Speed-Dating, Zuschüsse, Coaching

Vom Sprachkurs in den Arbeitsmarkt: Wie der Heidenheimer Job-Turbo für ukrainische Geflüchtete funktioniert

Mehr als 1.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im erwerbsfähigen Alter beziehen im Landkreis Heidenheim Bürgergeld. Für viele ist nach dem Sprachkurs die Zeit reif, einen Job anzutreten und selbst Geld zu verdienen.

Arbeitsminister Hubertus Heil hat zur Integration Geflüchteter zum Jahresende 2023 einen Job-Turbo angekündigt. Im Blick hatte er dabei auch die Geflüchteten aus der Ukraine, die Bürgergeld beziehen. Umsetzen sollen diesen Job-Turbo die Mitarbeitenden der Jobcenter vor Ort. Albert Köble, Geschäftsführer des Jobcenters in Heidenheim, hat den Fokus schon vor dieser Ankündigung auf die Ukrainer gerichtet, wohl wissend, dass für viele nun der Sprachkurs endet und die Jobsuche beginnen kann.

Im Landkreis Heidenheim erhalten derzeit 1.245 Geflüchtete aus der Ukraine zwischen null und 67 Jahren Bürgergeld, überwiegend sind es Frauen. Davon sind im erwerbsfähigen Alter ab 15 Jahren 882 Frauen und 314 Männer. Die Zahl stagniert seit einiger Zeit, der große Zustrom ist laut Köble vorbei.

Devise im Heidenheimer Jobcenter: Erst die Sprache, dann der Job

An erster Stelle stand bislang das Deutschlernen, Kurse wurden aus dem Boden gestampft. Teilweise mussten Geflüchtete laut Köble durchaus ein halbes bis dreiviertel Jahr warten, bis sie mit dem Sprachkurs starten konnten. Mittlerweile seien 19 Sprachkurse abgeschlossen. Unter den 204 Teilnehmenden hat es laut Köble lediglich elf Abbrüche gegeben, überwiegend, weil sie in die Ukraine zurückkehrten oder umzogen. Rund die Hälfe der Kursteilnehmenden haben das B1-Niveau geschafft, ein mittleres Niveau, mit dem man sich ausreichend verständigen kann. 58 lagen mit einem A2-Abschluss darunter und 16 haben es nur bis A1 geschafft.

Allerdings gab es auch Ausnahmen nach oben: drei Ukrainerinnen hätten den B2-Abschluss geschafft, eine Person sogar das C1-Niveau, das der Muttersprache nahekommt.

Wie sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt? „Es gibt jede Menge unbesetzte Helferjobs, bei denen die Geflüchteten zumindest mit dem Arbeiten beginnen können“, so die Einschätzung von Albert Köble. Wolle jemand seine Sprache weiter verbessern, könne er berufsbegleitend abends und am Wochenende einen Sprachkurs für das nächste B2-Niveau besuchen.

Welche Ausbildungen haben die Ukrainer?

Vereinzelt seien unter den Geflüchteten Ärzte. „Bei diesen Mangelberufen ist es wichtig, dass diese Menschen schnell die Sprache lernen und ihre Arbeit aufnehmen können“, so Köble. Viele hätten kaufmännische Berufe, kämen aus dem Verkauf, hätten Betriebswirtschaft studiert oder kämen aus dem IT-Bereich. Allerdings habe die Hälfte keinen Abschluss, wobei die Frauen grundsätzlich gut qualifiziert seien, einen Schulabschluss und eine Ausbildung gemacht hätten. „Wer fünf Jahre oder länger nicht gearbeitet hat, der gilt als ungelernt“, so die Erklärung von Pressesprecherin Anke Eberhardt für diese Einstufung. „Doch die Wege nach oben sind alle offen“, fügt sie an. Ein Helferjob könne der erste Schritt dazu sein.

Albert Köble, Geschäftsführer des Heidenheimer Jobcenters: Setzt den Kurs auf Integration der ukrainischen Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt. Rudi Penk

Was hat das Heidenheimer Jobcenter für die Ukrainer geplant?

„Wir werden mit den 200 Ukrainern, die den Sprachkurs abgeschlossen haben, Richtung Arbeitsmarkt marschieren.“ Pro Monat kämen im ersten Quartal weitere mit Sprachabschluss hinzu.

Bei der Vermittlung läuft nun vieles parallel an. Die Menschen bekommen Stellenvorschläge, gleichzeitig gehe der Firmenkundenservice auf die Arbeitgeber zu, um Kontakte herzustellen. „Wir rufen die Firmen auf, uns ihre Jobs für einfache Tätigkeiten zu melden.“ Geplant seien Speed-Datings mit Firmen. Ein erstes fände zum Beispiel bei Marktkauf statt, wo rund 20 Jobsuchende dem Unternehmen vorgestellt würden. Es gebe Jobs an der Kasse, für das Einräumen von Regalen oder im Lager. Auch mit weiteren Unternehmen seien solche Speed-Datings geplant, wie zum Beispiel im Februar mit der DHL.

