Kinder & Familie

Ich bin dann mal in Elternzeit: Zwei Väter berichten von ihren Erfahrungen

Wenn Papa zu Hause bleibt: Marcello Caponetto war ein Jahr lang in Elternzeit – und ist damit immer noch einer von wenigen.

Eine Schaukel im Wohnzimmer, Luftballons an der Wand, Schubladen voller Feuerwehrautos und Bagger. Hier wohnen Kinder. Der kleine Leonardo setzt sich auf sein Bobbycar und dreht seine Runden um den Esstisch. Brüderchen Lino will schaukeln, er gluckst, weil Papa ihn immer höher schubst. Und als die Mama von der Arbeit kommt, gibt es erstmal Umarmungen und Küsschen. Kurze Lagebesprechung, dann haben die Kleinen Hunger. Es ist ein Donnerstag, es ist kurz nach 17 Uhr und es ist ein ziemlich gewöhnlicher Spätnachmittag bei Familie Caponetto.

Die vierköpfige Familie lebt in Syrgenstein, hat sich dort den Traum vom Eigenheim erfüllt. Ein Holzhaus mit Weitblick. Platz für die Kinder. Und die Caponettos haben ihr eigenes System entwickelt, wie Familie und Beruf vereinbar sind. Sie teilen sich die sogenannte Care-Arbeit, arbeiten zeitversetzt, um die Kinder außerhalb der Kita-Zeiten entsprechend zu betreuen und vor allem hatten sie im ersten Jahr nach der Geburt des zweiten Sohnes Rollen getauscht.

Das Familienmodell ist kein Novum, aber noch immer eine Seltenheit

Marcello Caponetto war ein Jahr lang zu Hause und hat die Kinder betreut, den Haushalt geschmissen, gekocht, Pekip-Gruppen besucht und Windeln gewechselt. Mama Elena Caponetto ging arbeiten.

Vor der Geburt des zweiten Sohnes hatte sich das Paar entschlossen, dass Vater Marcello Caponetto zu Hause bleiben würde. Die Initiative kam von ihm selbst: „Wir verdienen relativ gleich, ich habe das meiner Frau vorgeschlagen und sie hat eigentlich gleich ja gesagt“, erinnert sich der gebürtige Heidenheimer, der die Elternzeit auch nutzte, um den Arbeitgeber zu wechseln. Elena Caponetto entgegnet: „Es ist schon außergewöhnlich, dass der Mann das von sich aus anbietet.“ Auch wenn es hie und da schwierig war, sich als Mutter zu trennen, so hatte sich die Familie nach und nach an das neue Modell gewöhnt. „Ich wusste ja, dass die Jungs bei Papa und in guten Händen sind“, sagt die 37-Jährige.

Es ist schon außergewöhnlich, dass der Mann das von sich aus anbietet.

Elena Caponetto

Marcello Caponetto ist froh um das Jahr zu Hause. „Ich würde es jederzeit wieder machen“, sagt er. Die vielen tollen Momente mit den Kindern, das erste Wort, die ersten Schritte, man habe einfach eine ganz andere Beziehung zu den Kleinen. „Das ist so wertvoll“, sagt der Familienvater. In der Elternzeit hat er parallel seinen Meister als Schreiner absolviert, Teilzeit, freitags und an den Wochenenden. Heute arbeitet er wieder.

Studie zeigt: Väter nehmen meist nur zwei Monate Elternzeit

Mit ihrer Geschichte ist Familie Caponetto sicherlich kein Novum, aber noch immer eine Seltenheit. Denn, dass Väter länger als zwei Monate in Elternzeit gehen, ist noch immer die Ausnahme. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein. Eine Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung aus dem Jahr 2022 belegt: Väter beziehen häufiger Elterngeld (laut Statistischem Bundesamt mit 46,2 Prozent auf einem Höchststand), aber sie nehmen die Auszeit meist nur für zwei Monate gemeinsam mit der Partnerin. Konkret heißt es, dass „von den Vätern mit Elterngeldbezügen stets etwa drei Viertel nur zwei Monate nutzen.“ Laut Analyse nehmen lediglich zehn Prozent der Väter länger Elterngeld in Anspruch. Marcello Caponetto ist also einer von wenigen.

