Traumjob Landrat? Wenn man Menschen nach ihrem Berufswunsch fragt, dann schafft es der Beruf des Landrats bestimmt nicht auf die vorderen Plätze der Hitliste. Das ist bei Peter Polta anders. Als er sich im Sommer 2019 als Landrat bewarb, sagte er, das sei sein Traumjob. „Er ist es immer noch“, sagt Polta heute. Wenn man Landrat Peter Polta nach vier Jahren mit drei Eigenschaften beschreiben müsste, dann wären folgende Worte darunter: akribisch, fleißig, vorausschauend.
Welche drei Worte fallen Ihnen ein, wenn Sie an die vergangenen vier Jahre denken?
Peter Polta: Gestalten trotz Krisen. Mir ist wichtig, dass wir vor lauter Krisenmanagement auch die Zukunft des Landkreises gestalten. Dass die Rahmenbedingungen an unserem Standort stimmen, sich der Landkreis positiv entwickelt, das sehe ich als meine Hauptaufgaben. Wir sind ein kompakter Landkreis, das ist unser Vorteil. In den Krisen hat sich gezeigt, dass wir eng mit den Städten und Gemeinden zusammenarbeiten und gemeinsam vorgehen.
Sie meinen Corona und den Angriffskrieg auf die Ukraine?
Wir wussten zum Beispiel nicht, wie sich die Coronalage entwickelt und haben daher in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Klinikum im Congress Centrum ein Notfallkrankenhaus mit Sauerstoffversorgung eingerichtet.
Das man zum Glück nie gebraucht hat.
Das stimmt. Aber unsere Devise ist bis heute: immer einen Schritt voraus sein. Deshalb hatten wir auch ein Impfzentrum eingerichtet. Als das Land nach Schließung des Impfzentrums mit mobilen Impfteams zurückhaltend war, preschten wir vor. Der Kreistag ging mutig mit. Wichtig war mir außerdem, die Bevölkerung täglich über die Coronalage zu informieren.
Kaum war Corona überstanden, folgte der Angriffskrieg auf die Ukraine, der uns bis heute beschäftigt.
Wie sich die Lage in der Ukraine entwickelt, kann man heute nicht sagen. Da müsste ich eine Glaskugel bemühen, die ich nicht habe. Wir mussten in Sachen Aufnahme Geflüchteter wie 2015/16 die bewährten Muster auspacken, haben eine Task-Force eingerichtet, die bis heute alle zwei Wochen unter meiner Leitung tagt. Die Daueranstrengung bringt uns an die Grenzen, was Betreuung, Unterkunft und vor allem die Integration anbelangt. 58 Ukrainerinnen und Ukrainer wurden laut November-Zahlen bisher in einen Job vermittelt, wobei jetzt nach und nach Sprachkurse zu Ende gehen, da dürften mehr Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Diese multiplen Krisen dürfen einen aber nicht auffressen und die Zukunftsthemen verdrängen.
Was macht Sie besonders stolz, wenn sie zurückblicken?
Stolz macht mich, dass wir die Krisen im guten kommunalen Schulterschluss bewältigt haben. Dass dabei die Bevölkerung jederzeit, so gut es ging, unterstützt wurde. Was mich auch stolz macht: Bei meinem ersten Interview im Dezember 2019 gab ich ein Bekenntnis zum kommunalen Klinikum ab. Das gilt nach wie vor. Auch der Kreistag steht hinter dem Klinikum. Die Gesundheitsversorgung mit dem Klinikum ist unsere Aufgabe. Ein Landkreis, ein Klinikum, das ist unsere Stärke und ein echtes Pfund. Das Klinikum hat ein qualifiziertes, starkes Team. Ich bin froh, dass ich im Frühjahr um die Fördermittel gekämpft habe und wir 78 Millionen Euro bekommen haben, gleichwohl 138,5 Millionen Euro im nächsten Bauabschnitt verbaut werden und der Landkreis 60,5 Millionen Darlehen ausleihen muss. Wenn man die Verschuldung des Landkreises anschaut, wird das in den kommenden Jahren eine Herausforderung. Die Finanzierung von Bund und Land ist leider nicht auskömmlich.
