In den Gemeinderäten fehlen Frauen und Menschen aus anderen Kulturen
Danke für den Kommentar von Carolin Wöhrle. Gemeinderäte seien nicht bunt genug, schreibt sie: Es fehlten Frauen, Menschen aus anderen Kulturen. Ich stimme ihr zu. Auch ich wünsche mir, dass die Gremien der kommunalen Selbstverwaltung deutlicher die Vielfalt der Menschen abbilden.
Aus mindestens zwei Gründen scheint mir das Thema bedeutsam zu sein: Wenn immer die Gleichen gewählt werden, kommen nicht unbedingt immer die Geeignetsten in die Entscheider-Rolle. Und zweitens: Wenn wir Menschen, Gruppen, Kulturen, Generationen mit ihren Sichtweisen unberücksichtigt lassen, können deren möglicherweise wertvolle Perspektiven verloren gehen oder andernorts genutzt werden. In Entwicklungsländern wird das als „Brain Drain“ bezeichnet: Eine Region vergibt ihre Chancen.
Aus welchen Gründen ist die eingeforderte Vielfalt in Gemeinderäten noch nicht geschehen? Welche unbewussten Spielregeln gibt es, die für die aktuelle Situation sorgen? Junge Menschen, die in Heidenheim einen Jugendgemeinderat initiieren wollten, erhielten aus dem Rathaus wohl den Hinweis, dass sie sich damit auf Monate und Jahre festlegen müssten. Das hat sie abgeschreckt. Welche pfiffigen Alternativen wären denkbar, damit junge Menschen auch kurzfristig und fallweise ihre Ideen beisteuern können?
Viele Menschen wissen nicht, dass Sitzungen von Gemeinderäten und deren Ausschüssen in der Regel öffentlich sind. Man kommt einfach hin, hört zu und verschafft sich einen Eindruck aus erster Hand. Was ist zu tun, damit Stadtverwaltungen, Gemeinderatsmitglieder und Medien einladender wirken? Ich durfte Gremien-Sitzungen in verschiedenen Kommunen erleben. Während das eine Kommunalgremium „brav“ und „einsichtig“ den Vorschlägen des Bürgermeisters und seiner Verwaltung folgt, ringen die Gemeinderatsmitglieder nur zehn Kilometer flussaufwärts heftig um die Sache. Wie bekommen wir in unseren Räten eine Streitkultur hin, mit der wir das Thema und die Sache wichtiger nehmen als uns selbst?
Manche Themen im Gemeinderat sind Bücher mit mehr als sieben Siegeln. So muss man die Prozesse der Haushaltsplanung oder rechtliche Grundlagen von öffentlichen Vergaben erstmal verstehen. Wer könnte diese Wissensvermittlung übernehmen, außer den gesetzlich dazu angehaltenen Parteien?
Und auch das scheint mir wichtig: Wenn Parteien und Medien mehr auf wenige laute Menschen achten als auf die ruhigere Mehrheit von Bürgerinnen und Bürgern, dann gewinnen ein paar Menschen die Lufthoheit über die politische Kultur, ohne dass wir dies wollen. Wenn die wirklich wichtigen Themen in Kaminrunden vorentschieden werden, wenn Entscheiderinnen und Entscheider nicht wirklich selbst entscheiden, sondern ihr Fähnchen nach der Meinung von Nachbarinnen und Wählern hängen, dann kann das Ausdruck von Angst und Unselbstständigkeit sein. Wie stärken wir Menschen den Rücken, damit sie auch dann zu ihrer Entscheidung stehen, wenn wir sie anders treffen würden?
Freuen würde ich mich, wenn die Gemeinderäte ab dem kommenden Sommer so bunt werden wie das Leben in unseren Städten und Gemeinden: Männer und Frauen, junge Hüpfer und alte Hasen, Ureinwohner und Neig´schmeckte, Unternehmerinnen und Sozialhilfempfänger, Akademiker und Handwerkerinnen, Landeier und Städterinnen. Jens Flammann, Heidenheim