Gesundheit

Hat die Coronazeit unsere Kinder im Landkreis Heidenheim krank gemacht?

Wie ist es um die Gesundheit der Kinder im Landkreis Heidenheim bestellt. Hat die Coronazeit Spuren bei Sprachfähigkeit, Motorik oder Gewicht hinterlassen? Dr. Karin Steinhard vom Heidenheimer Gesundheitsamt hat Untersuchungsergebnisse ausgewertet.

Hat die Coronazeit unsere Kinder im Landkreis Heidenheim krank gemacht?

Die Hälfte der Kinder im Landkreis Heidenheim im Alter von vier und fünf Jahren zeigen Auffälligkeiten in ihrer sprachlichen Entwicklung. 18 Prozent können nicht einmal zwei kurze Sätze korrekt nachsprechen.

Das ist eine von vielen Erkenntnissen, die Dr. Karin Steinhart vom Gesundheitsamt im Landkreis Heidenheim aus den Einschulungsuntersuchungen gewonnen hat. Wie es um die Gesundheit der Kinder bestellt ist, ob und wie sich die Coronazeit auf die Entwicklung ausgewirkt hat, das berichtete die Ärztin den Kreisräten im Jugendhilfeausschuss des Kreistags. Eine Erkenntnis ist: nicht alle Werte haben sich verschlechtert.

Untersuchung eineinhalb Jahre vor der Schulzeit

Untersucht werden die Kinder in Kindertageseinrichtung von einer sozialmedizinischen Assistentin begleitet von einer Schulärztin. Warum so früh, fragen sich viele Eltern? „Damit man die Kinder frühzeitig fördern kann, wenn man einen Bedarf erkennt“, so die Erklärung von Karin Steinhart. In einem zweiten Schritt sehen die Ärzte 35 Prozent der Kinder zur Nachuntersuchung. Alle Kinder, die keine Kita besuchen, werden dann sechs Monate vor der Einschulung untersucht. Auch bei Rückstellungen oder frühzeitigen Einschulungen sind die Ärzte gefragt. Die Eltern, so Steinhart, seien immer mit eingebunden.

Dr. Karin Steinhart vom Heidenheimer Gesundheitsamt. Foto: Landratsamt Heidenheim

Von der Geburt an erhalten Kinder kostenlose Vorsorgeuntersuchungen, bei denen es laut Steinhart eine deutliche Abnahme gibt. Immer häufiger meldeten Eltern an das Gesundheitsamt zurück, dass sie keinen Termin für die U-Untersuchung bei den Kinderärzten bekämen. Ob die sinkende Zahl an den fehlenden Ärzteressourcen liegen, das sei allerdings nur eine Vermutung.

Hat Corona die Kinder im Landkreis Heidenheim dick gemacht?

Diese Vermutung hatte man zwar, aber die Untersuchungen bestätigen das laut Steinhart nicht. Vor Corona waren 83 Prozent der Kinder normalgewichtig, nach Corona waren das 86 Prozent. Übergewicht wurde vorher bei elf Prozent festgestellt, nach Corona bei acht Prozent. die Zahl der untergewichtigen Kinder war mit sechs Prozent gleich.

Masern: Impfquote fast bei 100 Prozent

Die Masernimpfquote hat sich laut Steinhart positiv entwickelt. 99,4 Prozent der Kinder sind mindestens einmal geimpft, 97,4 Prozent grundimmunisiert, das heißt, sie haben zwei oder mehr Masernimpfungen. Im Jahrgang 2018/2019 waren nur 93 Prozent einmal geimpft und 87,7 Prozent grundimmunisiert. Steinhart führt diese Entwicklung auf die gesetzliche Vorgabe zurück: Ungeimpfte Kinder können nicht in Kindergarten, Kinderkrippe oder Kindertagespflege betreut werden.

