Russisch, Ukrainisch, Kroatisch, Spanisch, Arabisch oder bruchstückhaftes Deutsch: Ein Sprachengewirr schlägt einem zuweilen entgegen, wenn man am Gebäude an der Olgastraße 13 vorbeigeht. Ist gerade Unterrichtspause, stehen unter einem Dach Erwachsene und unterhalten sich. Ihr gemeinsames Ziel: Deutsch lernen.
Entweder, weil sie Migranten sind. Dann ist ein vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanzierter Integrationskurs für sie zwingend für den weiteren Aufenthalt in Deutschland. Oder weil sie das schon hinter sich haben und ihre Deutschkenntnisse in berufsbezogenen Kursen verbessern wollen, um bessere Chancen auf einen Job oder eine Ausbildung zu haben. Elf Integrationskurse, acht berufsbezogene Sprachkurse laufen im Moment. Einige Menschen besuchen die Schule aber auch, um eine Fremdsprache zu lernen. Meistens sind es berufliche Gründe, sie wollen auf einen bevorstehenden Auslandsaufenthalt vorbereitet sein.
Wie geht man mit kulturellen Unterschieden um?
So viele Nationalitäten auf engem Raum, womöglich in einer Klasse: Wie gehen Vesna Nadj-Zec und die rund 30 Dozentinnen und Dozenten mit den kulturellen Unterschieden um? Der Inhalt der Kurse stehe fest, dennoch sei es wichtig, auf die einzelnen Gruppen einzugehen, inhaltlich auch im Unterrichtstempo. „Die Mentalitäten sind sehr unterschiedlich und die Teilnehmer kommen oft aus ganz anderen Bildunssystemen“, sagt Vesna Nadj-Zec und nennt als jüngstes Beispiel die ukrainischen Frauen. „Viele der Frauen sind sehr motiviert, lernwillig und fleißig, haben ihre Kinderbetreuung untereinander so organisiert, dass alle am Kurs teilnehmen konnten.“ Gleichzeitig seien sie auch traurig gewesen, mit den Gedanken manchmal weit weg in der Heimat.
Anders war das während der Flüchtlingswelle 2016, als vor allem Männer aus Syrien, dem Iran und Irak und aus Afghanistan in die Deutschkurse gekommen seien. "Viele mussten erst einmal das regelmäßige Lernen lernen." Dennoch hätten fast alle ihren B1-Abschluss geschafft. Noch heute treffe sie Kursteilnehmer von damals, die jetzt bei der Post, in der Pflege, in der Bäckerei arbeiten. Die Sprachenlehrerin will kein falsches Bild entstehen lassen und betont ausdrücklich, dass man keinesfalls den Lerneifer an den Nationalitäten fest machen könne. Manche der Teilnehmer kämen aus bildungsfernen Schichten, andere brächten schon viel Wissen mit und wollten schnell vorwärtskommen.
Beispiele gelungener Integration in Heidenheim
Vesna Nadj-Zec kennt viele Geschichten ehemaliger Schüler, die in Deutschland mittlerweile auf eigenen Füßen stehen. Zum Beispiel nennt sie einen jungen afrikanischen Jugendlichen, der ohne ein Wort Deutsch 2016 nach Heidenheim kam. „Seine Augen strahlten regelrecht im Unterricht, er war lernwillig.“ Sie habe ihm privat Bücher gebracht, damit er mehr lesen könne. Heute sei der junge Mann Automechaniker in einem großen Autohaus.
Ein anderes Beispiel sei ein Bosnier, der nach dem Integrationskurs die Prüfung mit links gemeistert habe. Er habe als Programmierer gearbeitet und parallel dazu sein Deutsch weiter verbessert auf das höhere Sprachniveau C1. „Heute unterrichtet er in einer Berufsschule in Ulm als Mathelehrer.“
Warum Vesna Nadj-Zec 1991 nach Steinheim kam
Vesna Nadj-Zec ist selbst ein Vorbild. 1991 kam sie als Spätaussiedlerin aus Ex-Jugoslawien, dem heutigen Serbien, mit ihrer Familie nach Steinheim. Deutschland kannte sie bereits durch die jährlichen Familienbesuche in Steinheim, Nürnberg und anderen Städten, wo Teile ihrer Familie leben. Sprachliche Hürden, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler haben, hatte sie keine. In der Heimat war sie zweisprachig aufgewachsen, auf Deutsch unterhielt sie sich mit der Oma, wenn diese auch ein etwas anderes, altertümliches Deutsch sprach. Als sie später in Novi Sad, der zweitgrößten Stadt in Serbien, Germanistik studierte, habe sie im Vergleich zu den Mitstudierenden das Nibelungenlied perfekt verstanden, erzählt Vesna Nadj-Zec lachend.
