Backstage-Reportage

Hinter den Kulissen von „Die Eiskönigin – Das Musical“: Ein Tag im Leben des Heidenheimer Musical-Darstellers Stefan Tolnai

In der Stuttgarter Musical-Version von „Die Eiskönigin“ spielt der Heidenheimer Musical-Darsteller Stefan Tolnai unter anderem die Rolle des Ladenbesitzers Oaken. Wie bereitet er sich auf die Show vor? Ein Backstage-Besuch – von der Stage Door bis unmittelbar hinter die Bühne.

Ein letztes Mal verbeugt sich das Ensemble, ehe der Vorhang fällt. Anna, Elsa, Olaf und Co. haben es auch dieses Mal wieder geschafft. Das Königreich Arendelle ist gerettet, die beiden royalen Schwestern vereint – zum ersten Mal in dieser Woche. Sieben weitere Male wird die Geschichte der „Eiskönigin“ in den folgenden Tagen erzählt werden. Seit November vergangenen Jahres steht das berühmte Musical im Stage Apollo Theater in Stuttgart auf dem Programm. Mit dabei: der Heideneimer Musical-Darsteller Stefan Tolnai. Und der weiß: Bevor der Vorhang fällt, bevor er überhaupt aufgehen kann, bedarf es viel Arbeit. Wir haben Stefan Tolnai backstage bei der Showvorbereitung begleitet – von der Stage Door bis unmittelbar hinter die Bühne.

Noch 100 Minuten bis Showbeginn: Durch eine eher unscheinbar wirkende Tür auf der Rückseite des Musicaltheaters gelangen die Ensemble-Mitglieder sowie sämtliche an der Show Beteiligte in den Backstage-Bereich. Ein Stockwerk höher befinden sich die Garderoben der Darstellerinnen und Darsteller – hier treffen wir Stefan Tolnai an einem sonnigen Dienstagnachmittag. Zusammen mit vier weiteren Cast-Mitgliedern teilt er sich diesen Raum.

Zahlreiche Fotos und Mementos erinnern an Stefan Tolnais Engagement bei der Musical-Produktion „Tina“. Foto: Helen Bruch

„Ich bin sehr froh, dass die Jungs hier in der Garderobe sind, auch wenn wir selten alle fünf da sind“, erzählt der gebürtige Heidenheimer. An seinem Garderoben-Spiegel hängen zahlreiche Mementos früherer Auftritte, darunter auch Fotos von Tolnais Engagement beim Tina-Turner-Musical „Tina“, ebenfalls in Stuttgart. Bei der „Eiskönigin“ schlüpft er, wie es beim Großteil des Casts der Fall ist, gleich in mehrere Rollen. So spielt Tolnai den Ladenbesitzer Oaken, den Bischof und er ist Teil der Gruppenszenen im Ensemble.

Rund anderthalb Stunden vor Showbeginn müssen sich sämtliche Darsteller im Stage Apollo Theater einfinden. „Call Time“ lautet hier der Fachjargon. Der Backstage-Bereich ist keinesfalls nur zum „Ausharren“ gedacht. Im Eck steht ein Tischkicker, im Foyer mehrere Sofas. „Wir leben hier so ein bisschen“, erzählt Tolnai. Bei acht Shows an sechs Tagen muss das Ensemble das auch.

Noch 90 Minuten bis Showbeginn: Im Untergeschoss versammelt sich ein Jeder, der später auf der Bühne stehen wird. Das Warm-up steht an. Daran teilzunehmen ist verpflichtend und gilt laut Stefan Tolnai als bezahlte Zeit. 20 Minuten lang strecken, recken und dehnen sich hier alle, so gut es geht. Laute Samba-Musik ertönt ganz un-Disney-haft aus den Lautsprechern. Hier hört man keine Elsa singen.

Im schlimmsten Fall muss man sich krankmelden. Mit einer Erkältung kann man eben nicht singen.

Stefan Tolnai, Musical-Darsteller

Die vorherrschende Sprache in diesem Raum und hinter der Bühne allgemein ist Englisch. Ein nicht unerheblicher Teil des Ensembles stammt aus dem Ausland – nur wenige sprechen Deutsch. Die deutschsprachigen Texte des Musicals lernen sie mithilfe eines Phonetiklehrers.

Stefan Tolnais Warm-up beginnt bereits während seiner Anreise nach Stuttgart: „Im Auto mache ich immer zehn Minuten lang meine Gesangsübungen.“ An Auftrittstagen sei es besonders wichtig, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, Halsbonbons würden dabei helfen, den Mund geschmeidig zu halten. Und wenn der Hals mal kratzt? „Im schlimmsten Fall muss man sich krankmelden. Mit einer Erkältung kann man eben nicht singen.“ Für Erstbesetzungen gibt es jeweils zwei Cover, also Zweitbesetzungen, die einspringen können.

