Rückzahlung von Corona-Soforthilfe

Heidenheimer City-Friseur ist Musterkläger gegen L-Bank

Als richtungsweisend für Tausende von Betroffenen gilt ein Musterprozess am Verwaltungsgericht Stuttgart. Klage eingereicht hat der City-Friseur Heidenheim, vertreten durch Holger Schier. Es geht um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfe.

„Friseure für Gerechtigkeit“ heißt eine Gruppe, die sich gegen die Rückzahlungen der Corona-Soforthilfen wehrt, mit der die existenzbedrohenden Folgen des ersten Corona-Lockdowns abgemildert werden sollten. Der Gruppe angeschlossen hat sich der Heidenheimer Friseurmeister Holger Schier, einer von drei Inhabern des Friseursalons City-Friseur Heidenheim. Wie viele andere hat auch er den Klageweg beschritten, nachdem ihn die L-Bank zur Rückzahlung eines Teils der Corona-Hilfen aufgefordert hatte und auch ein Widerspruch erfolglos war.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat nun seinen Fall ausgewählt. Holger Schier ist damit einer von sieben Musterklägern im Land. In diesen Pilotprozessen wird das Landgericht aufklären, ob die Forderung zu Rückzahlungen der Hilfsgelder rechtmäßig ist oder nicht.

Am 22. März 2020 verkündete die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel den ersten Corona-Lockdown. Cafés, Kneipen und Restaurants, aber auch Friseure mussten schließen, durften ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen und standen von einem auf den anderen Tag ohne Umsatz und Einnahmen da. Das Land beschloss daraufhin, den betroffenen Betrieben das Überleben zu sichern und legte ein finanzielles Soforthilfe-Programm auf. Rund 200.000 Betriebe nahmen die Hilfen laut Angaben der L-Bank an, die das Programm im Auftrag des Landes Baden-Württemberg abwickelte. Was als unbürokratische Hilfe gedacht war, sorgt bei vielen für ein böses Nachspiel. Die L-Bank fordert von tausenden von Betrieben eine Rückzahlung.

L-Bank verschickt Rückzahlungsbescheid für Corona-Soforthilfe: Was tun?

Auch City-Friseur Holger Schier hat für seinen Betrieb einen solchen Rückzahlungsbescheid erhalten. 15.000 Euro hatte er als Soforthilfe bekommen, knapp 11.000 Euro soll er nun zurückzahlen, womit er nicht einverstanden ist wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen. Deshalb hat er sich einer Gruppe angeschlossen, die sich „Friseure für Gerechtigkeit“ nennt und Betrieben dabei hilft, sich gegen die ihrer Meinung nach zu Unrecht erhobene Rückzahlung zu wehren.

Die erhaltene Soforthilfe deckt den wirtschaftlich entstandenen Schaden nicht annähernd ab.

Friseurmeister Holger Schier

Der Hauptstreitpunkt: der Berechnungszeitraum für die Soforthilfe. Die L-Bank beruft sich ausschließlich auf den Liquiditätsengpass im Zeitraum drei Monate ab Tag der Antragstellung und nicht für die Zeit des tatsächlichen Lockdowns. Die Rückmeldung im Falle des City-Friseurs über die drei Monate gab einen Engpass von nur knapp 5000 Euro. Die Ausfälle davor durch die Zwangsschließung des Ladens blieben unberücksichtigt. Individuelle Angaben waren nicht möglich, ausgefüllt werden konnte lediglich ein Musterformular.

Die Crux gerade bei Friseuren beschreibt Friseurmeister Schier so: Nach Ende des Lockdowns wurden die Friseure regelrecht überrannt von Kundinnen und Kunden, die ihre Haare wieder schöngemacht haben wollten. Diese Welle, abgeleistet mit erheblichen Überstunden, floss in die Abrechnung mit ein.

