Wäre der Verein ein anderer und hätte er einen anderen Zweck, dann wäre dem Vorstand und den Mitgliedern dieser Tage sicherlich zum Feiern zumute. Denn drei Jahre sind seit der Gründung vergangen, und die Erfolgsgeschichte, die der Verein zu verzeichnen hat, ist mehr als außergewöhnlich. „Eigentlich wäre es uns viel lieber, wir würden gar nicht mehr benötigt, und das hatten wir damals, im Februar 2022 auch gehofft“, sagt Jasmin Glänzel-Seibold. Sie ist Vorsitzende des Vereins Heidenheim für Ukraine, dessen Tätigkeit und Zweck auch nach dem dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine nichts an Aktualität verloren hat.
Damals, am 25. Februar 2022, wurde aus einer spontanen Bereitschaft heraus, den Menschen in der Ukraine zu helfen, der Grundstein gelegt für den Verein, der mittlerweile deutschlandweit aktiv ist und weit und breit seinesgleichen sucht. Seit Beginn der Aktion wurden mindestens 422 Tonnen an Hilfsgütern gesammelt und geliefert, die Zahl der Hilfslieferungen beläuft sich auf 165. Zudem wurden 13 gespendete Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge ins Kriegsgebiet geschickt sowie 14 gespendete Pkw und vier Transporter überführt. „Wir versuchen einfach nur, einen Beitrag und humanitäre Hilfe zu leisten“, sagt Glänzel-Seibold.
Geldspenden sind rückläufig, viele Firmen helfen mit Sachspenden
Doch das ist in den vergangenen zwölf Monaten nicht einfacher geworden. „Wir haben vor Ort einen Rückgang der Geldspenden um rund 40 Prozent, es sind schwierige Zeiten“, so die Vorsitzende. Doch die Bestrebung, nicht nur im näheren Umfeld, sondern auch überregional tätig zu werden, hat sich ausbezahlt. Als Teilnehmer der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz, die im vergangenen Jahr in München stattfand, konnte Glänzel-Seibold bundesweit Kontakt zu potenziellen Unterstützern, aber auch zu Organisationen in der Ukraine herstellen.
Man weiß, dass man uns vertrauen kann
Jasmin Glänzel-Seibold, Vorsitzende
„Seitdem erhalten wir Geld- und Sachspenden aus allen Teilen Deutschlands. Das hat auch dazu beigetragen, dass der Rückgang des Spendenaufkommens teils wettgemacht werden konnte.“ Nach dreijähriger Tätigkeit habe sich herumgesprochen, dass die Heidenheimer Hilfsaktion beste Kontakte hat, sehr zuverlässig arbeitet und die notwendigen Strukturen geschaffen hat, um mit dem zu helfen, was tatsächlich benötigt wird. „Man weiß, dass man uns vertrauen kann“, betont die Vorsitzende.
Deutlich wird das daran, dass sich im vergangenen Jahr auch zahlreiche Unternehmen aus der ganzen Republik mit Spenden an die Heidenheimer Ukraine-Hilfe gewandt haben. „Wir haben zwei Paletten mit Bauhelmen bekommen, sehr viel nagelneue Arbeitskleidung, aber auch viele andere Sachspenden. Benötigt wird in den Kriegsgebieten derzeit eigentlich alles, was zum täglichen Bedarf gehört“, sagt Glänzel-Seibold. Dazu gehören unter anderem hochwertige und leistungsfähige Computer, Generatoren und natürlich medizinischer Bedarf aller Art.
„Wir erhalten auch viel Medizintechnik, davon können wir nie genug liefern.“ Benötigt werden in dem kriegsgeplagten Land aber auch Verbands- und Hygienematerial. „Was das betrifft, erhalten wir sehr viele Sachspenden von Hartmann“, so die Vorsitzende. Besonders gefreut hat sie sich auch darüber, dass ein insolventes Seniorenheim aus Bayern das gesamte Inventar gespendet hat, die Stadt Herbrechtingen hat die komplette Einrichtung von zwei Klassenzimmern als Spende zur Verfügung gestellt.
