Heidenheims Bürgermeisterin über die Opernfestspiele – und warum sie das Drama liebt
Die Opernfestspiele fallen in ihr Ressort. Denn als Bürgermeisterin ist Simone Maiwald in Heidenheim an vorderster Stelle auch für die von der Stadt initiierte und geförderte Kultur zuständig. Das Festival allerdings betrachtet die gebürtige Münsteranerin keinesfalls bloß mit rein beruflichem Interesse. Es ist auch viel persönliche Leidenschaft mit im Spiel, denn Simone Maiwald, die seit Juni 2018 in Heidenheim wirkt und zuvor unter anderem die Kulturämter in Rottweil und Gießen leitete, hat, neben Romanistik und Erziehungswissenschaft, auch Musik studiert. Im Interview verrät Simone Maiwald nicht nur, wer ihr Lieblingskomponist ist, sondern unter anderem auch, welche Musik sie mit auf die einsame Insel nehmen würde und dass sie Schloss Hellenstein gerne noch viel stärker mit Leben erfüllt sähe.
Carlo oder Carlos, Frau Maiwald? Wie halten Sie als studierte Romanistin es mit dem Namen der Oper? Wie rufen Sie das Werk, wenn’s schnell gehen muss?
Diesen Sommer ganz klar Carlo, weil der Titelheld bei uns in Heidenheim ja italienisch singt. Ansonsten aber Carlos, denn ich neige der französischen Fassung zu. Dort ist der Ursprung, denn in dieser Sprache ist der Text entstanden.
Sie haben auch Musik studiert. In welchem speziellen Rhythmus schlägt ihr Herz auf diesem weiten Feld am liebsten?
Interessanterweise war die französische Barockoper mal so etwas wie mein Spezialgebiet. Über eine lange Phase hinweg hatte jedoch ebenso die zeitgenössische Musik einen für mich sehr wichtigen Stellenwert, wobei ich sie allerdings durchaus auch kritisch betrachtet habe, da sie nicht selten im Abstrakten verharrt. Für mich sollte eine Komposition aber idealerweise sowohl einen intellektuellen wie auch einen emotionalen Ansatz bieten. In Vollkommenheit haben wir das bei Johann Sebastian Bach, weshalb er bei mir auch ganz vorne rangiert.
Barock hatten wir schon. Wie sieht es sonst bei Ihnen in Sachen Oper aus? Verdi oder Wagner, lieber die Franzosen… Was passt eher zu Ihnen?
Hauptsache dramatisch. Ich liebe das Drama. Je dramatischer, desto besser (lacht).
Machen Sie auch selber noch Musik oder bringt einen die Politik da aus dem Takt?
(lacht) Nett gesagt. Ich habe zu Hause einen wirklich tollen alten Flügel aus Dresden, einen Rönisch, Baujahr 1906, absolut gut in Schuss. Aber ich komme leider kaum dazu, ihn zu spielen. Ich bedauere das außerordentlich. Doch wenn ich müde heimkomme und der Kopf oft noch mit den anderen Dingen des Tages beschäftig ist, dann fällt es mir schwer, zu musizieren, weil das, zumindest was mich betrifft, mit einem bestimmten emotionalen Zustand verbunden sein sollte. Wenn sich der nicht einstellt, kann ich es gleich seinlassen und greife lieber zu einem Buch. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, weshalb über all die Jahre hinweg meine Leidenschaft für die Musik ein wenig von einer Leidenschaft für die Bildende Kunst überflügelt worden ist.
Welchen Stellenwert nimmt denn die Kultur ganz allgemein in Ihrem Leben ein?
Einen essentiellen. Ich möchte weder ohne Kunst noch ohne Literatur noch ohne Musik leben.
Die kulturelle Nutzung des Schlosses auch außerhalb der Festspielzeit ist eines Ihrer großen Anliegen. Mit Ausstellungen klappt das schon ganz gut. Was könnten Sie sich darüber hinaus alles noch vorstellen?
Das mit den Ausstellungen im Obervogteisaal sehe ich auch so. Da sind wir sehr schnell auf einen sehr guten Weg gelangt. Dazu passt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zu diesem Ausstellungsraum demnächst auch „Kinder und Kunst“ Werkstatträume beziehen wird. Das liegt mir sehr am Herzen und wird sicherlich auch unsere museumpädagogischen Ambitionen befeuern. Ganz grundsätzlich gesprochen, möchte ich gern mehr Leben ins Schloss bringen. Kunst, Literatur, Musik, da ist in allen Bereichen viel vorstellbar und ganz sicher auch viel zu machen. Sodann wünsche ich mir wirklich sehr, dass es gelingen kann, den Innenhof des Schlosses barrierefreier zu gestalten, etwa mit Laufflächen im Kopfsteinpflaster, da gäbe es durchaus ästhetische Lösungsmöglichkeiten, die nicht nur älteren Menschen, sondern zum Beispiel auch Bräuten das Kommen und Gehen dort oben erleichtern würde. Ebenfalls wünschen würde ich mir eine kleine Sommergastronomie, damit die Menschen, die aufs Schloss kommen, nicht einfach nur hindurchgehen, sondern sich auch mal hinsetzen und verweilen können. Da wir aber nicht Eigentümer des Schlosses sind, gibt es für die Stadt hier bisher keine großen Spielräume.
