Kunstmuseum Heidenheim

Künstler Rainer Zerback will die Welt "als etwas Fremdes sehen"

Mit einem Künstlergespräch ist die Ausstellung des Fotografen Rainer Zerback zu Ende gegangen. Es bleibt ein Buch.

Künstler Rainer Zerback will die Welt "als etwas Fremdes sehen"

Rainer Zerback denkt groß: im Raum und in der Zeit. Das muss er auch. Denn der Fotograf hat sich eine große Aufgabe gestellt. Er will im Bild festhalten, was Menschen am Hier und Heute interessieren könnte, wenn sie in 50 oder 100 Jahren zurückblicken. Das könnte auch die Arbeit eines Archivars sein. Doch der Künstler Zerback schafft seine eigene Realität,  die wahr und künstlich zugleich ist.

Mit „Rückschau auf unsere Zeit halten“, beschreibt Zerback seinen Dokumentationsansatz, der ihn in den vergangenen Jahrzehnten rund um die Welt und auch auf die Schwäbische Alb geführt hat. Und ins Heidenheimer Kunstmuseum. Dort waren bis 5.November seine   Fotografien zum Strukturwandel („Metamorphosis“) in dieser Region zu sehen. Zur Finissage hatte Museumsleiter Marco Hompes ein Künstlergespräch mit dem Fotografen im Kunstmuseum arrangiert,  auch um angesichts dessen Bilder Zerbacks aktuell erschienenen Bildband „Contemplationes“ vorzustellen.

Sein Konzept einer neutralen und strukturellen Erfassung des Lebens hat Zerback für den urbanen Raum erstmals in seiner heutigen Heimatstadt Ludwigshafen erprobt und mit der Kamera umgesetzt. Zur Erschließung der Wirklichkeit hat der Künstler verschiedene Rubriken wie etwa Tourismus oder Freizeit entwickelt, für die er nach passenden Motiven sucht. Wie in Ludwigshafen hat Zerback nun auch auf der Schwäbischen Alb nach Belegen für deren Strukturwandel gesucht.

Sich nicht zuhause fühlen 

Anders als Ludwigshafen, so der „Großstadtmensch“ Zerback, habe die Schwäbische Alb diesen „überzeugend, fast großartig“ hinbekommen. Doch die Herzlichkeit dieses von ihm in der Besucherrunde ausgesprochenen Kompliments will sich in seinen großformatigen Fotos nicht einstellen. Und sie soll es auch nicht. Zerback legt es geradezu darauf an, seinen Bildern alle rasch überspringende Emotionalität auszutreiben. „Der Betrachter soll sich  in den Bildern nicht zuhause fühlen“, sagt er. Diese erwünschte Distanzierung und Neutralisierung des Blicks schafft Zerback mit viel Technik und aufwendiger Bildbearbeitung. Zum Fotografieren nutzt er ein ungewöhnliches Hochstativ. 95 Prozent seiner Bilder seien aus einer Höhe von sieben Metern entstanden, die weiteren fünf Prozent von noch weiter oben. Die Kamera ist bestückt mit einem Weitwinkelobjektiv. So schaut der Betrachter wie aus der dritten Etage eines Hauses hinaus in die Welt. Komponiert wird das endgültige Foto aus 500 und noch mehr Einzelbildern. Nichts ist gefälscht, aber kein Foto zeigt eine situative Realität. „Man soll die Welt als etwas Fremdes sehen“, sagt Zerback, „auch dann, wenn man auf etwas Vertrautes schaut.“ Dafür verändert der Fotokünstler Zerback auch die Farbigkeit.“ Wenn die Fotos etwas melancholisch wirken“, dann, so räumt der Mensch Zerback ein, möchte dies auch mit seiner Person zu tun haben. Schmuggeln sich also doch Emotionen ein? Auch bei der Bearbeitung der Bilder könnte man dies Zerback unterstellen. So treibt er, wenn Menschen dicht auf dicht auf einem Foto zu sehen wären, diese zuhause am PC für sein Bild wieder „künstlich“ auseinander. Denn die so gewonnenen „einsamen Situationen“ geben für ihn eher die von vielen Menschen real verspürte Vereinsamung wieder. Die „Contemplationes“ behandeln auch die Endzeitstimmung.

Der Fotograf Zerback kann über Jahre unterwegs sein, bis er die Motive findet, die er in seine rubrizierte Welt einpassen kann – so lange bis für ihn nichts mehr an Belegen fehlt. Dann geht das Bildreservoir wie jetzt bei den „Contemplationes“ in den Druck.“Denn nur was gedruckt ist, wird bleiben.“ Das sagt ein Mensch, der so sehr dem Digitalen verschwistert ist. Zerback sieht darin keinen Widerspruch.