Ein prominentes Beispiel: Sontheims Bürgermeister Tobias Rief machte Elternteilzeit. Dennis Straub

Sontheims Bürgermeister Tobias Rief war in Elternteilzeit

Zurück in den Familienalltag. Im Kreis Heidenheim gibt es auch ein prominentes Elternzeit-Beispiel: Sontheims Bürgermeister Tobias Rief nutzte die Möglichkeit, um mehr für die Familie da zu sein. Im März 2023 war seine Tochter geboren, erst nahm er zwei Wochen Urlaub, im Anschluss machte er einen Monat lang Elternteilzeit. Einen zweiten Monat Elternteilzeit nahm er, als das Kind ein halbes Jahr alt war. In diesen Zeiträumen reduzierte er seine Stunden auf 50 Prozent, konzentrierte sich in den Rathausangelegenheiten auf das Wesentliche, jonglierte. Ein Balanceakt in einem ohnehin unsteuerbaren Berufsalltag als Rathauschef. „Da muss man schon streng und ehrlich mit sich sein“, sagt Tobias Rief im Rückblick.

Ich bereue keine Minute davon und kann es jedem nur empfehlen.

Tobias Rief, Bürgermeister in Sontheim

Für ihn war die Zeit mit der kleinen Tochter unbezahlbar: „Ich bereue keine Minute davon und kann es jedem nur empfehlen.“ Denn eines sei klar, diese besondere Zeit, die Möglichkeit, Bindung zu schaffen, gebe es nur einmal. „Das kommt nie wieder zurück“, sagt Tobias Rief. Für seine Entscheidung habe es überwiegend positives Feedback gegeben. Logisch, dass sein Handeln in einer öffentlichen Position auch eine deutliche Signalwirkung hatte. Rief sagt: „Die Rathäuser brauchen Nachwuchs, der Bürgermeisterposten muss – auch bei Frauen – attraktiver werden – und in einer modernen Gesellschaft muss es möglich sein, Familie und Beruf zu vereinbaren.“

Cornelia Willer ist Hebamme und hat Einblicke in Familien

Die Herbrechtinger Hebamme Cornelia Willer betreut seit mehr als 30 Jahren Schwangere und Familien. Sie hat Einblicke in Familienalltage und ihr Eindruck deckt sich mit den offiziellen Zahlen: „Väter, die länger zu Hause bleiben, etwa ein Jahr, sind noch immer die Ausnahme. Ich würde sagen, dass das bei meinen betreuten Familien pro Jahr zirka fünf Prozent sind.“ Die zwei Monate Elternzeit hätten sich hingegen wirklich gut etabliert und seien gesellschaftlich anerkannt. „Da wird heute nicht mehr drüber gelächelt“, sagt sie.

Meine Wahrnehmung ist schon, dass wir gesellschaftlich noch immer in althergebrachten Mustern stecken.

Cornelia Willer, Hebamme

Das sei ein Fortschritt, klar. Doch Cornelia Willer stellt auch fest: „Meine Wahrnehmung ist schon, dass wir gesellschaftlich noch immer in althergebrachten Mustern stecken.“ Zudem hänge eine mögliche Elternzeit natürlich vom Beruf, vom Arbeitgeber und der Karriereleiter ab. „Ich höre auch noch im Jahr 2025, dass es in entsprechenden Positionen nicht gern gesehen ist, in Elternzeit zu gehen“, so die Hebamme. Für die vielen Selbstständigen im Übrigen, gebe es diese Möglichkeiten nicht.

Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern „könnte man schon weiter sein.“

Cornelia Willer will bei der ganzen Debatte die Wahrnehmung schärfen und sie sieht auch noch viel Entwicklungspotenzial. Was die Gleichstellung von Frauen und Männern bei den familiären Pflichten betrifft, so sagt sie, „könnte man schon weiter sein“. Das deckt sich übrigens auch mit der oben genannten Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Dort heißt es: „Trotz der starken Zunahme in der Nutzung des Elterngeldes durch Väter zeigen sich kaum Zuwächse in ihrer Beteiligung an der Kinderbetreuung und Hausarbeit.“ Eine weniger ungleiche Arbeitsteilung lasse sich nur beobachten, wenn Väter länger in Elternzeit sind.

Dass Männer wie Marcello Caponetto ein Beispiel sind, das Wirkung haben kann, dessen ist sich Cornelia Willer sicher. Menschen wie er könnten es schaffen, voranzugehen und Muster aufzubrechen. Deshalb sagt sie: „Hut ab vor einer solchen Entscheidung.“ Denn, so die Hebamme weiter: „Ich will die Elternzeit gar nicht so sehr an Bindung knüpfen, denn man kann auch mit wenig Zeit für sein Kind da sein. Aber, und das ist das Wesentliche: Wenn Eltern sich wirklich gemeinsam um das Kind kümmern, verändert das das Verständnis untereinander.“

Bei den Caponettos wird jetzt dann Abendessen gekocht. Lino weint, weil er noch weiterduschen wollte. Mama Elena Caponetto tröstet. Und der kleine Leonardo hängt an Papas Bein. Alltag mit Kindern.