Ich kann versprechen: Ich lasse bei der Brenzbahn nicht locker.
Landrat Peter Polta
Was mich auch stolz macht, auch wenn man das auf Anhieb nicht sieht: Wir kommen in Sachen Ausbau und Elektrifizierung der Brenzbahn Schritt für Schritt voran. Ich hatte erst vor ein paar Tagen eine Verhandlung mit der DB über die Planungs- und Finanzierungsvereinbarung, die ist nun bis auf einige wenige Themen weit fortgeschritten. Der 8. Februar 2024 wird ein wichtiger Termin sein, bei dem auch über die Zeitschiene gesprochen wird. Unter anderem werden die Verkehrsminister von Baden-Württemberg und Bayern dabei sein. Stolz machen mich positive Rückmeldungen, die zeigen, dass man mir in der Region in Sachen Brenzbahn mittlerweile vertraut. Ich kann versprechen: Ich lasse bei der Brenzbahn nicht locker. Die Verkehrsinfrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor. Im ländlichen Raum werden wir den motorisierten Individualverkehr immer brauchen. Gleichwohl brauchen wir den ÖPNV. Im vorigen Jahr haben wir unser tarifliches Maßnahmenpaket beschlossen. Welche Auswirkungen die Flatrate-Tickets haben und was die seit drei Jahren dauernde Preisstabilität gebracht hat, das untersuchen wir. Zudem wollen wir die Angebotsseite verbessern: Wir wollen in zwei Pilotregionen, Giengen und Dischingen, im kommenden Jahr Transport on demand untersuchen.
Womit wir schon in die Zukunft blicken: Welches sind Ihre Ziele für die zweite Halbzeit ihrer Amtszeit?
Gesundheit, Bildung, Mobilität sind mit die wichtigsten Säulen. Wir müssen unsere Vorhaben so intelligent miteinander verweben, dass die Umsetzung für uns finanziell realisierbar bleibt. Deshalb sind langfristige Konzepte wichtig. Ziel eins im Bereich Gesundheit ist die Fortführung der Klinikum-Modernisierung. Die weiteren Planungen für die Brenzbahn gehören natürlich ebenso dazu wie eine zukunftsorientierte Mobilität.
Für unseren Wirtschaftsstandort ist auch das Thema Wasserstoff essenziell. Wir sind in der glücklichen Lage, dass die planfestgestellte Süddeutsche Erdgasleitung, die SEL, von Anfang an als Wasserstoff-Pipeline an Heidenheim vorbei Richtung Bissingen laufen soll. Wir haben dicke Bretter gebohrt, dass diese Leitung im Wasserstoff-Kernnetz des Bundes drin ist.
Ein wichtiges Zukunftsthema ist auch das Berufsschulzentrum und dessen Sanierung. Die Generalsanierung startet mit weiteren Planungen im nächsten Jahr, dauert bis 2032 und kostet aus heutiger Sicht 84 Millionen Euro. Wir müssen Jahresscheiben bilden, sodass die Finanzierung machbar sein wird. Denn wir müssen mehrere Investitions-Projekte miteinander verschränken. Erst jetzt hat der Kreistag ein Clusterkonzept für die Landkreisverwaltung beschlossen. Im Abwägen hat das BSZ Vorrang, denn Bildung ist ein wichtiger Standortfaktor, das hat für mich Priorität. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls wichtig sein, Lösungen für die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), insbesondere die Pistoriusschule in Herbrechtingen, zu finden, wo angesichts steigender Schülerzahlen mehr Platz benötigt wird.
