Auch den Heidenheimer Betrieben fehlen nach wie vor die Fachkräfte
Die Bundesagentur für Arbeit meldet allein für den Landkreis Heidenheim 28 offene Stellen in der Hotellerie und Gastronomie. Im benachbarten Ostalbkreis sind es sogar 69. In beiden Landkreisen sind insgesamt noch 38 Ausbildungsplätze unbesetzt – und das, obwohl die neuen Ausbildungsverträge eigentlich schon hätten unterschrieben werden müssen.
Gewerkschaft NGG: kein Mittagstisch, abends früher Schluss
Die für Hotel- und Gaststättenbetriebe zuständige Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schlägt deshalb Alarm: Viele Restaurants und Gaststätten hätten bereits einen zusätzlichen Ruhetag eingelegt. "Einige Häuser streichen den Mittagstisch komplett. Und oft schließt die Küche abends deutlich früher", so Karin Brugger, bis vor kurzem Geschäftsführerin der NGG Ulm, Aalen und Göppingen. Michael Gutmann hat das Amt mittlerweile übernommen.
Was tun? Es müsse sich einiges ändern, so Brugger: "Höhere Löhne und bessere Arbeitszeiten sind der Schlüssel für mehr Personal." Konkret müsse man einen "Gastro-Start-Lohn" in Höhe von 3000 Euro brutto anpeilen für alle, die in der Hotellerie und Gastronomie nach ihrer Ausbildung in einem Vollzeit-Job weiterarbeiten. Die Gewerkschaft hält dies mindestens für einen fairen Einstiegslohn.
Von dieser Fairness sei man in vielen Fällen noch weit entfernt: "Tatsächlich schrammen Köche und Kellnerinnen im Kreis Heidenheim ziemlich oft nah an der Mindestlohnkante von zwölf Euro pro Stunde entlang", heißt es vonseiten der Gewerkschaft. "Ein Großteil der Betriebe zahlt noch immer keinen Tariflohn. Das ist ein Unding, wenn man gute Leute sucht."
Dehoga-Chef Martin Bosch: viele Teilzeitkräfte und Quereinsteiger
Martin Bosch leitet das Heidenheimer Hotel und Restaurant Linde und ist zudem Chef der Heidenheimer Kreisstelle des Gaststätten-Verbands Dehoga. Er versteht die Forderung der Gewerkschaft, stellt aber klar, dass die meisten ausgebildeten Fachkräfte in den Heidenheimer Gastro-Betrieben bereits übertariflich bezahlt werden: "Wenn man gut ausgebildetes Personal halten möchte, geht das gar nicht anders." Bei der Zahl der Auszubildenden habe sich das Niveau wieder auf Vor-Corona-Niveau eingependelt, nach wie vor fehlen den Betrieben aber die Arbeitskräfte, die sich während der Pandemie umorientiert haben. "Was ist Ihnen bei Ihrem Arbeitsplatz am wichtigsten?", fragt Bosch: "Natürlich die Sicherheit." Dass die gastronomischen Betriebe während der Pandemie besonders hart getroffen wurden, habe nicht gerade zu einem Sicherheitsgefühl beigetragen. Nach wie vor arbeiten viele in der Gastronomie zudem mit Teilzeitkräften und Quereinsteigern. Was die sozialversicherungspflichtigen Angestellten anbelangt, befinde man sich nach wie vor unter dem Vor-Corona-Niveau.
Viele Unsicherheiten, unmögliche Planungen
Nun führt der Personalmangel laut Bosch in einigen Betrieben dazu, dass die Anzahl der Plätze oder die Öffnungszeiten reduziert werden müssen. "Als Betrieb muss ich mich in diesem Fall entscheiden: Bediene ich 80 Gäste so wie sie es gewohnt sind oder bediene ich 120 Gäste, die dann viel zu lange auf ihr Essen warten müssen?" Eine große Unsicherheit steckt für die gastronomischen Betriebe derzeit aber nicht (nur) im Personalmangel, sondern vor allem in den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, mit denen sie konfrontiert werden: Inflation, hohe Energiepreise und nun eventuell auch wieder die erhöhte Mehrwertsteuer: Die Bundesregierung plant bekanntermaßen, die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent anzuheben. "Wie sollen wir so überhaupt planen können?", fragt der Dehoga-Chef. "Ich kann derzeit Veranstaltungen im kommenden Jahr zwar annehmen, ich kann dem Kunden oder der Kundin aber keinen Preis sagen", so Bosch. Die meisten hätten dafür derzeit auch noch Verständnis.
Gastgewerbe: neuer Tarifvertrag seit 2022
Seit 2022 gilt für Beschäftigte im baden-württembergischen Hotel- und Gaststättengewerbe ein neuer Tarifvertrag, den Vertreter des Verbands Dehoga und der Gewerkschaft NGG ausgehandelt haben:
In der Einstiegs-Lohngruppe für ungelernte Kräfte stieg der Stundenlohn zum 1. Juli um 14,3 Prozent auf 12,30 Euro pro Stunde.
Fachkräfte mit abgeschlossener dreijähriger Berufsausbildung erhalten einen Tariflohn von mindestens 26,20 Euro brutto pro Monat (ab Oktober 2023).
Die Vergütung für Auszubildende stieg ebenfalls: Sie bekommen im ersten Ausbildungsjahr 900 Euro (ein Plus von 100 Euro), im zweiten 1.050 Euro und im dritten Jahr 1.150 Euro.