Diesen Einstand als gelungen zu bezeichnen, wäre eine sträfliche Untertreibung. Wäre „Wumms“ derzeit nicht so belegt, ließe sich durchaus von einem solchen in der Dreifach-Version sprechen. Aufdrängen würde sich auch der gute alte „Knüller“ – also alles in dieser Kategorie könnte beschreiben, was das Voith-Orchester am Sonntag bei seinem Weihnachtskonzert am Sonntag in der Waldorfschule leistete.
Nun ist das Voith-Orchester für beste Leistungen bekannt, das ist also nicht neu. Der Einstand bezieht sich auf die neue Dirigentin, für die dieses Konzert die Premiere war. Und – um es zu wiederholen – was für eine Premiere war das! Elina Muntian, so heißt sie, die Neue am Pult, sie stammt aus der Ukraine und hat ganz offenbar nicht nur Musik, sondern auch jede Menge Feuer und Temperament im Blut. Denn sie riss nicht nur das gesamte Orchester inklusive Solist mit, ihre Wucht erfasste das ganze Publikum.
Pure Energie
Solist Johannes D. Schneider am Flügel war ganz sicher ein Garant dafür, dass das Klavierkonzert a-moll op. 16 von Edvard Grieg so herrlich wirbelte und floss – als hätte er statt zehn Finger derer dreißig, die da über die Tasten huschten und die ganze Fülle des Konzerts strömen ließen. Das Orchester strömte mit, mächtig, voluminös, energiegeladen, und dabei von einem solchen Glanz, dass das Publikum vollkommen davon erfasst wurde. Und mittendrin eben sie, Elina Muntian, die bereits mit dem ersten Heben des Dirigentenstabs klarmachte, dass hier pure Energie zu erwarten sein würde. Genau das trat ein. Griegs Klavierkonzert, eines ihrer Lieblingskonzerte, war in dieser Präsentation bestens geeignet, den gleichen Rang auch beim Publikum einzunehmen – die „Bravo“-Rufe gleich nach dem Verklingen lassen darauf schließen.
Und auch die Feinheit beherrscht sie: Sensibel führte sie ihr Orchester durch Schuberts „Unvollendete“ und sorgte damit für vollendeten Genuss auch in diesem Programmteil, der das Publikum in geradezu ätherischer Fragilität umschwebte. Der süße Schmelz, der in Schuberts Sinfonie h-moll steckt, wurde hervorragend aufgespürt und berührte zutiefst. Wie sicher Muntian ihre Musiker durch die Dynamik des Werks führte und diese souverän umsetzte, das war vom Feinsten und umso mehr zu bewundern, wenn man bedenkt, dass Muntian das Voith-Orchester ja erst im September übernommen hat. Ganz offensichtlich sind Orchester und Leiterin bereits zu einer Einheit zusammengewachsen. Das Potenzial dazu hatte sich wohl bereits bei der ersten Begegnung gezeigt: „Das passt“, berichtete Karl-Heinz Treß, der Vorstand des Orchesters.
Kraftvoller Vortrag, kräftiger Applaus
Dem wird sich das Publikum in der Waldorfschule aus vollem Herzen anschließen, das zu Schubert und Grieg noch „A Vaughn Williams Christmas“ genießen durfte, wobei das Orchester noch Verstärkung durch Fabian Kawohl von der Musikschule Heidenheim und zwei seiner Schüler erhielt. Alle miteinander ließen sie damit ihre musikalischen Weihnachtswünsche an das Publikum erklingen. Und das Publikum? Das ließ sich nicht lumpen und gab in reichem Maße das, was sich die Künstler mit diesem außergewöhnlichen und mehr als kraftvollen Vortrag verdient hatte: Kräftig war der Applaus, begeistert und sehr lange, und immer wieder musste Elina Muntian auf die Bühne kommen.
Das auch, um als Zugabe noch ein Weihnachtslied aus ihrer Heimat Ukraine zu dirigieren, und auch das kraftvoll, sprühend und überaus mitreißend. Und das gilt für Orchester und Dirigentin gleichermaßen. Wie hatte Karl-Heinz Treß den Neuzugang beschrieben? „Sie reißt uns mit ihrem jugendlichen Schwung mit“. Und alle miteinander rissen das Publikum mit, das sich nun bestimmt darauf freut, das nächste Konzert mit ihr zu erleben. Und das ist eigentlich auch wieder untertrieben.
Mehrfach ausgezeichnet
Elina Muntian wurde 1992 in Saporischschja in der Ukraine geboren. Als Sinfoniedirigentin studierte sie an der Nationalen Musikakademie in Kyjiw. Sie absolvierte ihr Bachelor- als auch ihr Master-Studium mit Auszeichnung. Ebenso schloss sie das darauffolgende Assistenzprogramm mit Auszeichnung ab. 2018 erreichte sie das Halbfinale des ersten Wettbewerbs „Città di Brescia – Giancarlo Facchinetti“ für Orchesterdirigenten und war dabei die jüngste Halbfinalistin. Im gleichen Jahr wurde sie auch Halbinalistin beim 8. Internationalen Wettbewerb für Operndirigenten in Orvieto. Am 1. September 2024 übernahm sie das Dirigat des Voith-Orchesters.