Fähig zum Schreiben und Malen? Nach Corona schlechtere Werte

In der Graphomotorik wird untersucht, wie gut das Kind mit den Händen umgehen kann, also die Bewegungen, die für Malen und Schreiben notwendig sind. „Da könnte man was tun“, zeigte Steinhart auf die sinkenden motorischen Fähigkeiten. Vor Corona hatten sich 53,1 Prozent der Kinder altersgerecht entwickelt, aktuell sind es 39,9 Prozent. Tatsächlich behandlungsbedüftig sind jedoch ungefähr gleich viele, nämlich drei bis vier Prozent. Nicht besonders auffällig ist die Entwicklung der Kinder in der Visuomotorik, das ist die Fähigkeit der Kinder, die sie zum Beispiel beim Puzzeln oder Schreiben lernen. Ebenso unauffällig fielen die Untersuchungen zur Mengenerfassung aus.

Sprachfähigkeit der Kinder im Landkreis Heidenheim hat sich verschlechtert

Ein Hauptaugenmerk wird bei der Untersuchung auf die Sprachfähigkeit gelenkt, die sich laut Steinhart deutlich verschlechtert habe. Vor Corona waren es 43 Prozent der Kinder auffällig, aktuell sind es 49 Prozent, wobei es hier Abstufungen gibt. Beim Test wird geprüft, wie viele Sätze die Kinder nachsprechen können. Von den Auffälligen, können 37 Prozent gerade einmal zwei Sätze nachsprechen. „Tina singt. Peter rennt. Mehr geht nicht“, sagt Steinhart Um das in Zahlen zu verdeutlichen: Von den aktuell 1011 Kindern, die bislang ausgewertet wurden, könnten 183 Kinder können gerade zwei Sätze sprechen, so Steinhart. Schlechter geworden sei das Nachsprechen von Zahlen sowie von Kunstwörtern, was beim Spracherwerb von Bedeutung sei.

Tina singt. Peter rennt. Mehr geht nicht.

Dr. Karin Steinhart

Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass der Anteil der Kinder, die nicht deutsch sprechen, gestiegen ist. Vor zehn Jahren sprachen 64 Prozent der Kinder noch deutsch in den ersten drei Lebensjahren, zudem Deutsch kombiniert mit Russisch sowie kombiniert mit türkisch. Aktuell liegt der Anteil der allein deutschsprechenden Kinder bei 59 Prozent.

Inwiefern Kindergartenbesuch sich auf die gesundheitliche Entwicklung auswirkt, dazu kann Dr. Steinhart keine Aussagen treffen. Dr. Jörg Sandfort (CDU/FDP-Fraktion, Steinheim) hatte nachgefragt. Fest stellt Steinhart jedoch, dass gerade Kinder, die während der Coronazeit zu Hause muttersprachlich betreut wurden, sich schwertaten, die zwei Sätze nachzusprechen. Das aufzuholen sei schwierig in einem Umfeld mit immer mehr sprachaufälligen Kindern.

Einschulungsuntersuchung: Das wird gecheckt

Ein bis zwei Jahre vor der Einschulung werden alle Kinder vom Gesundheitsamt untersucht. Dann sind die Kinder vier bis fünf Jahre alt. Das Besondere an dieser Untersuchung ist: Sie ist die einzige, bei der hundert Prozent eines Jahrgangs erfasst werden. Das gibt es sonst in keiner anderen Altersgruppe mehr.

Geprüft wird, ob die Kinder bei der Vorsorgeuntersuchung waren und wie es um die Impfungen bestellt ist. Inbegriffen ist ein Seh- und Hörtest, erfasst werden Größe und Gewicht. Das Verständnis für Zahlen und Mengen und die Motorik werden getestet. Ein Schwerpunkt ist die Sprachentwicklung.

Jährlich werden so im Landkreis Heidenheim jeweils mehr als 1000 Kinder untersucht, wobei es eine Delle bei den Coronajahrgängen gab. Aktuell werden laut Steinhart im Jahrgang 2022/23 mehr als 1200 Kinder erfasst, wobei die letzten Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Verglichen werden die Werte mit dem Jahrgang 2018/19.