Viele Weihnachtsmärkte in der Region laden dazu ein, im Advent innezuhalten und die Freude des Weihnachtsfestes nicht aus den Augen zu verlieren. Dieses Innehalten hatte sich auch der Oratorienchor Heidenheim zum Ziel gesetzt, und Chorleiterin Ulrike Blessing hatte etwas ganz Besonderes einstudiert. Ganz leise, ohne Umschweife, begann das „Magnificat“. Der junge Komponist Timo Handschuh, der an der Orgel ebenfalls anwesend war, bringt in seinem Dankgesang der Maria weniger äußerlichen Jubel, als vielmehr inneres Leuchten und eine stille Freude über die Verheißung des Gottessohnes zum Ausdruck.
Wie der Chor und – immer wieder herausragend, sowohl ganz zart als auch kraftvoll strahlend – die Sopranistin Risa Matsushima sangen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott“, berührte das Publikum von Anfang an. Blessing dirigierte mit leisen Bewegungen, präzise und eindrucksvoll alle Beteiligten zu einer großen und harmonischen Darbietung: das 20-köpfige Ensemble des Philharmonischen Orchesters Ulm, Solisten und jede einzelne Chorstimme.
Applaus erst nach langer Stille
Das Publikum spürte sowohl bei dem berührenden Gesang als auch bei den immer wieder hervortretenden Instrumenten, der Harfe, den Streichern – selbst Percussion war eindrucksvoll in die Komposition eingewebt – die stille Freude und Dankbarkeit Marias. Hier war das Innehalten, das Besinnen auf den Advent deutlich zu spüren. Die einzelnen Zeilen des Lobgesangs nahmen die Zuhörerinnen und Zuhörer mit in die alles andere als süßliche Botschaft: Ob bei dem eindrucksvollen „Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht“ oder „Er stürzt die Mächtigen vom Thron“ bis hin zu „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben“ – das Werk und die exzellente Darbietung schenkten dem Publikum Innigkeit und eigene Dankbarkeit. Erst nach einer langen Stille, in der das Werk nachhallte, brach sich der Applaus Bahn.
Im zweiten Teil wurde das Publikum vom ruhigen Advent auf die beginnende frohe Weihnachtszeit eingestimmt. Auch hier warteten der Chor sowie sage und schreibe fünf Solisten mit etwas Besonderem auf. Das Oratorio de Noël, ein Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saënt und obwohl 150 Jahre früher komponiert, fügte sich harmonisch und geradezu leichtfüßig an das „Magnificat“ an. Hier traten das Orchester und Handschuh an der Orgel noch einmal hervor, bis sich die Solisten nach und nach einreihten.
Hervorragende Solisten
Was da geboten wurde, war herausragend. Jeder einzelne der jungen Solisten zeigte sich von einer stimmlichen Reinheit und zugleich einem innigen Vortrag, dass im Publikum mehr als einmal Tränen zu sehen waren. Angefangen vom bewegenden Tenor Rob Tilson über die starke Altistin Ann-Kathrin Roth, unglaublich berührend der Sopran, aber auch Mezzosopranistin Laura Curry und Bariton Emanuel Pichler erzeugten Gänsehautmomente.
Obwohl die Texte auf Lateinisch waren, hatte man als Zuhörer das Gefühl, mitten dabei zu sein in der Weihnachtserzählung. Von den Hirten, denen der Engel sagt: „Fürchtet euch nicht!“, über den gemeinsamen Jubel mit dem Chor bis hin zu einzelnen Zeilen, die besonders herausgearbeitet waren: Das fast furchteinflößende „Quare fremuerunt gentes“ („Warum toben die Völker, warum, machen die Nationen vergebliche Pläne?“) und das umwerfende Quintett der Solisten „Consurge filia Sion“ (Steh auf, Tochter Zion“) riefen eine atemlose Stille im Publikum hervor. Nach dem großen Schlusschor hielt es niemanden mehr auf den Bänken und man spendete den strahlenden Mitwirkenden lang anhaltenden Applaus.
Neue Sängerinnen und Sänger willkommen
Der Oratorienchor Heidenheim studiert zwei große Konzerte im Jahr ein. Ulrike Blessing hat seit 2015 die Chorleitung inne und hat diesen sowohl in den Einzelstimmen als auch in seinem harmonierenden Gesamtklang stetig weiterentwickelt. Wer Interesse daran hat, im Oratorienchor mitzusingen, ist willkommen, gerne auch Männerstimmen. Nähere Informationen unter ora-hdh.de.