Handel mit Kokain

Gericht ist überzeugt von der Schuld des Angeklagten und muss ihn dennoch teilweise freisprechen

Ein 27-jähriger Heidenheimer soll größere Drogengeschäfte mit Mitgliedern eines Heilbronner Rauschgiftrings gemacht haben, doch es fehlte an Zeugenaussagen, um das eindeutig zu belegen. Für Kokain-Verkäufe kleinerer Mengen wurde der Heidenheimer aber verurteilt.

Umfangreiche Ermittlungen der Heilbronner Polizei ließen 2023 einen Rauschgiftring auffliegen, der im großen Stil dealte. Dabei geriet auch ein Heidenheimer in den Fokus der Polizei, die davon ausging, dass der Mann 200 Gramm Kokain über diese Kreise bezogen und weiterverkauft hatte. Dafür, und für weitere Drogengeschäfte, musste sich der 27-Jährige jetzt vor dem Heidenheimer Schöffengericht verantworten.

Überraschend begann der Prozess mit einem Geständnis des Mannes, allerdings nur bezogen auf den Handel mit Kokain in kleinen Mengen. Dass er 200 Gramm über die bereits verurteilten Heilbronner Dealer bezogen habe, leugnete er, wohl wissend, dass ihm diese Tat kaum nachzuweisen wäre.

Zeugen berufen sich auf Verweigerungsrecht

Das Ergebnis der Telefonüberwachung ließ durchaus entsprechende Rückschlüsse zu, war aber nicht eindeutig genug. Der Großteil der Zeugen berief sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht. Selbst wenn die Personen schon verurteilt sind, steht ihnen dies zu, um sich nicht zusätzlich selbst zu belasten. Dennoch hatte Richter Rainer Feil einen der Hauptangeklagten aus dem Heilbronner Prozess aus dem Gefängnis zur Verhandlung bringen lassen. Beim Betreten des Gerichtssaals konnten sich der Angeklagte und der verurteilte Drogendealer ein Grinsen nicht verkneifen. Das entging auch Feil nicht. „Dem Blick entnehme ich, Sie kennen sich.“

Laut Anklage hatten sich die beiden Männer im Januar 2023 in Dinkelsbühl verabredet. Dabei sollen 200 Gramm eines Kokaingemischs im Wert von 8000 Euro den Besitzer gewechselt haben. Der leitende Polizeibeamte des Heilbronner Falles, der als Zeuge aussagte, war überzeugt, dass dieser Deal stattgefunden hatte. Einige Wochen später sei der Verkäufer auch in Heidenheim gewesen. Ob sich dieser mit dem Angeklagten getroffen hatte, konnte der Beamte nicht sicher sagen. Man habe die Observierung aus Sicherheitsgründen abbrechen müssen, erklärte er.

Auch zu einem weiteren Verurteilten aus dem Heilbronner Prozess habe der 27-jährige Heidenheimer Kontakt gehabt, so der Ermittler. Dieser Mann habe den schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln aus einer Therapieeinrichtung heraus geplant und während seiner Ausgänge an den Wochenenden umgesetzt. Doch einen eindeutigen Beweis lieferte auch in diesem Fall die Telefonüberwachung nicht. Die Drogendealer seien sehr vorsichtig und professionell vorgegangen, so der Ermittler.

Damit fehlten dem Gericht die objektiven Beweise für diesen Tatvorwurf, weshalb der 27-Jährige daher freigesprochen wurde.

Einkommen mit Drogenverkäufen aufgebessert

Sicher war hingegen, dass der arbeitslose Angeklagte seine Finanzen im Zeitraum von 2022 bis Herbst 2023 mit dem Verkauf von Kokain aufgebessert hatte. Das hatte der 27-Jährige auch gestanden, woher es stammte, blieb aber offen. Die Heidenheimer Polizei hatte das Telefon des Angeklagten überwacht und die Namen der Kundschaft ermittelt. Weitere Indizien hatten Hausdurchsuchungen bei der Mutter des Angeklagten und seiner damaligen Freundin geliefert.

Dort waren eine kleinere Menge Kokain, Streckmittel, eine Feinwaage und Verpackungsmaterial gefunden worden – kurioserweise auch ein Plastikpenis mit einem Urinbeutel. Damit könnte theoretisch eine Untersuchung des Urins auf BTM mittels Fremdurin umgangen werden. Beispielsweise dann, wenn jemand nachweisen muss, dass keine Drogen mehr konsumiert werden.

Der Angeklagte selbst gab im Prozess an, dass er seit vielen Jahren von Marihuana abhängig sei und Kokain nur ab und zu konsumiere. Seine Bewährungshelferin war allerdings der Meinung, dass der Angeklagte seinen Kokain-Konsum auch vor sich selbst verharmlose.

Letzte Haftstrafe brachte über fünf Jahre Gefängnis ein

Bereits als 14-Jähriger stand der Heidenheimer erstmals vor Gericht, da ging es um Sachbeschädigung, es folgten Verurteilungen wegen schwerem Diebstahl und Betrug und mit 17 Jahren die erste zweijährige Haftstrafe.

Gelernt hat der junge Mann daraus offenbar nichts, denn laut der Verlesung von Richter Feil aus dem Bundeszentralregister ging es mit Raub, BTM-Geschichten, räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung weiter. 2019 verurteilte ihn das Landgericht Ellwangen schließlich wegen besonders schwerem Raub und Körperverletzung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Ende Dezember 2021 kam der Angeklagte auf Bewährung auf freien Fuß. Seine neuen Taten könnten nun zum Widerruf führen, sodass das letzte Drittel der Strafe doch noch abgesessen werden müsste.

Im aktuellen Prozess hatte der Staatsanwalt eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten für den gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln gefordert. Sein Verteidiger hielt allenfalls ein Jahr und zehn Monate für angemessen und verwies auf die vergleichsweise geringen Strafen, die die Heilbronner Dealer erhalten hätten, die Kokain „kiloweise verkauft haben“.

Am Ende verhängte das Schöffengericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Bezüglich des nicht nachweisbaren Kaufs von 200 Gramm Kokain merkte Richter Rainer Feil an: „Das heißt nicht, dass wir davon überzeugt sind, dass Sie die Tat nicht begangen haben“. Er frage sich, ob sich der Angeklagte im Klaren sei, auf welche Kreise er sich da eingelassen habe. Wenn der Angeklagte noch etwas aus seinem Leben machen wolle, sei jetzt noch eine Chance.

Therapie statt Gefängnis?

Der Angeklagte verließ das Gericht trotz Haftstrafe zunächst auf freiem Fuß, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Das Schöffengericht räumte dem Mann überdies die Möglichkeit einer Therapie ein, sobald ein entsprechender Platz zur Verfügung stehe. Nach erfolgreichem Abschluss könne er eventuell direkt auf freien Fuß kommen – sofern die Bewährung der Ellwanger Strafe nicht widerrufen werde.

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