Wie der 23-jährige Heidenheimer Jonas Engelhart den Überfall der Hamas in Israel erlebte
Noch immer herrscht in Israel Fassungslosigkeit über den schrecklichen und massiven Angriff der Terrororganisation Hamas vom vergangenen Samstag. Mitten drin in einer unter Schock stehenden Nation ist der frühere Heidenheimer Basketballer Jonas Engelhart, der Mitte August zu seiner Lebensgefährtin nach Nitzanei Oz an der Grenze zum Westjordanland gezogen ist. Im Interview schildert der 23-Jährige wie er und seine Gastgeber den Überfall erlebt haben.
Wann kamen die ersten Nachrichten über den schrecklichen Überfall bei Ihnen an?
Ich war noch im Bett, dann hieß es plötzlich: Jonas, guten Morgen, wir sind im Krieg! Es ging ja etwa um 6.30 Uhr los, ab da hat es sich ziemlich schnell über die Nachrichten verbreitet, ich habe es erst ein bisschen später mitbekommen.
Wie hat die Familie Ihrer Lebensgefährtin reagiert?
Am Anfang wusste man ja gar nicht genau was passiert ist, klar war bloß, dass es ein anderer Angriff ist als sonst, als was man „gewohnt“ ist. Nachdem klar wurde, dass die wirklich in die Dörfer reingerannt sind und da Massaker verübt haben, hat man schon gemerkt: Die Einwohner hier ändern ihre Ansicht, die kriegen jetzt schon Angst und diese Angst hat sich dann verbreitet.
Wie ging es dann weiter, was für Maßnahmen wurden in den folgenden Stunden ergriffen?
Man hat logischerweise die Nachrichten angemacht, in denen ständig durchgegeben wurde, was jetzt zu tun ist und was nicht. Wir leben hier direkt an der Grenze zum Westjordanland, zum Gazastreifen sind es mit dem Auto ungefähr eineinhalb Stunden. Aber man wusste ja nicht, was kommt. Dementsprechend war es für uns selbstverständlich, dass wir den Tag über das Haus nicht verlassen. Hier ist dann relativ schnell auch das Militär aufgekreuzt – einfach auf Grund der Nähe zum Westjordanland. Du wusstest ja auch nicht, ob von da drüben welche rüber kommen. Die haben dann relativ schnell die Siedlung abgeriegelt, patrouillieren seitdem auch ständig.
Sind in Ihrem Gebiet Raketen niedergegangen?
Nein, hier nicht, aber ein paar Kilometer nördlich sowie auch südlich von uns gab es Anfang der Woche und inzwischen auch bei uns Raketenalarm und die Menschen haben die Bunker aufgesucht. Insgesamt war es hier eher ruhiger, aber um Jerusalem herum, was ein bisschen südlicher liegt, gab es terroristische Aktivitäten, ebenso aus dem Libanon. Du weißt halt nie, wann was kommen könnte. Aufmerksam sein ist die Devise.
Wie könnten Sie sich schützen?
Wir haben hier einen öffentlichen Bunker nebenan, aber jeder ist auch dazu verpflichtet, in seinem Haus einen Sicherheitsraum, so eine Art Bunker, zu haben. Den haben wir dann auch aufgesucht.
Ist die Familie selbst auch bewaffnet?
Nicht das ich wüsste.
Aber jetzt im Moment haben Sie keine konkreten Befürchtungen um ihre Sicherheit?
Also nein, ich überhaupt nicht, die Eltern auch weniger. Die Schwester meiner Freundin macht sich schon ein bisschen mehr Sorgen, es könnte sein, dass sie in den nächsten Tagen in die Armee eingezogen wird. Das ist von Mensch zu Mensch einfach unterschiedlich. Ich fühle mich hier sicher, einfach weil ich weiß: Die Armee hat das ja alles unter Kontrolle.
Gab es Kontakt zu deutschen Behörden oder anderen Deutschen?
Hier vor Ort bin ich der einzige Ausländer, ich hatte auch zu niemand Kontakt. Ich habe gehört, dass die Deutsche Botschaft am Mittwoch ein paar Busse nach Jordanien geschickt hat und ich habe mit in diese Elefandliste eingetragen, werde aber keine offizielle Ausreisemöglichkeit wahrnehmen.
Hätten Ihre israelischen Gastgeber, die Familie Ihrer Lebensgefährtin so etwas für möglich gehalten?
So etwas Krasses nicht. Also mit Angriffen oder Raketenbeschuss muss man hier halt leider rechnen, aber mit so etwas haben die nicht gerechnet. Es fragt sich nun jeder: Wie konnte das passieren, 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg?
Wie würden Sie jetzt die Stimmung im Land beschreiben?
Auf jeden Fall angespannt. Viele sagen jetzt halt: Okay, müssen trotzdem hartnäckig bleiben und versuchen, unser normales Leben weiterzuleben. Aber es ist halt vielerorts runtergefahren, was auch selbstverständlich ist. Viele arbeiten mittlerweile von zuhause aus, die Straßen sind leerer. Man könnte theoretisch überall hin, auch mit dem Auto, aber viele wollen auch nichts riskieren. Wir gehen etwas spazieren, irgendwelche Unternehmungen werden halt ausgelassen, weil die Lage einfach angespannt ist.
Und was denken die Leute wie das jetzt weitergeht?
Die Menschen hier sind sehr zuversichtlich, dass Israel den Krieg gewinnen wird. Keiner weiß genau wie lange es gehen wird, aber die sind auf jeden Fall sehr patriotisch und zuversichtlich, dass sie die Hamas besiegen werden. Niemand will, dass Israel untätig bleibt, jeder erwartet hier eine Gegenoffensive.
Gibt es denn auch Stimmen die sagen, langfristig brauchen wir eine andere Lösung als die militärische?
Also, um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Stand jetzt sind alle fokussiert auf den Gegenangriff, auf die Zerstörung der Hamas. Das Militär wird hier aus der Bevölkerung heraus stark unterstützt. Was dann passiert, darüber wird dann in ein paar Wochen beraten.
Haben Sie noch einen Appell an die Menschen in Deutschland?
Ja, da habe ich bislang sehr unterschiedliche Meinungen gehört. Aber ich verstehe nicht, wie man solche Gräueltaten rechtfertigen kann. Das kann ich gar nicht verstehen. Wenn irgendwelche Nachrichten von hier kommen, dann bringt es nichts wegzuschauen. Und ganz klar ist Hamas der Übeltäter.
Der Basketballer und die Volleyballerin
Jonas Engelhart stammt aus einer Heidenheimer Basketball-Familie, spielte beim HSB und während seines Studiums (American Studies und Political Studies) in Würzburg in der Regionalliga. Seine Lebensgefährtin Noga Maor ist israelische Nationalspielerin im Beachvolleyball und wollte ursprünglich in diesen Tagen mit ihrem Studium beginnen. Kennengelernt haben die beiden sich in den USA
Engelhart, der auch schon als freier Mitarbeiter für die Heidenheimer Zeitung tätig war, hat mittlerweile ein Visum für Israel bekommen und möchte dort als Journalist arbeiten. Die Pläne sind nun natürlich stark durcheinander geraten, das Paar will aber langfristig auf jeden Fall in Israel bleiben.