Kommunalwahl

Haben die Bürgermeister im Heidenheimer Kreistag einen Interessenskonflikt?

Wenn am 9. Juni der Heidenheimer Kreistag neu gewählt wird, stehen auch einige Oberbürgermeister und Bürgermeister zur Wahl. Als Kreisräte stehen sie in einer Doppelfunktion. Welche Entscheidungen könnten problematisch sein?

Es ist die letzte Kreistagssitzung im Dezember 2023. Auf der Tagesordnung steht ein konfliktbeladenes Thema: die Schließung der geriatrischen Reha-Klinik in Giengen. Die Mehrheit stimmt für das Ende der defizitären Einrichtung, um das Klinikum Heidenheim zu entlasten. Zehn Kreisräte heben ihre Hand gegen die Schließung. Einer der entschiedenen Kämpfer für den Fortbestand die Reha-Klinik ist Giengens Oberbürgermeister Dieter Henle, der zugleich Kreisrat der Freien Wähler ist. Er macht die wohnortnahe Versorgung der Patienten zu einem seiner Hauptargumente.

Sprach hier nun der Giengener Oberbürgermeister oder der Kreisrat? Schlussendlich womöglich beide: Denn auch bei der Pressekonferenz zum Jahresabschluss der Stadt Giengen hatte Henle das Thema aufgegriffen.

Sind Bürgermeister im Kreistag befangen? Diese Frage beschäftigt Politikerinnen und Politiker in Baden-Württemberg immer wieder. Das Wahlrecht jedenfalls sieht keinen Interessenskonflikt und lässt die Kandidatur von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern für den Kreistag zu.

„Bürgermeister*innen im Kreistag – ein Interessenskonflikt?“ Janina Buß setzte sich fachlich mit diesem Thema auseinander in ihrer Bachelorarbeit als Studentin an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Sie machte sich für ihre wissenschaftliche Arbeit im Jahr 2022 im Landkreis Esslingen auf Spurensuche und kam am Ende zu der Antwort: „Ja, es gibt Konfliktpotential, jedoch reicht dies nicht für einen Ausschluss der Bürgermeister aus dem Kreistag aus.“

Vier wesentliche Konfliktstoffe arbeitet sie in ihrer Arbeit heraus.

1. Der Bekanntheitsgrad:

Ein Bürgermeister ist aufgrund seines öffentlichen Amtes bekannt und holt oftmals viele Stimmen, die er anderen womöglich wegnimmt. Davon profitieren auch die Kandidatinnen und Kandidaten auf den Listen, auf denen die Bürgermeister kandidieren.

2. Die Finanzen des Landkreises:

Die Kreisumlage ist eine wichtige Einnahmequelle des Landkreises. Der Kreistag legt jährlich den Kreisumlagesatz fest. Je höher dieser ist, desto mehr müssen die Gemeinden zahlen. Das heißt, stimmt ein Bürgermeister für einen höheren Satz, muss seine Gemeinde mehr an den Landkreis abtreten und der Gemeinde fehlt das Geld für eigene Aufgaben.

3. Abhängigkeiten:

Janina Buß schreibt dazu in ihrer Arbeit: „Der Landrat benötigt unter anderem von den Bürgermeistern Stimmen für seine Wiederwahl. Dies könnte er begünstigen, indem er bei seiner Aufsichtspflicht gegenüber den Gemeinden mit Bürgermeistern im Kreistag großzügiger ist oder gegen sie keine Disziplinarverfahren einleitet. Die Rechtsaufsicht gehört zwar zum Aufgabenbereich der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde und die Wiederwahl in den Bereich der Kreisbehörde, jedoch ist dies nur schwer zu trennen, da die Bereiche in einer Person, dem Landrat, zusammengefasst sind.“
Die Bürgermeister hingegen könnten sich in Diskussionen des Kreistags zurückhalten oder dem Landrat stets zustimmen, damit sich dies positiv auf die Einstellung des Landrats gegenüber ihm auswirkt. Ebenso könnten sie die Kontrolle und Überwachung der Kreisverwaltung weniger streng umsetzen, um Vorteile bei der Ausübung der Rechtsaufsicht und der Einleitung von Disziplinarverfahren zu haben. Janina Buß relativiert das jedoch. In ihren Interviews, die sie im Landkreis Esslingen geführt hat, ist sie auf keinerlei Unstimmigkeiten gestoßen.

4. Konflikte bei Entscheidungen des Kreistags:

Wird eine Kreisstraße in Gemeindenähe saniert? Wird ein Radweg gebaut? Gibt es Geld aus Fördermitteln für ein Gemeindeprojekt? Wird eine Buslinie ausgebaut oder eingerichtet? Bei manchen Themen wirken sich Entscheidungen des Kreistags auf die Lebenssituation in Gemeinden aus. Janina Ruf meint dazu: „Es kann persönliche Interessenkonflikte eines einzelnen Bürgermeisters im Kreistag geben, wenn seine Gemeinde betroffen ist und die Entscheidung nicht im Sinne der Gemeindeinteressen ist. Häufig sind diese Situationen jedoch nicht.“

Janina Buß machte in ihrer Arbeit einen Vorschlag, um mögliche Interessenkonflikte zu minimieren: Sie hält die Überarbeitung der Befangenheitsregelungen für einen guten Ansatz. Beispielsweise könnte es hilfreich sein, bei Entscheidungen einen Bürgermeister, in diesem Zuge auch die Gemeinderäte, einer Gemeinde als befangen zu erklären, wenn die Entscheidung allein diese Gemeinde betrifft.

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