühle oder große Forschungsinstitute. Musper starb mit gerade 51 Jahren, und es fällt nicht schwer, ihn sich mit 71 Jahren vorzustellen, bei einem Vortrag in Heidenheim im Jahr 1963, als hochverehrter, international erfolgreicher Sohn der Stadt. Es kam anders. 8000 Kilometer weit weg. Und 80 Jahre her.

Musper-Kenner aus Gmünd: Werner K. Mayer

Der Beitrag basiert auf dem Aufsatz „Tragik eines Forscherlebens“, in dem Werner K. Mayer aus Schwäbisch Gmünd in jahrelanger Arbeit das Leben und die Arbeit Friedrich Muspers erforscht hat. Für Mayer fast schon Routine: Der pensionierte Kaufmann und Gründer der Firma Bau-Mayer (mit Filiale in Aufhausen) beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Geologie, sowohl privat als auch im Naturkundeverein Schwäbisch Gmünd. Als „Privatgelehrter im 80. Semester“ (Mayer über Mayer) hat er Dutzende von Büchern veröffentlicht, und zur Geologie der Ostalb faszinieren Mayer auch die Geologen der Ostalb. So stieß Mayer auf Friedrich Musper, über den sich im HZ-Archiv nur wenige Zeilen finden. Jetzt sind es ein paar mehr.