Vor dem Landgericht Ellwangen wurde die Verhandlung gegen drei Syrer fortgesetzt, die wegen einer Auseinandersetzung in der Asylbewerberunterkunft Walther-Wolf-Straße angeklagt sind. Ihnen wird versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen.
Zu Beginn des zweiten Verhandlungstags befragte Richter Jochen Fleischer zunächst den 27-jährigen Hauptangeklagten J. noch einmal. Der ältere von zwei angeklagten Brüdern hatte am Eröffnungstag eine Erklärung zum Verlauf vorgelesen. Fleischer fragte nach der Vorgeschichte zum Tatgeschehen, wann denn das Drogengeschäft gelaufen sei. J. sagte, zwei Stunden zuvor habe er vom geschädigten Dealer A. vermeintlich Kokain bekommen. Er habe gleich etwas genommen und gemerkt, dass es schlechte Qualität gewesen sei. Daraufhin habe er A. angerufen und nachgefragt. Dieser habe ihn schwer beleidigt und auch seine Familie bedroht und gesagt, er solle zu ihm kommen und man wolle das regeln.
Wild um sich geschlagen
Mit seinem mitangeklagten Bruder und weiteren Begleitern sei er zu der Flüchtlingsunterkunft gefahren. Sie hätten alle nicht gewusst, worum es ging. Er habe vorgehabt, ihn eventuell zu schlagen, aber nicht zu töten. Man ging zum Zimmer des zweiten Bruders Y. des Angeklagten, der ebenfalls dort wohnte. Dort waren auch der Dealer und zwei Begleiter. Beim Eintreten habe A. mit Pfefferspray gesprüht und mit einem Messer gedroht. Zwei Männer hätten ihn zu Boden gebracht und getreten, er habe ein unter dem Tisch liegendes Messer zu greifen bekommen und „wild um sich geschlagen“, dabei wohl einen anderen mit dem Messer getroffen.
Als die Angreifer abließen, habe er flüchten und aus dem Haus rennen können. Mit seinem Bruder und den weiteren Helfern sei er dann weggefahren. Der Dealer habe am Folgetag noch einmal seine einjährige Tochter bedroht, hatte er einen Tag später der Polizei erzählt. Nach dem Tatgeschehen sei bei ihm ein Wirbel gebrochen gewesen und er habe mehrere Hämatome gehabt.
Mit einem Gürtel geschlagen
Erster Zeuge war in der Verhandlung ein heute 16-jähriger Cousin des vermeintlichen Dealers A., der dabei war und auch Nebenkläger im Verfahren ist. Er sagte, beim Eintreten habe J. ein Messer in der Hand gehalten und sich auf A. gestürzt. Sein Bruder habe sofort mit Pfefferspray gesprüht. Mit diesem habe er gekämpft, beide seien zu Boden gegangen, er habe im Verlauf einen Messerstich in die Schulter bekommen und von seinem Cousin eine Ladung Pfefferspray. Deshalb habe er nicht mehr viel gesehen. Der Dealer sei von A. und einem weiteren getreten und mit einem Gürtel geschlagen worden, dann konnte er mit dem Cousin fliehen.
A. sagte bei seiner Befragung, er habe dem nun angeklagten J. Kreatin, ein Nahrungsergänzungsmittel, geliefert. Es sollte ein Tauschgeschäft Koks gegen „etwas zu rauchen“ werden, aber „mit Drogen habe ich nichts zu tun“, sagte er. Bei dem Treffen sei er von J. sofort angegriffen worden, der habe ihn im Kampf zunächst in die Schulter und dann in den Oberschenkel gestochen, danach noch in die Brust. Mit Pfefferspray wollte er sich schützen, das habe er aus Angst vor Hunden dabei.
Lebensbedrohliche Verletzung
Prof. Dr. Sebastian Kunz, Facharzt für Rechtsmedizin, sagte zu den Verletzungen, es habe zwei Stiche gegeben. Der vermeintliche in die Brust sei die Narbe einer Drainage, die gelegt werden musste, weil aufgrund des Stichs in den Rücken Luft in den Brustraum gedrungen und darauf eine Lunge kollabiert war. Der Stich in den Rücken sei seiner Meinung nach gezielt geführt worden. Ohne eine Operation wäre die Situation lebensbedrohlich geworden, fügte Kunz an.
Weitere Zeugen waren der Bruder des Angeklagten Y., der sagte, er habe nicht gewusst, worum es beim Streit ging. Auch A. habe ein Messer in der Hand gehabt und gesprüht. Er sei getroffen worden, daraufhin habe er das Zimmer gleich verlassen und nichts mehr gesehen. Ein weiterer Zeuge schilderte, auch er habe das Zimmer wegen des Pfeffersprays schnell verlassen, sei dann von dem „Älteren“ und dessen Bruder verfolgt worden und habe sich in der Toilette verschanzt. Y. habe eigentlich schlichten wollen.
Immer wieder hielt Fleischer den Zeugen und dem Angeklagten J. Widersprüche in ihren Aussagen zu ersten Vernehmungen bei der Polizei vor, auch die insgesamt sechs Anwälte, zwei davon Nebenklägervertreter, hatten wiederholt Nachfragen. Der erste Zeuge wurde ein zweites Mal befragt.
Eine umfangreiche Verhandlung
Die Verhandlung vor dem Landgericht Ellwangen wird am Montag, 13. Mai, fortgesetzt. Eigentlich sind sieben Verhandlungstage angesetzt, an denen insgesamt 19 Zeugen gehört werden sollen. Der Vorsitzende Richter Jochen Fleischer hofft aber, bereits am Mittwoch ein Urteil sprechen zu können.