Kokain-Prozess

Heidenheimer Trio spekuliert auf Therapie statt Knast

Im Kokain-Prozess am Landgericht Ellwangen geben die drei Heidenheimer Angeklagten den Drogenhandel zu. Sind es taktische Gründe oder die Wahrheit? Das versucht das Gericht herauszufinden.

Heidenheimer Trio spekuliert auf Therapie statt Knast

Wurde im Dezember eine kriminelle Kokainbande festgenommen oder viel kleinere Fische? Darum drehte sich vieles am dritten Prozesstag am Ellwanger Landgericht mit drei Heidenheimern auf der Anklagebank. Denn, ob Bande oder nicht, da unterscheiden sich die per Gesetz festgelegten Strafen empfindlich. Die Bande verlangt mehr als fünf Jahre Haft, im anderen Falle könnte es sogar zu einer Drogentherapie in Freiheit kommen. Um Letzteres bitten die drei Angeklagten in ihren Geständnissen.

Zwei Prozesstage lang hatten die drei Männer geschwiegen zu den Tatvorwürfen, am dritten ließen sie über ihre Anwälte verlesen, wie sich aus ihrer Sicht die Drogengeschäfte zugetragen haben. Diese wurden zwischen August und Dezember 2022 überwiegend in einer Heidenheimer Kneipe und einem Wettbüro abgewickelt. Alle drei Männer räumten Kokaingeschäfte ein, jedoch in viel kleinerem Rahmen als angeklagt.

„Ich habe nie 200 Gramm Kokain bekommen, das habe ich nur gesagt, um den Käufer zu beeindrucken“

48-jähriger Angeklagter

Von Handelsmengen bis zu 200 Gramm, die ihnen die Staatsanwaltschaft zu Last gelegt hatte, wollten alle drei nichts wissen. „Ich habe nie 200 Gramm Kokain bekommen, das habe ich nur gesagt, um den Käufer zu beeindrucken“, sagte der 48-Jährige, der das Kokain für den Weiterverkauf besorgt haben soll. Den Angaben aller Angeklagten zufolge sollen jeweils wesentlich kleinere Mengen gedealt worden sein, etwas hätten sie selbst konsumiert. Damit wären auch die Geldsummen aus den Drogengeschäften nicht mehr sechsstellig, sondern kleiner.

Gesteht das Kokain-Trio den Drogenhandel aus taktischen Gründen?

Sind die Geständnisse taktischer Natur? Oder lassen sich doch die Anklagepunkte erhärten? Die Aussagen zweier Kriminalbeamte sollte dem Gericht Antworten liefern. Ein Kriminalbeamter war zuständig für die sogenannte Vertrauensperson, die in ein Heidenheimer Wettbüro eingeschleust wurde, um sich nach den Dealern umzusehen. Zweimal kaufte dieser Lockvogel Kokain, als er das dritte Mal im Wettbüro auftauchte, wurde es brenzlig, wie der Kripobeamte beschrieb. Statt der Kokainhändler sei eine fremde Person aufgetaucht und habe gedroht: „Verschwinde, sonst bringen wir dich um.“ Daraufhin sei die Vertrauensperson vom Einsatz abgezogen worden. Dennoch habe es weitere Telefonanrufe mit Morddrohungen gegeben.

Was die Kriminalpolizei aus der Telefonüberwachung erfuhr

Die Vorwürfe gegen die drei Heidenheimer stützen sich überwiegend auf die abgehörten Telefongespräche, zu denen eine Kriminalkommissarin befragt wurde. Die Kripobeamtin hatte ihrerseits keinen Zweifel, dass eine kriminelle Bande am Werk war. Der älteste der Angeklagten stelle sich nur gut dar. „Er war der Chef der drei. Er hat das Kokain besorgt.“ Die Drogen habe er bewusst in die Wohnungen der anderen ausgelagert, sodass bei ihm nicht viel gefunden werden kann im Falle einer Durchsuchung. Die anderen beiden hätten das Kokain gestreckt und verpackt.

Doch wie viel jeder an Geld bekommen hat, konnte die Beamtin ebenso wenig sagen wie sie Hinweise auf eine gemeinsame Kasse geben konnte, was den Verteidiger des mutmaßlichen Kopfes zu der Aussage bewegte: „Bezüglich eines möglichen bandenmäßigen Handelstreiben mit Drogen muss das Gesetz neu geschrieben werden.“

Keine einschlägigen Vorstrafen

Wegen Drogenhandels mit dem Gesetz in Konflikt waren die drei zuvor noch nie. Zwei sind nicht vorbestraft. Gegen einen der Angeklagten erließ das Amtsgericht Heidenheim im Jahr 2019 einen Strafbefehl, weil er ein kinderpornografisches Foto auf dem Handy gespeichert hatte. „Ich bereue, dass ich einige Male Kokain verkauft habe. Ich habe noch nie in meinem Leben eine Straftat begangen“, beteuerte der 34-jährige Jüngste. Und der Älteste: „Ich bin nicht stolz darauf, was ich gemacht habe.“

Wer sind die drei Angeklagten?

Die Biografien der drei ähneln sich nur darin, dass alle drei vor ein paar Jahren zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind. Der eine verbrachte seine Kindheit in Kroatien, ging dort zur Schule und machte eine Ausbildung zum Fliesenleger. Ein anderer hatte in Serbien einen Abitur-ähnlichen Abschluss gemacht, doch in einer Ausbildung oder gar einem Studium habe er keinen Sinn gesehen, sagte er gegenüber dem Gericht. Lieber arbeite er auf dem Bau, weshalb er 2017 nach Deutschland gekommen ist, wo er zuletzt als Maler und Stuckateur gearbeitet hat.

Der dritte Angeklagte verbrachte seine Kindheit weitgehend im Heim, landete später in einer Besserungsanstalt wegen Auffälligkeiten in der Schule. Nach einer Ausbildung als Kellner in Zagreb suchte er sich Arbeit auf dem Bau und kam 2018 nach Heidenheim, wo er ebenfalls zuletzt bei einer Baufirma arbeitete.

So beschrieb ein Gutachter die Lebensläufe. Der Dritte hatte den Gutachterkontakt abgelehnt und erzählte selbst von seinem Leben. Hinweise auf Entwicklungsverzögerung oder kognitive Leistungseinschränkungen bestehen laut Gutachter nicht, ebenso wenig Störungen des Sozialverhaltens. Für einen der Angeklagten empfahl der Gutachter eine Entzugstherapie, für den anderen nicht.

Vorsitzender Richter Bernhard Fritsch will das Urteil in der kommenden Woche verkünden. Zuvor soll ein Gutachten über den Wirkstoffgehalt des verkauften Kokains verlesen werden und Staatsanwalt Georg Ruß sowie die Verteidiger werden ihre Plädoyers halten.