Eine der Herausforderungen sei, dass viele Ukrainerinnen mit Kindern hier lebten. Da müsse die Frage der Kinderbetreuung geklärt sein und auch die, ob die Kinderbetreuungszeiten mit denen der Arbeitszeiten im Einklang stünden. Köble rechnet auch damit, dass die Integrationstragkräfte viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Nicht alle reagieren begeistert, wenn sie eine Betriebswirtschaftsausbildung haben und als Helfer arbeiten sollen.“

Welche Sanktionen drohen, wenn Jobs abgelehnt werden?

Das Jobcenter hat aber auch gewisse Druckmittel in Form von Leistungskürzungen. Wer einmal ein Jobangebot ablehnt, bekommt im Folgemonat eine Kürzung von zehn Prozent des Bürgergeld-Regelsatzes. Das heißt: Bekommt ein Alleinstehender 563 Euro, werden ihm 56,30 Euro abgezogen. Beim zweiten Mal werden 20 Prozent für zwei Monate abgezogen, beim dritten Mal 30 Prozent über drei Monate. Die Bundesregierung hat im Haushalts-Sparpaket schärfere Sanktionen für Bürgergeld-Bezieher geplant, allerdings liege die Verordnung noch nicht vor, so Köble. Die Idee sei, bei weiterer Verweigerung von Jobangeboten das Bürgergeld für zwei Monate komplett zu streichen. Unangetastet bleibt die Zahlung von Miete und Nebenkosten.

So viele Ukrainer haben Bürgergeld gegen Lohn getauscht

Für das Jahr 2023 legt Köble folgende Bilanz vor: 82 Ukrainerinnen und Ukrainer haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angenommen, 32 einen Minijob. Drei haben sich selbstständig gemacht mit einem Hausmeisterservice, als freier Handelsvertreter und als Kosmetikerin. Drei seien in eine gemeinnützige Arbeit gegangen, einer startete ein duales Informatik-Studium und eine Ukrainerin hat eine Ausbildung als Konditorin begonnen. „Wir hoffen, dass wir das dieses Jahr ordentlich steigern können.“

Kräftige Finanzspritze für das Heidenheimer Jobcenter zur Integration Arbeitsloser

Dazu beitragen soll auch, dass die Jobcenter für den Jobturbo deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt bekommen für Eingliederungszuschüsse, Coachings und sonstige Hilfen zum Arbeitseinstieg. Dabei hatte das Jobcenter in Heidenheim zunächst deutliche Budgetkürzungen hinnehmen müssen. Eine Dreiviertelmillion Euro waren für die Eingliederungshilfe gestrichen worden aus dem 3,5 Millionen Euro umfassenden Budget. Wenn der Bundesrat im Februar den Beschlüssen des Bundestags zustimmt, dann erhält das Jobcenter Heidenheim 1,2 Millionen Euro zusätzlich für die Eingliederungshilfe. „Wir begrüßen das natürlich. Das Geld ist wichtig, um die Integration nicht nur, aber auch der Ukrainerinnen auf dem Arbeitsmarkt beschleunigen zu können“, so Köble. Die Mitarbeiter hätten schon viele Weichen gestellt, um das Geld schnellstmöglich sinnvoll einsetzen zu können. Das Geld komme aber auch bei der sozialen Teilhabe zum Tragen, zum Beispiel bei der Bezuschussung von Jobs für Behinderte auf dem zweiten Arbeitsmarkt.

Bürgergeld weckt Hoffnung und beschert Antragsflut

6200 Menschen beziehen derzeit Bürgergeld über das Job-Center, davon sind 1245 Ukrainerinnen und Ukrainer. Mit der Einführung des Bürgergelds und der damit einhergehenden Anhebung der Regelsätze ist die Zahl derer gestiegen, die ihren Anspruch auf Bürgergeld prüfen lassen wollen. Vor Corona seien zwei bis vier Anträge pro Woche eingegangen, so Pressesprecherin Anke Eberhardt, derzeit seien es 60 Anträge pro Woche.

Mit Einführung des Bürgergelds seien die Antragsbegehren um 50 Prozent gestiegen, wobei das nicht heiße, dass auch alle Bürgergeld bekommen. Geprüft werden müssen die Anträge dennoch alle, weshalb es beim Jobcenter durchaus zu Staus bei der Bearbeitung gekommen sei.

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