Nach der Ankunft in Deutschland dauerte es noch viele Jahre bis zur Gründung der Sprachschule, doch etwas davon keimte in ihr schon lange. In Serbien arbeitete sie nach dem Studium als Deutschlehrerin. In Deutschland war ihr erster Job dann zwar in einem Supermarkt, doch schnell engagierte sie sich ehrenamtlich als Integrationslotsin bei der Stadt und war im Integrationsforum aktiv.
Sprachkurse für Heidenheimer Firmen waren das Startkapital
Den ersten Deutschunterricht für jugendliche Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion gab sie dann an einer privaten Schule in Heidenheim. Daraus wurde schnell mehr. Bei der Volkshochschule, der Arbeiterwohlfahrt und bei großen Firmen im Landkreis Heidenheim wie Voith, Bosch und Hartmann unterrichtete sie Deutsch als Fremdsprache für Ingenieure, die aus dem Ausland nach Heidenheim gekommen waren. An der Dualen Hochschule betreute sie internationale Studierende. Die Kooperationen setzten sich fort, als Vesna Nadj-Zec 2008 die Neue Sprachenwelt GmbH gründete, und dauern bis heute noch an.
Gerade diese Firmenkontakte waren es, die ihr über die ersten beiden Jahre halfen. Denn um vom Bundesministerium die Erlaubnis für die Integrationskurse zu bekommen, musste die Schule erst zwei Jahre lang existieren. 2010 zog die Schule dann von der Rosenstraße an die Olgastraße, zunächst in das oberste Stockwerk. Heute nutzt die Schule das gesamte Gebäude.
Lernen mit allen Sinnen
2010 wurde die Schule für die allgemeinen Integrationskurse zugelassen. „Dann habe ich Flügel bekommen“, sagt Vesna Nadj-Zec und erzählt von vielen weiteren Kursideen, die folgten: Dazu zählen neben den BAMF-geförderten Integrations- und Berufssprachkursen auch Pflegesprachkurse. Neuerdings gibt es eine Zweischriftenlerngruppe. Denn wer kyrillisch oder arabisch beherrscht, muss unser Alphabet erst lernen als Grundlage. Die Kurse vermitteln Sprachkenntnisse von A1 bis C1. Außerdem finden verschiedene Sprachtrainings, nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch, Spanisch, Chinesisch, Portugiesisch, Arabisch, Russisch und vielen andere Sprachen statt. Bei allen gilt das Grundprinzip: lernen mit allen Sinnen, sagt die Geschäftsführerin: "Sprechen, hören, fühlen und sehen." Anfangs habe sie Unterrichtsmaterial gebastelt, heute gebe es durch das digitale Angebot sehr viel mehr Möglichkeiten.
Warum die Geschäftsführerin auf ein eigenes Büro verzichtet
Ein eigenes Büro hat Vesna Nadj-Zec als Geschäftsführerin nicht, sie ist gerne nah an den Menschen. Braucht sie Ruhe, geht sie am Eingangsbereich hinter eine kleine, halbhohe Regalwand, hinter der ihr Schreibtisch steht. Damit signalisiert sie ihren Teilnehmern ihr ständig offenes Ohr. „Ich kenne eigentlich alle, viele kommen mit ihren Geschichten zu mir“, erzählt sie. Wer jammert, keine Arbeit zu finden, den ermutigt und ermahnt sie: „Wer arbeiten will, der findet eine Arbeit.“ Es gebe so viele einfache Tätigkeiten. Sie nennt als Beispiele eine Matheprofessorin aus der Ukraine, die im Altenheim putzt.
Wie geht es weiter mit der Schule? Welche Personengruppen in die Schule kommen, das hänge von aktuellen Entwicklungen ab, auf die man reagieren müsse, sagt Vesna Nadj-Zec. Mit ihren 60 Jahren denkt sie zwar noch lange nicht ans Aufhören, freut sich aber dennoch darüber, dass vor einiger Zeit der Sohn von München nach Steinheim zurückgekehrt und als Mitarbeiter mit eingestiegen ist.
Deutsche Sprache, schwere Sprache
Welche Fehler machen manchmal selbst Muttersprachler bei einem Deutschtest? Die langjährige Dozentin Julia Bido nennt zwei Beispiele, die gerade in süddeutschen Dialekten häufig gemacht würden. „Viele sagen: größer wie. Richtig heißt es: größer als.“
Als zweites Beispiel nennt die Dozentin die Bildung des Perfekts bei Verben ohne Bewegung wie stehen, liegen, sitzen. In Süddeutschland sage man: Ich bin gestanden. Dabei heiße es: Ich habe gestanden.