Wäre es nach der Uraufführung von Faurés Requiem 1888 in Paris gegangen, dann wäre dem Werk wohl kein großer Erfolg beschieden gewesen. Da wurde Fauré nämlich angeraten, die Finger davon lassen, es gebe genügend solcher Literatur, man brauche sein Werk nicht. Heute dagegen wird gerade von dieser Komposition geschwärmt, es lasse das Himmelreich erahnen.
Die Zuhörer am Sonntagabend in der Marienkirche Heidenheim wären wohl eher geneigt, sich der Schwärmerei anzuschließen – der große Applaus am Ende, nicht selten im Stehen gegeben, lässt darauf schließen. Der Chor „Musica Cantorum“, die Solisten Joowon Chung (Sopran) und Jinseok Kim (Bariton), Organist Professor Stefan Palm unter der Leitung von Min Jung, seit Februar 2022 Dekanatsmusikerin in Heidenheim, gaben eine wahrlich glanzvolle Interpretation des Requiems. Der Chor zeigte seine enorme Qualität bereits bei Introitus und Kyrie: Makellos, klar und in schönster Harmonie vorgetragen, war sowohl der Gedanke ans Himmelreich als auch der an die „überirdische Sanftheit“, von der Pfarrer Tuan Anh Le in seiner Begrüßung gesprochen hatte, überaus naheliegend.
Sopran voller Kraft und Glanz
Kraft und Stärke repräsentierte Jinseok Kims Bariton im Offertorium, das strahlende Sanctus, in Orgeltöne wie gleißendes Licht getaucht von Stefan Palm, was erneut in „In Paradisum“ geradezu paradiesisch wiederholte – die ganze Schönheit von Faurés Werk entfaltete sich hier auf das Feinste. Und dann war da ja auch noch Joowon Chung, von deren Sopran man gar nicht genug kriegen konnte. Das war schon in „Pie Jesu“ des Requiems so, als die Profi-Sängerin, die aus freundschaftlicher Verbindung zur Leiterin Min Jung eigens aus Leipzig für dieses Konzert angereist war, ihren Sopran voller Kraft und Glanz von der Empore strömen ließ.
Das intensivierte sich noch bei Mendelssohn Bartholdys Vertonung des Psalm 42 „Wie der Hirsch schreit …“. Eindringlich und innig, volltönend und doch mit süßem Schmelz, ausdrucksstark und feinsinnig – auch Joowon Chungs Sopran war durchaus geeignet, an himmlische Gefilde zu denken. Der Chor trug seinen Teil dazu bei, nicht nur sein nachdrückliches „Harre auf Gott“ ging mächtig unter die Haut. Unterstützt vom Projektorchester, vermittelte auch dieser Teil des Konzerts Trost, Halt und
Jugendlicher Schwung und Energie
Das Projektorchester hatte mit der 3. Streichersinfonie in e-Moll, von Felix Mendelssohn Bartholdy im Alter von 13 Jahren komponiert, noch seinen eigenen Auftritt. Und es ließ den ganzen jugendlichen Schwung, den der Komponist in dieses Werk legte, sprudeln und wirbeln, und selbst im Andante war die frische Energie zu spüren. Und doch fügte es sich ausnehmend gut ins Programm ein, das durchweg von Ruhe und Frieden geprägt war. Das Publikum war sehr, sehr angetan.
Abschlussprüfung inklusive
Mit diesem Konzert hat Leiterin Min Jung gleich zweierlei erledigt: Zum einen hat sie damit ihre Abschlussprüfung für den Master in Chorleitung abgelegt. Und zum anderen hat sie damit dafür gesorgt, dass in der Marienkirche endlich wieder ein Konzert stattfindet – das erste seit Corona.