Wie wird sich das große Finanzloch im Bundeshaushalt auswirken auf unseren Landkreis?
Da bemühe ich wieder die Glaskugel, die ich nicht habe. Wichtig wäre mir Verlässlichkeit. Beim Jobcenter hieß es im September, dass 700.000 Euro eingespart werden müssen, im November gab es eine Mitteilung der SPD-Bundestagsfraktion, dass es doch 750 Mio. Euro bundesweit mehr geben wird, das würde umgerechnet für uns keine Kürzungen bedeuten. Zuletzt hat auch der Bundesfinanzminister bestätigt, dass es bei den sozialen Standards keine Kürzungen geben werde. Angesichts der steigenden Fallzahlen wären für mich Einsparungen bei den Eingliederungsmitteln ein falsches Signal.
Könnten die Einsparungen des Bundes auch den Ausbau der Brenzbahn gefährden?
Unseren Antrag für GVFG-Mittel (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) des Bundes werden wir voraussichtlich 2025 stellen. Wir werden aus der Region Geld vorschießen müssen. Deshalb ist der Bundeshaushalt 2024 nur mittelbar für die Brenzbahn ausschlaggebend. Wir hoffen, dass die Brenzbahn, die beim Land in der Priorität nach oben gerutscht ist, wichtig bleibt und auch der Bund die richtigen Schwerpunkte setzt.
Gab es eine Entscheidung, die Sie so heute nicht mehr treffen würden?
Man trifft immer wieder Entscheidungen aus der Lage heraus. Eine schwere Entscheidung war, die Landkreishalle zur Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine umzuwidmen. Nachdem Corona am Auslaufen war, ging es gerade wieder los mit dem Vereinssport und Schulsport und dann machen wir für mehrere Wochen die Landkreishalle zu. Belegen mussten wir die Halle nicht. Es war eine dynamische Lage, vielleicht hätte man ein paar Tage warten können. Nachträglich habe ich mir da schon Gedanken gemacht.
Häufig kritisieren Sie die überbordende Bürokratie mit Wink auf Stuttgart, die Vorgänge kompliziert macht. Können Sie nicht im Landratsamt selbst beim Bürokratieabbau anfangen?
Wir können keine Gesetze abschaffen. Aber wir können Aufgabenkritik in unserem Rahmen machen. Frau Bolz, die Erste Landesbeamtin, ist damit betraut, gemeinsam mit den Führungskräften im Landratsamt quick wins (deutsch: schnelle Gewinne) zu erzielen. Seien es interne Statistiken, die man irgendwann mal gebraucht hat, oder Dinge, die man nur macht, weil man sie immer so gemacht hat, die aber durch die Digitalisierung nicht mehr erforderlich sind. Wir werden aber nicht das komplette Haus im laufenden Betrieb auf den Kopf stellen. Ich möchte keine Bürokratie für den Bürokratieabbau schaffen. Es geht dabei auch darum, das Fachpersonal für die richtigen Dinge einzusetzen.
Nach den Kommunalwahlen werden Sie es mit einem neuen Gremium, vielleicht auch mit anderer politischer Zusammensetzung, zu tun haben. Ist das ein Problem?
Natürlich setze ich auf eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit auch mit einem neuen Gremium. Es ist wichtig, dass der Kreistag entscheidungsfreudig ist, dabei darf es natürlich unterschiedliche Meinungen geben.
Zur Person Peter Polta
Am 6. November 2019 wurde Peter Polta einstimmig vom Kreistag zum Landrat gewählt. Zuvor war der Jurist seit Juni 2012 Erster Landesbeamter im Landkreis Heidenheim. Geboren wurde Polta in Mutlangen, nach dem Abitur absolvierte er die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst. Daran schloss sich ein Jurastudium im Tübingen an. Ab dem Jahr 2000 arbeitete Polta für das Land, zunächst als Personaljurist beim Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung, später beim Regierungspräsidium Stuttgart.