Welche Folgen der Lockdown bis heute für Friseure hat

Dass er zu viel erhalten haben soll, weist Schier zurück und verweist darauf, dass ihm und den Kolleginnen und Kollegen durch den Lockdown das Grundrecht auf freie Ausübung des Berufs entzogen worden sei. „Die erhaltene Soforthilfe deckt den wirtschaftlich entstandenen Schaden nicht annähernd ab.“ Das Friseurhandwerk sei eines der am härtesten betroffen Berufsfelder, vor allem auch im Nachgang, betont Schier. Laut Angaben der Kammern hätten bereits etwa 15 Prozent der Betriebe aufgegeben. „Wenn jetzt noch die Rückzahlung der Soforthilfe kommt, werden weitere folgen. Der Zentralverband spricht von etwa 12.500 insolvenzgefährdeten Salons“, sagt Schier.

Doch das sind noch lange nicht alle Folgen des Corona-Lockdowns, als Menschen selbst zur Schere griffen und sich die Haare stutzten. Nicht alle Kundinnen und Kunden haben den Weg zurück in die Salons gefunden. Das Potenzial an Schwarzarbeit habe sich schon während der Lockdowns angedeutet. Zudem kämen einige Kundinnen und Kunden seltener in die Salons, weil sie die erfolgten Preissteigerungen, auch durch Energiepreis-Entwicklung und wirtschaftlich schwierige Zeiten, nicht mitgehen wollen oder können, berichtet Schier.

Wann der Musterprozess am Verwaltungsgericht Stuttgart stattfinden wird, ist momentan noch offen. Fest steht jedoch, dass das Gericht den City-Friseur ausgewählt hat als Musterkläger gegen die L-Bank und damit indirekt gegen das Land Baden-Württemberg. Dass ausgerechnet die Klage aus Heidenheim ausgewählt wurde, liege womöglich an der Rechtsform des Salons als GmbH, deren Geschäftsführer er sei. Aktuell hat das Gericht die Klagebegründung vonseiten der Rechtsanwälte erhalten. Darin heißt es auch, dass höchstwahrscheinlich schon die Ablehnung des Widerspruchs durch ein automatisiertes Schreiben rechtswidrig erfolgt war.

Klagen in Nordrhein-Westfalen gegen Rückzahlung der Soforthilfen waren erfolgreich

Wie hoch stehen die Chancen auf Erfolg? Ziemlich gut, meint Unternehmensberater Reiner Hermann, der mit der Interessengemeinschaft (IG) NRW Soforthilfe bereits eine solche Klage gegen das Bundesland erfolgreich begleitet hat. Dort hat das Land sowohl erst- als auch zweitinstanzlich verloren. Die Rückforderungen von Corona-Soforthilfen für Soloselbständige in Nordrhein-Westfalen waren rechtswidrig, so das Gericht.

Zwar könne man die Bundesländer nicht pauschal vergleichen, weil bei der Soforthilfe reines Landesrecht gelte. Dennoch sei das Verfahren in NRW für andere Bundesländer richtungsweisend, meint Hermann, der nun die Klage des Heidenheimer City-Friseurs mit großem Interesse verfolgt. In Baden-Württemberg hätten Betroffene rund 8000 Widersprüche eingereicht gegen die geforderten Rückzahlungen, die die L-Bank abgelehnt habe. Rund 2000 bis 3000 Selbstständige hätten daraufhin geklagt. Das Gericht habe all diese Verfahren in Ruhe gestellt, bis die Musterklagen wie die aus Heidenheim durch sind. „Ich würde jedem Betroffenen unbedingt eine Klage empfehlen“, so Hermann. Denn dadurch sei die Zahlungsverpflichtung erst einmal gehemmt bis zum Ende der Verfahren.

Dass der Fall schnell gelöst sein wird, davon geht Hermann nicht aus. Denn egal, wie das Verwaltungsgericht urteilen wird, rechnet Hermann damit, dass das Land oder die Kläger in die nächste Instanz gehen werden.

Was tun bei Rückzahlungsbescheiden der Corona-Hilfen?

Um rechtliche Hilfe zu bekommen, hat sich Holger Schier der IG Friseure für Gerechtigkeit angeschlossen. Diese bietet allen Mitgliedern Hilfe an, wenn sie sich gegen die Zahlungsaufforderungen der L-Bank wehren möchten. Dort gibt es Vorlagen für Widersprüche und Klagen. Die IG vertritt mittlerweile nicht nur Friseure, sondern auch andere betroffene Berufsgruppen.

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