Welches Wort folgt meist direkt auf Gospel? Chor. Natürlich, die frohe Botschaft wird meist vielstimmig verkündet, jubelnd und aus vollem Herzen. Aber es geht auch anders: ohne die Gospel-Gassenhauer wie „O Happy Day“ und „Amazing Grace“ und dennoch voll innerem Feuer.
Zum traditionellen Gospelkonzert von Jazz Heidenheim war diesmal zur Jahreswende das Hans Fickelscher Quartett am Sonntagabend in die Christuskirche eingeladen. Ein Experiment? Nein, denn der Heidenheimer Perkussionist und seine Mitmusiker Martin Wiedmann an der E-Gitarre und Jürgen Häußler am Tenorsaxofon (der Bruder des hiesigen evangelischen Dekans) bewegen sich sicher und virtuos in vielen musikalischen Stilen – darunter seit vielen Jahren auch im Gospel. Und Beatrix Steinhübl, die Sängerin und Pianistin, glüht geradezu für diese Musik aus dem schwarzen Amerika. Sie leitet im Stuttgarter Raum mehrere einschlägige Chöre.
Musikalisch auf eigenem Weg
Ein Experiment war der Abend dennoch. Denn mit zwei Titeln von Whitney Houston zeigte das Quartett schon zu Beginn an, dass es eigene Wege in Gospelkonzerten gehen möchte. Das Quartett ließ ebenso den Blues als Wurzel des Gospels anklingen, gab sich perkussiv rockig oder wechselte zur sanften Ballade im entspannten Latin Groove. Martin Wiedmann, ein studierter klassischer Gitarrist, breitete mit seinem Instrument eine stupende Fülle an Klangfarben aus, Jürgen Häußler blies auf seinem Tenorsaxofon einen warmen Seelenton und Hans Fickelscher baute für alles ein eingängiges wie vielschichtiges rhythmisches Geflecht mittels verschiedenster perkussiver Instrumente. Wenn Musik Swing haben soll, diese hatte es.
Mittendrin und darüber die klare und angenehme Stimme von Beatrix Steinhübl. Auch sie mit großer Leichtigkeit agierend, technisch sehr sicher und mit einem einfühlsamen Ton. Aus Brooklyn brachte sie nicht nur das Gemeindelied 2147 nach Heidenheim mit, sondern für ihr Leben auch die Erfahrung, dass die „unglaubliche Intensität“, in der die Gospelmusik in den USA gelebt wird, in Europa wohl nie so zu finden sein wird. „Ich habe erst dort kapiert, was das eigentlich ist. Das Innerste zum Ausdruck bringen, darum geht es.“
Nach Zögern machte auch das Publikum mit
Auf die Mitwirkung an einem Circle-Song mochte sich das Heidenheimer Publikum erst mit einem gewissen Zögern einlassen – man hegt hierzulande Emotionen eher ein, als dass man ihnen ihren Lauf lässt. Zudem muss man ja erst sehen, ob auch andere mitmachen. Doch spätestens bei Titeln von Harry Belafonte und Ray Charles übernahmen die Gefühle die Oberhand. Mit heftigem Beifall und kräftigem Trampeln auf dem Holzboden des fast vollbesetzten Kirchengestühls hatte sich das Publikum zum berauschten Ende gleich zwei Zugaben erstritten.
Begeisterung für Gospelgesang
Von Gospelmusik fasziniert: Seit sie 16 Jahre alt ist, singt die Pianistin und Sängerin des Hans Fickelscher Quartetts Beatrix Steinhübl in Gospelchören, im Alter von 22 Jahren war sie in den USA, um dort in schwarzen Gemeinden ursprünglichen Gospelgesang zu hören.