Noch 70 Minuten bis Showbeginn: Es geht ab in die Maske. Rund eine Stunde, bevor Tolnai die Bühne betreten wird, legt er sich selbst einen speziellen Gurt an, an dem gleich zwei Mikrofone befestigt sind – falls mal eines ausfällt, erklärt er. In der Maske wartet bereits Lisann Vollprecht, ebenfalls eine Heidenheimerin. Sie ist dafür verantwortlich, dass der Musical-Darsteller später mit der richtigen Haarpracht auf der Bühne steht. Ein paar Clips in die Frisur, ein Tüllband drumherum und einen Strumpf oben drüber – nun ist Tolnais Kopf bereit für die Bischofs-Perücke. „Die trage ich am Anfang im Ensemble und als Bischof.“ Erst nach der Vorstellungspause, wenn sein großer Auftritt als Oaken ansteht, wechselt Tolnai Perücke und Kostüm. Nach rund sieben Minuten erhebt er sich wieder aus dem Stuhl. Der Ablauf in der Maske, er ist streng durchgetaktet.

Die finalen Minuten bis Showbeginn bei „Die Eiskönigin – Das Musical“

Noch 55 Minuten bis Showbeginn: Unmittelbar hinter der Bühne offenbart sich ein Bereich, der so gar nicht nach dem zauberhaften Arendelle aussieht. Mehrere sogenannte „Blackboxes“ zieren den Raum – das sind kleine, modulare Umkleidebereiche, die mit schwarzem Teppich ausgekleidet sind. Hier lagern die Kostüme des Ensembles. Zirka 25 Personen werden in diesem Bereich nach und nach durchgeschleust. Unzählige Kleider, Roben und Mäntel hängen an den Wänden, in durchsichtigen Boxen lagern Hüte und Strümpfe, Accessoires und Schmuck.

Hier verwandelt sich Stefan Tolnai vollends in den Bischof. Ab diesem Punkt darf die Presse ihm keine Fragen mehr stellen – Disney-Vorschrift. Denn sobald ein Darsteller im vollen Kostüm ist, ist er laut Disney nicht länger dieser Mensch, sondern sein Bühnencharakter. Aus diesem Grund verrät Stefan Tolnai bereits im Vorfeld, wie die finalen Minuten backstage ablaufen.

In der „Blackbox“ lagern die Kostüme des Ensembles. Foto: Helen Bruch

Noch fünf Minuten bis Showbeginn: Sämtliche Mitglieder des Ensembles sind bereit. Mikro? Funkt. Perücke? Sitzt. Stimme? Geschmeidig. Die Musical-Darsteller finden in einem Kreis zusammen, die Besetzung dieses Abends wird angesagt, eventuelle Abänderungen noch einmal durchgesprochen. Dann heißt es: places, Plätze. Und Vorhang auf.

Showtime: Das Scheinwerferlicht geht auf, wir betreten Arendelle. Prinzessin Elsa entdeckt ihre eisigen Zauberkräfte und lernt, diese zu fürchten. Als Bischof krönt Stefan Tolnai Elsa zur Königin. Später wird er Elsas Schwester Anna sowie deren Begleiter Kristoff als Ladenbesitzer Oaken die Bedeutung von „Hygge“ näherbringen. Während die Oaken-Cover den Ladenbesitzer mit einem nordischen Akzent interpretieren, schwäbelt Tolnais Oaken – ein Alleinstellungsmerkmal in Stuttgart.

Im Hintergrund: Stefan Tolnai als Bischof. Dieser krönt Elsa (Ann Sophie) zur Königin von Arendelle. Foto: Johan Persson/Stage Entertainment

Nervosität im Angesicht der hunderten Zuschauerinnen und Zuschauer verspürt Tolnai nicht mehr. Schließlich hat der Profi inzwischen viel Erfahrung sammeln können. Kürzlich hat Tolnai seine 100. „Eisköniginnen“-Show absolviert. „Bei ‚Tina‘ waren es etwa 200. Ich würde sehr gerne insgesamt die 500er-Marke hier am Stage Apollo Theater knacken“, erzählt Tolnai nach der Aufführung. Mindestens bis Dezember dieses Jahres hat er dazu noch die Möglichkeit. So lange wird „Die Eiskönigin – Das Musical“ voraussichtlich noch in Stuttgart aufgeführt.

Der Reiz der Disney-Geschichte scheint nicht abreißen zu wollen. Noch immer sind die Vorstellungen nahezu ausverkauft, noch immer tummeln sich viele kleine als Elsa verkleidete Kinder im Publikum, noch immer warten Superfans nach Ende der Show an der Stage Door hoffnungsvoll auf ihre Idole. Am späten Abend verlassen die Musical-Darsteller durch ebenjene Tür, durch die sie einige Stunden zuvor eintraten, den Backstage-Bereich. Am nächsten Tag werden sie die ganze Prozedur wiederholen. Damit Arendelle einmal mehr gerettet wird.

Letzte Benefiz-Musical-Gala in Heidenheim

Abseits des Stage Apollo Theaters kann man Stefan Tolnai demnächst im Konzerthaus Heidenheim erleben. Am Samstag, 21. Juni, findet zum zehnten – und letzten – Mal die Benefiz-Musical-Gala mit hochkarätigen Stars aus bekannten Musicalproduktionen statt. Beginn ist um 19 Uhr, Karten gibt es im Vorverkauf im Pressehaus Heidenheim sowie unter benefiz-musical-gala.de.

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