Nach Unwetter am Wochenende

So haben Trockenjahre und Extremregen den Stand des Grundwassers in Heidenheim beeinflusst

Der starke Regen hat seine guten Seiten: Er wirkt sich positiv aufs Grundwasser im Landkreis Heidenheim aus, das sich nach Dürrejahren wieder erholt hat. Deutliche Auswirkungen hatten die Unwetter vom Wochenende.

Vor einem Jahr noch schlugen Experten Alarm wegen niedriger Grundwasserstände. Trockenheit und Dürre ließen die Pegel sinken. Aktuell ist die Lage eine andere – und das nicht erst seit den Unwettern am vergangenen Wochenende.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Grundwasser im Landkreis Heidenheim

Ist der Starkregen vom Wochenende im Grundwasser angekommen?

Ja, und zwar sehr schnell und in großen Mengen. Das verrät exemplarisch ein Blick auf Messdaten aus Mergelstetten. In Brenznähe hat die Schnaitheimer Niederlassung der Firma HPC für eine Baumaßnahme Brunnen eingerichtet, deren Messdaten laufend aktuell per Funk übertragen werden. Ausgewertet hat die Daten der Heidenheimer Günter Dernai, Diplom-Geologe und Altlastensachverständiger bei der Firma HPC. Sein Ergebnis: Fast gleichzeitig mit dem Einsetzen des Regens stieg auch das Grundwasser an, und zwar so schnell und stark wie die Monate zuvor nicht. Selbst die regenreichen Monate im Winterhalbjahr hatten diese Wirkung nicht.

Der höchste Stand war am Montag, 3. Juni, um 5 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war der Pegel um etwa einen halben Meter angestiegen. „Der am Wochenende festzustellende Grundwasseranstieg ist somit auf jeden Fall bemerkenswert, da in wenigen Stunden der Anstieg eines gesamten Jahres erfolgte“, so Dernai. In Brenznähe sei das außergewöhnlich. Um das Ausmaß deutlich zu machen: Normalerweise bewegten sich die Schwankungen in Brenznähe im gesamten Jahresverlauf um plus minus 25 Zentimeter.

Warum war die Durchlässigkeit ins Grundwasser diesmal anders?

Eigentlich sickert bei Regenfällen nur etwa die Hälfte des Niederschlags bis in die Schichten des Grundwassers durch – im Winter etwas mehr, im Sommer weniger. Denn ein Teil des Regens verdunstet, wird von den oberen Erdschichten aufgesogen, und auch die Pflanzen verbrauchen einen Teil des Wassers. Im Grundwasser kommt nur das an, was übrigbleibt.  „Wenn der Boden stark gesättigt ist, ist er nicht sehr aufnahmefähig und der Niederschlag tritt unmittelbar ins Grundwasser ein“, sagt Dernai. Das war am Wochenende der Fall, da es schon in den Wochen zuvor mehr als sonst geregnet hatte und die Böden nass waren.

Der Stand des Grundwassers in Mergelstetten im Überblick. Deutlich ist der Anstieg während der starken Regenfälle und des Hochwassers zu sehen. Rudi Penk, Janine Mack

Wie verändert sich das Grundwasser im Regelfall während des Jahres?

Der niedrigste Stand ist normalerweise im Herbst, der höchste Stand nach der Schneeschmelze im Februar oder März. Das war in den vergangenen Jahren schon nicht mehr so ausgeprägt. Dennoch stand der Landkreis Heidenheim besser da als andere Regionen wie etwa der Oberrheingraben: „In die Karten spielt uns die Bodenbeschaffenheit“, sagt der Geologe Dernai.

Heidenheim stand besser da als andere Regionen

Günter Dernai, Diplom-Geologe

Die Ostalb sei geprägt durch das Karstgebirge, das ein riesiger Grundwasserspeicher sei und bei Schwankungen eine große Pufferwirksamkeit habe. Doch zuletzt fehlte vor allem das Auffüllen des Reservoirs im Winter: „Da wir keine relevante Schneeschmelze mehr haben, haben wir diesen Effekt nicht mehr“, so Dernai. Die Folgen: Der Grundwasserstand stagniert oder sinkt über die Jahre hinweg ab.  

Genau diesen Effekt beschrieben Wissenschaftler noch vor einem Jahr. Wie war die Grundwasser-Situation damals im Landkreis Heidenheim?