Welche Schallplatte würden Sie auf die berühmte einsame Insel mitnehmen?
Bachs Matthäus-Passion. Und wenn Sie mir noch etwas mehr Gepäck zugestehen würden, dann auch was von „Genesis“ oder „Pink Floyd“.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Ich lese eigentlich immer mehrere Bücher parallel. Momentan sind es zwei: „Der Hitlerputsch 1923“ von Dr. Wolfgang Niess und „Die Erweiterung“ von Robert Menasse.
Verraten Sie uns Ihren Lieblingsfilm?
Da muss ich jetzt passen. Das Thema Film ist eines, mit dem ich mich für meinen Geschmack nicht gut genug auskenne. Ich hatte nie die Zeit, mich intensiver damit zu beschäftigen. Ich erinnere mich aber, dass Kinobesuche für mich der einzige Luxus waren, den ich mir im damals vergleichsweise sehr teuren Frankreich während meines einjährigen Aufenthaltes als Studentin in Nantes geleistet habe. Aus dieser Zeit ist mir immer noch nachhaltig Jean-Luc Godards „Sauve qui peut (la vie)“, also „Rette sich, wer kann (das Leben)“ in Erinnerung geblieben.
Das Heidenheimer Opernfestival blickt auf eine bald 60-jährige Tradition zurück. Was bedeutet es für die Stadt – und welche Bedeutung messen Sie ihm ganz persönlich bei?
Aus meiner Sicht sind die Opernfestspiele ein extrem wichtiges Merkmal, eine extrem wichtige Besonderheit unserer Stadt. Zunächst einmal, um sich durch sie von anderen Städten zu unterscheiden und um sich in der Konkurrenz mit anderen Städten zu behaupten. Einem Vergleich können wir hier sogar mit deutlich größeren Städten standhalten, wenn wir uns das hochkarätige Niveau der Festspiele vor Augen führen. Die Festspiele erhöhen die Attraktivität Heidenheims nach außen hin zumindest in kulturinteressierten Kreisen enorm. Und selbstverständlich stimmt es, dass sie auch Einfluss darauf haben, wenn sich zum Beispiel Fachkräfte dazu entscheiden, hierher zu kommen. Die Festspiele zeigen doch deutlich, dass wir hier über ein hochkarätiges Kulturangebot verfügen. Aber sie wirken auch in die Stadt und den Landkreis hinein. Hier kann beispielsweise die Arbeit mit und für junge Menschen, die die sogenannte Education der Opernfestspiele leistet, nicht genug herausgehoben werden, vor allem vor dem Hintergrund, dass Kultur immer auch eine soziale Komponente hat. Ein Aspekt übrigens, dem wir mit dem Kunstmuseum und der Stadtbibliothek ebenfalls noch weit mehr als bislang schon Rechnung tragen wollen. Wie stark Heidenheim eigentlich auf dem Kultursektor insgesamt aufgestellt ist, wird, so mein Eindruck, von den Heidenheimern selbst manchmal noch stark unterschätzt.
Was würden Sie jemandem antworten, der die Meinung vertritt, Heidenheim komme auch ohne Festspiele über die Runden?
Damit würde man Heidenheim vieles von seiner Lebendigkeit nehmen, die Stadt würde ein Stück grauer. Denn die Festspiele gehören zum Kern, zum Wesentlichen der Stadt, zu dem, was diese Stadt von anderen, nicht bloß von vergleichbaren Städten unterscheidet, zu dem, was diese Stadt ausmacht. Hierin spielen und erfüllen die Opernfestspiele nach außen wie nach innen die gleiche große und wichtige Rolle wie der 1. FC Heidenheim.
Von Ihnen stammt das Bonmot, die Opernfestspiele seien …
…Heidenheims fünfte Jahreszeit (lacht).
Anderswo denkt man da an Karneval oder an Fasching. (lacht) Anderswo gibt‘s eben nicht unsere Opernfestspiele. Aber tatsächlich empfinde ich die Festspielzeit als eine Art von ganz besonderem Ausnahmezustand, eine sonst so nicht zu bekommende wunderschöne und genussvolle Zeit inmitten der Sommerzeit, eine fünfte Jahreszeit eben.
Keine Steine mehr
Die neuen Pflastersteine, die das Begehen des Schlossareals leichter machen sollen, sind ausverkauft.