Noch mehr Kultur im Heidenheimer Zollamt
Ein italienischer Liedermacher, ein japanischer Avantgardist, ein Solo-Punkrocker, eine Black-Metal-Band, Countrymusik und Stoner-Rock. Passt auf den ersten Blick alles nicht zusammen, stimmt. Einen gemeinsamen Nenner gibt es aber doch, denn alle diese Künstler waren in den vergangenen Monaten im Heidenheimer Bistro im Zollamt zu erleben und standen gewissermaßen stellvertretend für einen Neustart des musikalischen Untergrunds in der Stadt. Ob das Angebot angekommen ist? Matthias Raschke nickt und strahlt.
Wollte man kulturellen Erfolg unbedingt auf einen monetären Nenner herunterbrechen, dann vielleicht so: Der Eintritt zu den Konzerten im Zollamt ist zwar grundsätzlich frei, man will die Schwelle niedrig halten, damit potenzielle Besucherinnen und Besucher es wagen, sich auch unbekannten Namen und Stilen zuzuwenden. Raschke lässt zwischendurch aber einen Hut herumgehen, in den die Gäste eine finanzielle Aufmerksamkeit legen können. Und das funktioniert: Das höchste Ergebnis seien 700 Euro gewesen. Im Schnitt liegen die Spenden über 500 Euro – und so eine Gage müssen vergleichsweise wenig bekannte Künstlerinnen und Künstler in Kleinstkneipen erst einmal bekommen.
Der Eintritt zu den Konzerten ist gratis – und die Besucher spenden gerne
Zu Beginn des Jahres hatte Sozialarbeiter Raschke, der nebenbei im Zollamt an der Theke arbeitet, noch mit elf Konzerten für dieses Jahr gerechnet. Am Ende werden es nun 15 gewesen sein. Damit ist der Terminkalender des Bistros noch nicht ausgereizt: Von Januar bis zur Sommerpause 2024 hat Raschke jetzt schon zehn Konzerte eingetütet. Auf Mainstream setzt der Konzertveranstalter weiterhin nicht, und was ihn besonders freut: Viele Bands wollen wiederkommen.
Mittlerweile können auch problemlos Quartette auftreten, ohne sich gegenseitig auf die Füße zu steigen: Raschke hat im Laufe des Jahres ein mobiles Bühnenelement gebaut, das bei Bedarf einfach zum bestehenden Podest hinzugefügt wird. Ohnehin können die Bands mit schmalem Gepäck anreisen: Im Zollamt finden sie die notwendige Technik weitgehend vor. Der Veranstalter stellt sein eigenes Schlagzeug zur Verfügung, auf dem er früher unter anderem bei „Tapedeck“ für Vortrieb gesorgt hat. Er hat Verstärker und eine Tonanlage gekauft, Zollamt-Chefin Agi Mascali hat ein Mischpult beigesteuert. „Wir versuchen, die eigentlich unprofessionelle Bühne bestmöglich für die Bands herzurichten“, sagt Raschke.
Viele Anzeichen für eine wiederbelebte Subkultur in Heidenheim
Als der 44-Jährige vor mehr als 20 Jahren nach Heidenheim kam, gab es noch eine rege Szene für die musikalische Subkultur, im „K2“ oder in der Villa Taubenschlag fanden nahezu im Wochentakt interessante Konzerte statt. Dieses Angebot ist schon lange vor Corona eingeschlafen, umso mehr freut sich Raschke nicht nur über den Zuspruch der Konzertgänger im Zollamt, sondern dass an mehreren Orten in der Stadt wieder neues musikalisches Leben sprießt: Im „Populär“ finden verstärkt Konzerte statt, im Treff 9 sind dieses Jahr noch vier Shows geplant, auch das „Friday“ in der Weststadt setzt sich wieder auf die Konzert-Landkarte. Man spreche sich untereinander terminlich ab, sagt Raschke, schließlich will man sich in der wieder erstarkenden Szene nicht gegenseitig die Gäste wegnehmen.
Das Zollamt-Programm bis Juli 2024
Die neue Konzertsaison im Zollamt startet am Samstag, 16. September, gegen 20.30 Uhr mit dem vorerst letzten Biergarten-Konzert mit „The Psychonauts“ (Basel), „Los Sustos“ (Mexiko City) und „Petra Pack“ aus Weißenburg. Weiter geht es am 7. Oktober mit „Lookit, Martians!“ und „Planet Watson“, gefolgt von Songwriter Colbinger am 3. November und „The Delayed“ und „The Gates of Madness“ am 27. November, bevor die „Astronuts“, „The Kupa Pities“ und „Snail Charmers“ am 2. Dezember das Konzertjahr abschließen sollen. Am 27. Januar folgt der Jahresstart mit „Hell & Back“, „The Baxxter Boys“ (eine „Scooter“-Coverband) und „Neckarions“. Am 10. Februar kommt „Maison Dieu“ aus Italien zusammen mit „Finding Harbours“ nach Heidenheim, gefolgt am 2. März von den „Fro-Tee Slips“. Gute Bekannte im Zollamt sind die Musikerinnen und Musiker von „Fogdriver“, die zusammen mit „Tiefenrausch“ am 13. April auftreten werden. Am 27. April werden dann mit „To the Max“ und „Used to be Apes“ gleich zwei italienische Bands erwartet, während zur Musiknacht am 11. Mai „Lucy 4 New Country“ gebucht ist. Am 1. Juni geht es mit „The Eyes“ und „Oceansides“ weiter, gefolgt am 15. Juni von „Cédric L’amour“ und „Lynger“. Hart und düster wird es am 6. Juli mit „Nema“, „Woomera“ und „Lypurá“. Den Abschluss vor der Sommerpause wird wie schon in diesem Jahr „Mayu/Fluss“ gestalten, begleitet von der mexikanischen Band „Illuminasty“.