Die Geschäfte mit drei bereits zu Haftstrafen verurteilten Drogendealern brachten einen 48-jährigen Mann auf die Anklagebank des Heidenheimer Schöffengerichts. Im Rahmen der Auswertung von Telefongesprächen war auch er in den Fokus der Ermittler geraten. Er bezog Kokain über das Trio, das er dann an die Arbeiter seiner Dienstleistungsfirma weiterverkauft haben soll – so weit die Anklage.
Mit ausdrucksloser Miene verfolgte der Mann, der sämtliche Vorwürfe leugnete, den über Stunden dauernden Prozess. Über die kroatische Dolmetscherin gab er lediglich an, dass er als Vorarbeiter in einem Industriebetrieb tätig sei und nebenbei eine Firma betreibe. Sein Stuttgarter Verteidiger hingegen versuchte wortreich, seinen Mandanten als zu Unrecht Beschuldigten darzustellen. Bei den Telefonaten sei es nicht um Drogen gegangen, sondern um Bauarbeiten und auch mal über Wetten und Schwarzarbeit.
Verurteilte Dealer sollten als Zeugen aussagen
Konkret wurden dem Angeklagten vier Taten zwischen September und November 2022 vorgeworfen. Dabei soll er einmal sechs Gramm (Wert 600 Euro), einmal 0,8 Gramm (80 Euro) und zweimal rund 30 Gramm im Wert von jeweils 3.000 Euro über das Dealer-Trio bezogen haben. In mindestens zwei Fällen habe der Angeklagte Handel mit dem Betäubungsmittel betrieben, so der Vorwurf von Staatsanwalt Ilg.
Doch das zu beweisen, war ein zähes Verfahren. Begonnen damit, dass als Zeugen just jenes Trio geladen war, das den Angeklagten mit Stoff versorgt hatte. Einer von ihnen wurde aus der Haft vorgeführt, ein zweiter aus dem Maßregelvollzug, wo er derzeit einen Drogenentzug macht. Der Dritte im Bunde befindet sich ebenfalls in einer Entzugseinrichtung und hatte sein Kommen telefonisch am Morgen des Prozesses wegen Geldmangels abgesagt. Das Bauarbeiter-Trio aus Heidenheim war im Sommer 2023 am Landgericht Ellwangen verurteilt wegen bandenmäßigen Handels mit Kokain in nicht geringer Menge worden: zwei zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, der Dritte zu drei Jahren und vier Monaten sowie zu einer Unterbringung in einer Entzugsanstalt. Sie sollen Kokain im Wert von weit mehr als 100.000 Euro verkauft haben.
Auch juristische Feinheiten erschwerten den Prozess. Richter Rainer Feil war der Ansicht, dass den drei Männern ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen könnte, um sich mit einer Aussage nicht selbst zu belasten. Es sei nicht auszuschließen, dass genau die jetzigen Taten im Prozess vor dem Landgericht nicht abgeurteilt worden seien. Darauf wies er die beiden Zeugen auch hin, die daraufhin ihre Aussage verweigerten. Ob sie sich überhaupt nach so langer Zeit an den Angeklagten als Abnehmer erinnert hätten, bezweifelte Feil ohnehin.
Verteidiger spricht von einem „unbescholtenen Bürger“
Als einzige Zeugin verblieb damit die Kripo-Beamtin, die auch Hauptsachbearbeiterin des Falles vor dem Landgericht war. Ins Visier geraten sei der Angeklagte, als einer der Drogendealer in einem Telefonat aufzählte, wem er Kokain verkauft habe.
Das Wort „Kokain“ fiel dabei allerdings ebenso wenig wie in allen anderen Gesprächen, an denen auch der 48-Jährige beteiligt war und in denen es um Orte und Termine zur Übergabe ging. Außerdem kündigte er an, dass er künftig monatlich so 20 bis 30 „Stück“ brauchen werde. Außer im Dezember, denn da würden seine Arbeiter in die Heimat fahren.
Dem Angeklagten kam es zugute, dass bei einer Hausdurchsuchung nichts gefunden wurde, das auf Drogengeschäfte schließen ließ. Genau das war auch ein wichtiges Argument des Verteidigers. Für seinen Mandanten, der ein „unbescholtenen Bürger“ sei, forderte er deshalb einen Freispruch.
Selbst Richter Feil musste zugeben: „Wir haben unter dem Strich verdammt wenig.“ Lediglich die Telefonüberwachung könne zur Beweisführung herangezogen werden.
Für Staatsanwalt ist klar: Hier ging es eindeutig um Drogen
Staatsanwalt Ilg sah das anders. Für ihn gehe es in den Telefonaten eindeutig immer um die gleichen Themen, und zwar um Drogen: „Es geht um Beschaffung und es geht um Verkäufe“, und nicht um Baumaterialien. Da würde man wohl kaum diese konspirative Sprache verwenden, sondern einfach sagen, worum es geht. Drei der Beteiligten seien wegen Kokain-Handels rechtskräftig Verurteilte. Jetzt komme eine vierte Person dazu und die Gespräche liefen weiterhin genauso ab, was Sprechweise und Inhalt angehe. Für Ilg gab es keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte Kokain besorgte und an seine Arbeiter weiterverkaufte.
Er forderte für den Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung und eine Geldbuße von 6.000 Euro sowie die Einziehung der Taterträge in Höhe von 3.680 Euro.
Am Ende verurteilte das Schöffengericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung (drei Jahre) und einer Zahlung von 3000 Euro an einen Hilfs- und Wohltätigkeitsverein. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann einmal sechs Gramm und einmal mindestens zehn Gramm erworben habe. Dass er das Kokain weiterverkauft habe, sei nach Auffassung des Gerichtes nicht eindeutig nachweisbar gewesen.
Im Zweifel für den Angeklagten
Die gesamte Sachlage war bei diesem Prozess juristisch nur schwierig einzuordnen. Hatte der Angeklagte das Kokain nur besessen oder hatte er es nicht doch gewinnbringend weiterverkauft – wovon der Staatsanwalt ausging. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei die Darstellung der Staatsanwaltschaft richtig, so Richter Rainer Feil. Der Angeklagte habe aber das Glück einer äußerst dürftigen Beweislage.