Brand

„Ich habe rein gar nichts mehr“: Das Leben nach dem Schicksalsschlag in der Heidenheimer Darwinstraße

Durch einen Brand in einem Mehrparteienhaus in der Darwinstraße verloren dessen Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Nichts ihr Zuhause. Wie geht es den Menschen jetzt und haben sie ein Dach über dem Kopf gefunden? Einblicke in das Leben danach.

Es ist ein unscheinbarer Platz, mitten in Heidenheim. In der warmen Nachmittagssonne sitzen drei Männer auf Stühlen vor mehreren grauen Containern. An der Paulstraße – etwas versteckt neben der B 19 und dem großen Stowe-Woodward-Gebäude – haben sie vorerst eine Bleibe gefunden. Völlig unfreiwillig. Völlig unvorbereitet.

Begonnen hat alles am Abend des 19. Juli. Im zweiten Stock eines Mehrparteienhauses in der Darwinstraße war etwa um 21.30 Uhr ein Brand ausgebrochen. Die Bewohner des Gebäudes leben größtenteils in Ein-Zimmer-Wohnungen. Die Polizei geht von einem Fehlverhalten eines Bewohners mit offenem Feuer als Brandursache aus. Mehrere Stunden beobachteten die Menschen von der Straße aus, wie die Feuerwehr den Brand löschte, aber eben auch, wie ihr Zuhause durch Flammen, Rauch und einen erheblichen Wasserschaden unbewohnbar wurde.

Einfachwohnraum soll unfreiwillige Obdachlosigkeit verhindern

Und jetzt? Wo gibt es ein Dach über dem Kopf? Wie Stefan Bentele, der Pressesprecher der Stadt Heidenheim erklärt, „stellt die Stadt Einfachwohnraum – vereinfacht gesagt ein Bett und ein Dach über dem Kopf – bereit, um eine unfreiwillige Obdachlosigkeit der Betroffenen zu vermeiden.“ Diese Möglichkeit gebe es nur, wenn die Personen nicht bei Verwandten, Freunden oder Bekannten unterkommen können und auch finanziell nicht in der Lage sind, sich ein Hotelzimmer oder eine andere Übernachtungsmöglichkeit zu leisten. So sei die Stadt an besagtem Freitagabend mit mehreren Vertretern vor Ort gewesen und habe sich, wohl auch mit Helfern vom Roten Kreuz, um die Unterbringung der Menschen gekümmert.

Notunterkunft: Die Container stehen auf einem Platz an der Paulstraße hinter dem Stowe-Woodward-Areal. Jan Beigelbeck

Ein Fragezeichen steht dabei hinter der Frage, wie viele Menschen durch den Brand aus ihrer Wohnung mussten, und wie viele das Angebot der Stadt nutzten. Während die Polizei von insgesamt 13 Bewohnern schreibt, von denen neun die Notunterbringung benötigten, berichten die Männer an der Paulstraße von 22 Bewohnern und einer Gruppe von zehn Menschen, die zu den Containern gebracht wurden.

Falsche Versprechungen?

Ebenfalls Fragen wirft eine Aussage auf, die am Brandabend getätigt worden sein soll. Nicht nur das Trio, sondern auch der Bewohner Christian Kinzl sind sich sicher, dass etwas zu Essen und Hygieneartikel für den Samstagmorgen versprochen wurden. Kinzl, der auch in der Notunterkunft schläft, hat sich erbost an die HZ-Redaktion gewandt, und bemängelt, dass sich nicht gut um die Bewohner gekümmert wurde beziehungsweise werde. Am Mittwochmittag sagte er: „Es ist bis heute noch niemand an den Container gekommen.“ Angesprochen auf die Vorwürfe, stellt Bentele klar: „Eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung war am Samstag vor dem Haus an der Darwinstraße anwesend. Die Stadt verteilt kein Essen, das ist weder in solchen Fällen noch in anderen Lebenssituationen üblich, und das können wir auch nicht leisten.“

Klar ist dennoch: Die Situation der Menschen im Fall Darwinstraße ist besonders unglücklich. Weil sie schlicht keine andere Möglichkeit haben, leben auch rund eine Woche nach dem Brand noch zwei Frauen und vier Männer in der Notunterkunft an der Paulstraße. Im Normalfall wird die Unterbringung laut Bentele nur für eine Nacht genutzt. Im Container haben sich die Menschen auf Zweier- und Viererzimmer verteilt, die mit einfachen Betten, Schränken, Tischen und Stühlen eingerichtet sind. Einer der Bewohner erzählt, dass die Helfer jedem am Brandabend zudem zwei Decken gegeben haben. Auch Toiletten und Duschen stehen zur Verfügung.

Die Räume im sogenannten Einfachwohnraum sind schlicht mit dem Nötigsten eingerichtet. Jan Beigelbeck

Dankbar, trotz misslicher Lage

Obwohl die Bewohnerinnen und Bewohner unzufrieden mit ihrer misslichen Lage sind, zeigen sie sich auch dankbar: „Wir sind ja froh, dass wir ein Bett und ein Dach über dem Kopf haben“, sagt der Mann, in dessen Wohnung das Feuer ausbrach. Er will seinen Namen lieber nicht sagen. Seine Lage beschreibt er dramatisch: „Ich habe rein gar nichts mehr.“ Zudem mache er sich Sorgen, dass ihm der Mietvertrag gekündigt wird. Aktuell werde noch geklärt, ob der Brand tatsächlich durch ein Eigenverschulden ausgelöst wurde. Er sagt: „Ich war nicht in dem Zimmer, als der Brand ausgebrochen ist.“

Spätestens rund eineinhalb Wochen nach dem Einzug läuft die Zeit der sechs Übriggebliebenen an der Paulstraße ab: „Am Montag um 11 Uhr müssen wir raus.“ Die Container wurden ursprünglich aufgestellt, um Geflüchtete unterzubringen. Die Perspektive der Menschen ist zunächst eine Unterbringung bei der Caritas. Das Angebot nehmen die Männer gerne an. Einer von ihnen betont jedoch: „Ich brauche ein Einzelzimmer. Ich will nicht mit Säufern oder Rauchern auf ein Zimmer.“ Ein anderer stimmt zu, auch, weil er jeden morgen sehr früh zu Arbeit müsse. Er erzählt, dass er bis 2022 in den Sozialwohnungen an der Härtsfeldstraße gewohnt hat: „Ich möchte da nicht mehr hin.“

Wie geht es weiter?

„Ich bin froh, dass ich jetzt dann bei der Caritas bin“, sagt der Mann aus der Brandwohnung. Auf keinen Fall möchte er danach in den Sozialwohnungen an der Härtsfeldstraße unweit der Caritas untergebracht werden, wo er bis 2022 gelebt und woran er keine guten Erinnerungen habe.

Wie es auf längere Sicht für die Bewohner des Mehrparteienhauses weitergeht, ist offen. Laut Christian Kinzl wird aktuell geprüft, ob ein Teil der Wohnungen bald wieder freigegeben werden kann. Eine Stellungnahme der Immobilienagentur Peach Property, der das Haus gehört, war bis zum Redaktionsschluss nicht zu erhalten.

Das Feuer hat nicht nur die vier Männer vom Container, sondern alle Bewohner völlig aus dem Nichts aus ihrem gewohnten Leben gerissen. Jetzt sind sie erst einmal – unterstützt von den Hilfsangeboten von Stadt, Caritas und anderen – auf sich allein gestellt. Der Schicksalsschlag zwingt sie dazu, Eigenverantwortung zu übernehmen.

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