Armut, Migration, Alkoholsucht, psychische Krankheiten, zerrüttete Elternhäuser, Alleinerziehende: Je größer die Problemlagen in den Familien, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Staat mit erzieherischen Hilfen den Kindern zur Seite stehen muss. Der Landkreis Heidenheim gilt in seiner Sozialstruktur zwar als besonders belastet. Dennoch fallen sowohl die Inanspruchnahme stationärer Hilfen als auch die Ausgaben für erzieherische Hilfen geringer aus, als man dies aus der analytischen Außenperspektive erwarten könnte.
Das wurde im Jugendhilfeausschuss des Landkreises deutlich, als Kathrin Kratzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Landesjugendamt des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS), aktuelle Entwicklungen vorstellte.
Laut der Analyse des Landesjugendamts liegt die Inanspruchnahme stationärer Hilfen in Heidenheim unter dem Durchschnitt vergleichbarer Landkreise. Auch die Ausgaben für erzieherische Hilfen fallen niedriger aus als erwartet. Dies sei vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen: den konsequenten Ausbau nicht-stationärer Hilfen, eine vergleichsweise hohe Quote an Hilfen in Vollzeitpflege sowie gezielte Präventionsmaßnahmen. Kratzer machte die Situation im Landkreis unter anderem an den absoluten Fallzahlen stationärer Hilfen bemessen an der Bevölkerung deutlich: Mit 7,6 Hilfen je 1000 Einwohner befinde sich der Landkreis Heidenheim in der mittleren Belastung.
Frühe Hilfen und Schulsozialarbeit als Schlüssel im Landkreis Heidenheim
Besonders die präventiven Ansätze in Heidenheim scheinen sich positiv auszuwirken. Der Landkreis investiert gezielt in „Frühe Hilfen“, offene Jugendarbeit und Schulsozialarbeit, um frühzeitig Unterstützung zu bieten und spätere intensivere Maßnahmen zu vermeiden. „Die Strukturen sind darauf ausgerichtet, Familien frühzeitig aufzufangen und ihnen die nötige Unterstützung zu bieten, bevor es zu gravierenden Problemlagen kommt“, betonte Kratzer.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die hohe Quote der Hilfen in Vollzeitpflege. Kinder und Jugendliche werden demnach eher in Pflegefamilien untergebracht als in Heimen. Das senkt nicht nur die Kosten, sondern bietet den betroffenen jungen Menschen oft auch stabilere und familiärere Strukturen. „Entgegen dem landesweiten Trend scheint hier noch vergleichsweise gut zu gelingen, Familien zu gewinnen“, sagte Kratzer.
Landkreis Heidenheim hat psychische Belastungen im Blick
Ein zunehmendes Problem sind psychische Belastungen von Kindern und Jugendlichen, die auch in Heidenheim spürbar sind. Der Landkreis hat darauf mit der Gründung eines Jugendgemeindepsychiatrischen Verbunds (JGPV) reagiert, der gezielt Unterstützung in diesem Bereich bietet.
Trotz der positiven Bilanz gibt es laut Kathrin Kratzer Herausforderungen: Der Bedarf an Jugendhilfemaßnahmen bleibe hoch, und Fachkräftemangel erschwere die Umsetzung. Gleichzeitig müssten politische Prioritäten gesetzt werden, um trotz begrenzter Ressourcen die Angebote aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.
Wie Landrat Peter Polta die Lage im Landkreis Heidenheim bewertet
Der Landkreis Heidenheim zeige jedoch, dass eine durchdachte Strategie mit präventiven Ansätzen und alternativen Betreuungsformen dazu beitragen kann, schwierige Rahmenbedingungen abzufedern und junge Menschen wirksam zu unterstützen. „Wir haben schlechtere Rahmenbedingungen, machen es aber gar nicht so schlecht“, sagte Landrat Peter Polta. „Das kann ein Signal sein, dass wir das Geld nicht zum Fenster herausschmeißen, sondern zielgerichtet ausgeben.“
Warum ist der Landkreis ein Problemlandkreis, was die sozialen Strukturen anbelangt? Rainer Domberg, CDU/FDP-Fraktion, legte den Finger in die Wunde: „Eine Antwort kann uns seit Jahren niemand geben. Was sind die Ursachen, sollten wir nicht da ansetzen?“ Auch Kratzer konnte diese Frage nicht abschließend beantworten, sagte jedoch: „Jeder Euro, den man am Anfang spart, wird sich am Ende rechnen. Deshalb würde ich sagen, es lohnt sich, in präventive Strukturen zu investieren.“
Sie viel Geld investiert der Landkreis in die Jugendhilfe
Die Sozialausgaben machen mit knapp 94 Millionen Euro die Hälfte aller Ausgaben Landkreis Heidenheim aus, knapp ein Viertel davon fließt in die Jugendhilfe. Teilweise erhält der Landkreis Geld vom Land für Pflichtaufgaben, doch das reicht bei Weitem nicht aus. Dazu kommen freiwillige Leistungen, mit denen der Landkreis vor allem in die Prävention investiert. Weil die Ausgaben stetig steigen und die schon strapazierten Landkreis-Finanzen zusätzlich belasten, waren gerade die Sozialausgaben ein Streitpunkt bei den Haushaltsberatungen, bei denen CDU/FDP-Fraktion sowie Freie Wähler Sparvorschläge machten und Kürzungen durchsetzten.