Bis vergangene Woche wurden noch 54 Prozent der Fläche der Bundesrepublik als mögliche Standortregionen für Atommüllendlager untersucht. Darunter fiel auch der Landkreis Heidenheim, auf dem zwei sich überlagernde Teilflächen liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo zwischen Gussenstadt und Demmingen, zwischen Königsbronn und Niederstotzingen ein Lager für hoch radioaktiven Müll aus Atomkraftwerken entsteht, ist nun deutlich gesunken: Eines der untersuchten Gebiete wurde als „wenig geeignet“ eingestuft.
Seit 1961 wurde in Deutschland in Atommeilern Strom produziert, 2023 wurden die letzten Werke abgeschaltet. Insgesamt mehr als 10.000 Tonnen hoch radioaktiver Abfall werden einzulagern sein, ein Großteil davon wartet in Zwischenlagern wie in Gundremmingen überirdisch in Castor-Behältern auf den Transport in ein sicheres Endlager. Sicher bedeutet in diesem Fall: Es soll gewährleistet werden, dass über mindestens eine Million Jahre hinweg keine Strahlung austreten kann – durch Naturkatastrophen, Unfälle oder gar verbrecherische Eingriffe. Das ist mehr als 16.000 Mal so lang, wie in Deutschland überhaupt AKW betrieben wurden.
Landkreis Heidenheim gilt nun als „wenig geeignet“ für ein Endlager
Entsprechend penibel gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Auftrag der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vor, um Schritt für Schritt Gebiete auszuschließen und eines Tages mit dem Finger auf der Deutschlandkarte optimale Standorte zu markieren. Bis 2027 soll eine Vorschlagsliste mit einigen wenigen potenziellen Standorten vorliegen, die dann tiefergehend untersucht würden. Der Bundestag wird freilich das letzte Wort darüber haben, wo ein Endlager entstehen soll.
Diese Woche hat die BGE allerdings einen Arbeitsstand veröffentlicht, verbunden mit der Nachricht, dass nur noch 44 Prozent der Bundesfläche nach derzeitigem Stand für ein Endlager infrage kommen. Mit 90 Teilgebieten, die sich zum Teil auch überlagerten, waren die Experten in die Untersuchung gestartet. Für 13 Gebiete liegen jetzt Einschätzungen vor, die lediglich auf der Basis bereits vorliegender geologischer Daten getroffen wurden. Diese Gebiete wurden zum größten Teil als „nicht geeignet“ eingestuft, ein kleinerer Teil als „wenig geeignet“. Man werde lediglich jene Regionen weiter untersuchen, die sich schon in diesen Voruntersuchungen als geeignet erweisen, heißt es seitens der BGE.
Der Landkreis Heidenheim liegt in zwei sich überlagernden Teilregionen. Die größere von beiden zieht sich in einem unregelmäßigen Streifen von der französischen Grenze im Westen bis zur tschechischen Grenze im Osten und ist stellenweise mehr als einhundert Kilometer breit. Dieses Gebiet wurde von der BGE noch nicht eingeordnet. In diesem Gebiet liegen auch weite Teile der Heidenheimer Nachbarlandkreise. Eine Aussage darüber, ob die Gesteinsformationen im Untergrund für Hunderttausende Jahre als Endlager geeignet sein könnten, liegt noch nicht vor.
Die Tonschicht liegt nicht tief genug unter dem Landkreis
Das zweite, weitaus kleinere Teilgebiet erstreckt sich von Hayingen (Landkreis Reutlingen) auf rund 30 Kilometern Breite in nordöstlicher Richtung bis hinter Neresheim (Ostalbkreis). Diese Fläche wurde in die Kategorie C eingeordnet, die zweitschlechteste von vier Stufen. Laut der Begründung der Fachleute ist die Mächtigkeit, also die „Dicke“ der Opalinuston-Schicht in diesem Gebiet zu gering. Angestrebt wird für das Endlager ein sogenanntes Wirtsgestein mit einer Mächtigkeit von mindestens zweihundert Metern. Diese würde in der Region offenbar nicht erreicht. Zudem liegt das Tongestein offenbar nicht tief genug im Untergrund. Laut den festgelegten Kriterien müsste der obere Rand des Wirtsgesteins, in dem der strahlende Müll gelagert werden soll, in mindestens 600 Metern Tiefe liegen.
Bevor das BGE dem Bundestag eine Vorschlagsliste mit Regionen für weitere Untersuchungen vorlegen wird, werden die verbliebenen Gebiete noch anhand schärferer Kriterien überprüft. Fragen nach Themen wie Grundwasserschutz, der in Ostwürttemberg bedeutsam ist, wurden in den bisherigen Verfahrensschritten nicht geprüft.
Standortsuche könnte viel länger dauern
Die laufenden Untersuchungen folgen dem 2017 in Kraft getretenen Standortauswahlgesetz des Bundes. Dieses sieht vor, bis 2031 den Endlagerstandort festzulegen und das Lager 2050 in Betrieb zu nehmen. Im Sommer wurde jedoch eine Analyse des Freiburger Öko-Instituts bekannt, das im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Endlagerung (Base) das Standortauswahlverfahren untersucht hatte. Demnach sei selbst unter idealen Bedingungen mit einer Entscheidung erst im Jahr 2074 zu rechnen, also mehr als 40 Jahre nach dem im Gesetz vorgesehenen Zeitpunkt.