Monatlich ein Sattelzug mit Hilfsgütern fürs Kriegsgebiet
Im vergangenen Jahr ist die Arbeit des Vereins noch professioneller geworden. „Wir fahren die Transporte nicht mehr selbst, sondern das übernimmt jetzt eine Spedition aus der Ukraine mit Sattelzügen. 2024 gingen 14 solcher Sattelzüge auf die Reise, „wir versuchen, einmal monatlich einen zu organisieren“, sagt Glänzel-Seibold. Man habe die Möglichkeit erhalten, die Waren in einer Halle der Firma C.-F. Maier in Königsbronn bis zum Abtransport zu lagern.
Die Hilfsgüter werden auch nicht mehr an der Grenze umgeladen, sondern direkt an den Bestimmungsort gebracht und dort verteilt“, erklärt Glänzel-Seibold. Dass diese Transporte Geld kosten, ist klar. „Deshalb versuchen wir, so effizient wie möglich zu packen und das logistisch so gut wie möglich zu organisieren. Wir haben ein eigenes Team, das sich um die Zoll-Formulare kümmert, weil das durch die Anti-Korruptions-Gesetze in der Ukraine sehr kompliziert geworden ist“, sagt die Vorsitzende. Finanziert werden die Transporte mit Spendengeldern.
Spenden machen es auch möglich, dringend benötigtes Material zu beschaffen. Dazu gehören in erster Linie Generatoren, aber auch andere Hilfsgüter, die regelmäßig geliefert werden. Die reinen Geldspenden beliefen sich allein im vergangenen Jahr Glänzel-Seibold zufolge auf einen guten sechsstelligen Betrag. Mit diesem Geld wird immer das beschafft, was akut vor Ort benötigt wird, aber nicht über Sachspenden abgedeckt werden kann. Trotz der Großspenden, die häufig von Unternehmen kommen, freut sich der Verein auch über Kleinigkeiten. „Haltbare Lebensmittel, Decken und Babynahrung werden natürlich noch immer benötigt. Und es gibt nicht wenige Heidenheimer, die uns seit drei Jahren regelmäßig Sachspenden vorbeibringen, auch dafür sind wir natürlich sehr dankbar“, so Glänzel-Seibold.
Über die Jahre hinweg hat sich die Struktur der Helfer, die sich bei „Heidenheim für Ukraine“ einbringen, ständig verändert. „Viele sind sehr engagiert von Anfang an dabei, und natürlich haben wir auch eine gewisse Fluktuation, aber die hält sich in Grenzen“, sagt Glänzel-Seibold, die kein Hehl daraus macht, dass die ehrenamtliche Arbeit auch sehr anstrengend sein kann. Rund zwei Drittel der etwa 150 Menschen, die sich engagieren, seien selbst geflüchtete Ukrainer, die hier vor Ort versuchten, die Menschen in ihrer Heimat zu unterstützen.
Zwei weitere Standbeine
Der Verein Heidenheim für Ukraine sammelt nicht nur Spenden und organisiert Hilfstransporte. Vielmehr hat er auch noch zwei weitere Säulen. So ist etwa der kulturelle Flügel der Organisation im vergangenen Jahr stark angewachsen.
Der ukrainische Chor „Forte Ukrainzi“, der zu Beginn nur dem Zusammenführen der Menschen dienen sollte, bewegt sich Glänzel-Seibold zufolge inzwischen auf einem professionellen Niveau, was auch zwei ukrainischen Profimusikern zu verdanken ist, die sich hier engagieren. Der Chor hat inzwischen Auftritte in ganz Deutschland und ist sehr gefragt. Die Einnahmen aus den Konzerten fließen in die Spendenkasse des Vereins.
Vor Ort kümmert sich die Ukraine-Hilfe auch um Flüchtlinge. Dabei geht es darum, Behördengänge zu begleiten, neu angekommenen Menschen die Strukturen zu erläutern, Wohnungen und Arbeit zu vermitteln und bei alltäglichen Aufgaben zu unterstützen.