Die überwiegend zu trockenen Jahre und insbesondere zu trockenen hydrologischen Winterhalbjahre haben alle Regionen im Land betroffen, auch den Landkreis Heidenheim, sagt Tatjana Erkert, Pressesprecherin bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) in Karlsruhe. Die langfristige Entwicklung im Landkreis sei grundsätzlich vergleichbar mit jener im Land. Diese war in den vergangenen 20 Jahren geprägt durch überwiegend zu trockene Jahre und vornehmlich auch zu trockene hydrologische Winterhalbjahre von November bis April und damit einhergehend zu wenig Grundwasserneubildung, wodurch geringe Quellschüttungen und niedrige Grundwasserstände an der Tagesordnung waren.

Im Landkreis Heidenheim wird an mehr als 50 Stellen das Grundwasser gemessen, hier ist einer der Brunnen bei Schnaitheim. Rudi Penk

Welche Folgen können zu niedrige Grundwasserstände haben?

Grundsätzlich steht im Mittelpunkt die Sorge um die verlässliche und ausreichende Wasserversorgung, die im Landkreis jedoch immer gesichert war. Die Dürrejahre hatten Dernais Beobachtungen zufolge auch in unserem Landkreis schon ganz andere Auswirkungen: „Es waren Böden ausgetrocknet, die seit 100 Jahren nicht ausgetrocknet waren. 100 Jahre alte Gebäude bekamen plötzlich Risse, weil die Fundamente in der Luft hingen.“ Die Gefahr solcher Schäden sei umso größer, je mächtiger die Bodenschichten seien, die austrocknen und Setzungen dann die Folge sein können. Weniger problematisch sei das in den felsigen Gebieten wie auf den Heidenheimer Reutenen oder auf der Alb wie in Gussenstadt. „Der Fels sackt nicht weg.“

Warum hat sich das Grundwasser diesen Winter erholt? Und das schon vor dem Unwetter am Wochenende.

In Baden-Württemberg war der Mai 2024 seit Oktober 2023 der achte Monat in Folge mit einer überdurchschnittlichen Niederschlagsmenge, teilt die LUBW mit. Damit weise das hydrologische Winterhalbjahr, das für die Grundwasserneubildung wichtig ist, insgesamt ein deutliches Plus von rund 40 Prozent beim Niederschlag auf. „Dies trifft auch für den Kreis Heidenheim zu. Die Grundwasserstände und Quellschüttungen haben sich damit deutlich erholt“, so Tatjana Erkert von der LUBW.

Gibt es Prognosen, wie sich der Grundwasserstand in diesem Jahr weiterentwickelt? Wird 2024 in Sachen Grundwasser ein besseres Jahr als 2023?

Tatjana Erkert bleibt vorsichtig und verweist darauf, dass die Grundwasserneubildung von den Niederschlägen abhänge. Die Grundwasserneubildung für das gerade begonnene hydrologische Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) sei jedoch aufgrund der hohen Verdunstung in dieser Zeit erheblich niedriger als in der übrigen Zeit des Jahres, zudem wird die Niederschlagsmenge von der Vegetation benötigt, Quellschüttungen und Grundwasserstände würden in den nächsten Monaten zurückgehen. „Aufgrund der wesentlich besseren Ausgangssituation dürfte das Jahr 2024 hinsichtlich der Grundwassermenge deutlich entspannter verlaufen als das Jahr 2023, welches bis Mitte Oktober von anhaltend niedrigen Grundwasserständen geprägt war.“

Dichtes Netz an Messstellen

In Baden-Württemberg werden 70 bis 75 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen, heißt es bei der LUBW, die das Grundwasser im Land überwacht anhand von einigen 1000 Messstellen. Allein im Stadtgebiet Heidenheim gibt es 16 davon, im gesamten Landkreis rund 50. Alle weisen ähnliche Messkurven aus: Diese stiegen im Winter auf einen Höchststand, sanken daraufhin im Zickzackkurs wieder leicht ab und am Starkregen-Wochenende explosionsartig an. Zuvor war die Grundwasserkurve über Jahre hinweg immer mehr gesunken. Die Daten der Messstellen sind öffentlich und können eingesehen werden unter https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/guq-messungen#karte. Nach einzelnen Landkreisen und Kommunen kann im Karten- und Datendienst gefiltert werden.

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