Gewalt gegen Frauen ist ein Thema, das in diesen Tagen verstärkt in den Fokus rückt. Tausende Menschen demonstrieren in Frankreich gegen sexuelle Gewalt. Anlass ist der Prozess um die hundertfache Vergewaltigung von Gisèle Pélicot. Auch in Deutschland haben Straftaten gegen Frauen einen Höchststand erreicht. Das Bundeskriminalamt hat erstmals ein Lagebild vorgestellt, das schockierende Zahlen enthält: Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November gab es deutschlandweit Aktionen, die zeigten, wie zentral dieses Thema in unserer Gesellschaft ist.
In Heidenheim steht das Frauen- und Kinderschutzhaus allen von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern offen und bietet vorübergehend einen sicheren Schutzraum. Dass die Misshandlungen zunehmen, zeigt sich auch dort: Das Haus musste 2024 zeitweise wegen Überfüllung schließen. Gleichzeitig fehlt es an Geld, um ausreichend Hilfe leisten zu können.
Bereits lange vor den aktuellen Ereignissen hat die Heidenheimer Zeitung Frank Rosenkranz und Christian Smejkal zu einem Podcast-Gespräch eingeladen. Rosenkranz ist Geschäftsführer der Diakonie, die das Frauenhaus betreibt. Er kennt die Herausforderungen aus erster Hand und wirbt unermüdlich um Unterstützung. Aufmerksam geworden ist der Mergelstetter Handwerksmeister Christian Smejkal, Präsident von Round Table, dessen Mitglieder Spenden sammeln und das Frauenhaus unterstützen.
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Herr Smejkal, wie kamen Sie auf das Frauenschutzhaus?
Christian Smejkal: „Der Kontakt entstand über einen Zeitungsartikel in der Heidenheimer Zeitung über das Frauenhaus. Als Round Table unterstützen wir grundsätzlich soziale Einrichtungen im Landkreis Heidenheim. Zuletzt hatten wir beim Internationalen Straßenfest Spenden durch einen Getränkeverkauf generiert. Doch die Einrichtung, die wir unterstützen wollten, brauchte unsere Hilfe nicht mehr. Bis dahin hatte ich das Frauenhaus nicht auf dem Schirm. Nach dem Gespräch mit Herrn Rosenkranz war schnell klar, dass wir mit der Spende dort helfen wollen.
Das Frauenschutzhaus ist dringend notwendig und hat dennoch mit zahlreichen Engpässen zu kämpfen. Warum ist die Situation so angespannt?
Frank Rosenkranz: „Das hat verschiedene Gründe. Unsere Gesellschaft verändert sich. Vor 30 Jahren war der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund deutlich geringer. Heute sind die Frauen selbstbewusster und wagen früher den Schritt, eine Gewaltbeziehung zu verlassen und einen Schutzraum zu suchen. Dadurch haben wir eine deutlich höhere Frequenz. Unser Haus hat nur fünf Plätze für Frauen und elf für Kinder. Ab und zu müssen wir schließen, weil wir überfüllt sind. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir acht Frauen im Haus – wir hatten ein Spielzimmer, ein Wohnzimmer und ein Notaufnahmezimmer belegt. Unsere Personaldecke ist ebenfalls sehr dünn. Seit 42 Jahren warten wir auf eine gesetzliche Regelung zur Finanzierung. Doch das Frauenhaus fällt unter die Freiwilligkeitsleistungen des Landkreises. Ich bin froh, dass unser Landkreis und die Kommunen uns finanziell unterstützen. Das ist nicht überall so.“
Herr Smejkal, was hat Sie an Ihrem Gespräch mit Herrn Rosenkranz beeindruckt?
Christian Smejkal: „Es hat mich überrascht, welche Schicksale Frauen auch in unserer Stadt erleben. Das Ausmaß war mir nicht bewusst. Uns ist immer wichtig, dass das Spendengeld im Landkreis ankommt und geholfen wird.“
Was wurde mit der Spende gemacht?
Frank Rosenkranz: Wir haben einen neuen Spielplatz für die Kinder angeschafft und das Geld für den laufenden Betrieb genutzt. Nicht in allen Fällen erhalten wir finanzielle Unterstützung von der öffentlichen Hand. Wenn sich eine Frau illegal in Deutschland aufhält, also keinen Aufenthaltsstatus hat, dann hat diese laut Istanbul Konvention dennoch ein Recht auf einen Schutzraum. Wir nehmen solche Frauen auf, auch wenn wir für diese Fälle keine Kostenübernahme durch die Landkreisverwaltung erhalten. Auf den Kosten bleiben wir sitzen, die werden in der Regel über die Kirchensteuer ausgeglichen, aber auch das hat Grenzen. Wenn wir solche großzügigen Spenden bekommen, benützen wir diese für diese Finanzierung.
Haben Frauen aus anderen Kulturkreisen früher eher still gelitten?
Frank Rosenkranz: Frauen, die sich länger in Deutschland aufhalten und unsere Strukturen kennen, wissen dann auch um die Rechte der Frauen in Deutschland und trauen sich, Hilfe zu suchen.
Erfahren diese Frauen mehr Gewalt?
Frank Rosenkranz: Das möchte ich so nicht sagen. Wir haben Frauen aus allen Schichten und Bevölkerungsgruppen. Eine Frau war 30 Jahre lang eingesperrt, durfte nur die Kirche besuchen und musste sonst zu Hause bleiben. Sie hatte keine sozialen Kontakte und musste alles neu lernen, sogar das Einkaufen. Und das war keine Frau mit Migrationshintergrund.
Im Podcast berichtet Rosenkranz über weitere Fälle von Unterdrückung und Gewalt an Frauen in Heidenheim. Zudem erklärt er, warum die Verantwortlichen der Diakonie die Täter nicht anzeigen. Smejkal erzählt, warum Round Table das Frauenhaus unterstützt und wie der Club mit einem neuen Veranstaltungsformat, einer Gala mit Casinoabend, Spenden generieren will. Die Veranstaltung findet am 8. März 2025 im Business-Club der Voith-Arena statt.
Hier alle weiteren Episoden des HZ-Podcasts „Unterm Dach“ hören.
Hier finden Frauen Hilfe
Kontakt zum Frauen- und Kinderschutzhaus in Heidenheim: Diakonie Heidenheim, Tel. 07321.24099 (werktags 8–17 Uhr). Außerhalb dieser Zeiten erfolgt die Vermittlung über die Polizei unter Notruf 110.
Daneben gibt es das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (Tel. 116 016). Das kostenfreie Angebot richtet sich an alle Frauen, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind. Es steht anonym und in 18 Sprachen zur Verfügung. Auch Angehörige und Freunde können sich an das Hilfetelefon wenden, um Unterstützung zu erhalten.