Proteste und Blockaden

Landwirte legen den Verkehr teilweise lahm: So lief die Protestaktion im Landkreis Heidenheim am Montag ab

Wer am Montag mit dem Auto unterwegs war, musste oft viel Geduld mitbringen: Bundesweit legten die Landwirte den Verkehr lahm. Im Kreis Heidenheim waren vor allem die Strecken von und zu den Autobahnauffahrten betroffen. Beobachtungen auf dem Weg zwischen Heidenheim und Nattheim:

Eins muss man ihnen in jedem Fall lassen: Pünktlich sind sie, die Bäuerinnen und Bauern. Punkt 5 Uhr gingen am Montag auch im Landkreis Heidenheim die Protestfahrten der Landwirte gegen die Subventionsstreichungen durch die Bundesregierung los. Auch viele Speditionslastwagen beteiligten sich. Ziel der Demonstranten waren insbesondere die Auf- und Abfahrten der A7 bei Nattheim, Giengen und Herbrechtingen, die sie mit ihren Traktoren blockierten. Im Berufsverkehr staute es sich an etlichen Stellen massiv, nahezu den ganzen Tag über kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen - beispielsweise zwischen Heidenheim und Nattheim. Wir haben uns in den Stau Richtung blockierter Autobahn begeben:

Stau und riskante Wendemanöver

Um 10 Uhr morgens fließt der Verkehr in der Heidenheimer Innenstadt recht problemlos. Bis zu den Tieräckern ist nichts von den Landwirten oder von irgendwelchen Auswirkungen auf den Verkehr zu sehen. Das ändert sich schlagartig auf der B466 in Richtung Nattheim: Kurz nach der Gärtnerei Lehr beginnt der Stau. An der Einfahrt zu einem Feldweg steht eine Polizeistreife. Viel tun können die Beamten hier nicht. Der Verkehr auf der Gegenfahrbahn fließt - zwar langsam, aber immerhin. Auf der Spur Richtung Nattheim ist kein Durchkommen. Ein paar Meter voraus versuchen Autos mitten auf der Straße zu wenden - ein riskantes Unterfangen zwischen Pkw, Lastwagen und Omnibussen.

(Fast) nichts geht mehr: Die Blockade der Auf- und Abfahrten an der A7 führte zu einem erheblichen Rückstau zwischen Heidenheim und Nattheim. Carolin Wöhrle

Immer mal wieder geht es ein paar Meter vorwärts, dann wieder minutenlanger Stillstand. Eine Gelegenheit, um an ein paar Autofenster zu klopfen. Zum Beispiel an die eines älteren Herrn mit Heidenheimer Kennzeichen. Wo kommt er her, wo soll es (eigentlich) hingehen? „Ich komme gerade aus Heidenheim, weil ich dort etwas abgeben musste. Jetzt bin ich auf dem Weg zurück nach Nattheim“, erzählt er. Ärgert ihn der Stau? „Ach nein. Ich bin Rentner und habe Zeit. Halb so wild.“

„Warum demonstrieren die Landwirte nicht vor den Discountern?“

Die Bäuerinnen und Bauern in ganz Deutschland protestieren an diesem Montag gegen die Pläne der Bundesregierung, Subventionen für die Branche zu streichen, insbesondere die Steuervergünstigungen für Agrardiesel. Hat der Nattheimer Verständnis für dieses Anliegen? „Ja und nein“, sagt er noch schnell, während sich die Autokolonne vor ihm wieder langsam in Bewegung setzt. „Ich habe vor Kurzem gelesen, dass die Milchpreise wieder erheblich gesunken sind. Da frage ich mich, warum die Landwirte nicht vor den Discountern demonstrieren.“ Der Fehler liegt aus seiner Sicht eben ganz woanders und nicht bei den Subventionsstreichungen.

In einem Kleintransporter weiter hinten sitzt ein Lagerist aus dem Raum Augsburg am Steuer. Er muss an diesem Morgen nach Böblingen. „Ich wollte eigentlich bei Ebnat auf die Autobahn fahren, das hab ich dann aber schnell wieder gelassen“, erzählt er. Nun wolle er es eben anderweitig probieren. Ärgert ihn der Stau da nicht? „Überhaupt nicht“, sagt er. „Ich habe volles Verständnis für die Landwirte. Es wird Zeit, dass sich endlich etwas ändert.“ Die Verkehrsbehinderungen und die Zeit, die er an diesem Vormittag im Stau verbringt, machen ihm „überhaupt nichts aus“. „Können Sie sich erinnern, dass wir eine solche Aktion schon einmal hatten? Also ich nicht. Toll ist das.“

Freilich sieht nicht jeder Autofahrer und jede Autofahrerin das an diesem Morgen so. Schimpfende Fahrer sieht man während des Staus immer mal wieder. Auffallend ist aber dennoch, wie oft die Bauern auf ihren Protestfahrten durch den Landkreis an klatschenden Passanten vorbeifahren, die ihnen die gehobenen Daumen zeigen. Die Landwirte quittieren das mit Hupen. Rückhalt in Teilen der Bevölkerung scheinen sie also zu haben.

30 Minuten Fahrzeit anstatt fünf

Die Fahrt von Heidenheim zum Nattheimer Autohof an der Auffahrt zur A7 dauert an diesem Vormittag etwa 30 Minuten. Normalerweise sind es etwa fünf. Am Nattheimer Kreisel stehen Polizeibeamte und versuchen, den Verkehr so gut es geht zu regeln. Oben an der Auf- und Abfahrt Richtung Ulm geht kaum etwas. Ein Traktor blockiert die Auffahrt für Pkw, die aus Richtung Westen kommen. Immerhin: Nach und nach können die Fahrzeuge aus Richtung Heidenheim auf die Autobahn auffahren. Auch die Abfahrt regelt die Polizei, so gut es eben geht.

Am Park-and-Ride-Parkplatz an der Autobahnbrücke haben sich Dutzende Bäuerinnen und Bauern versammelt. An ihren Traktoren hängen Protest-Plakate, am Fahrbahnrand haben sie einen Galgen aufgebaut, an dem eine Puppe, die wohl einen Landwirt darstellen soll, aufgehängt ist. Eine Ampel stellvertretend für die Bundesregierung ist daran angebracht und ein Schild: „Uns reichts.“ Vor einigen Tagen erst hatte der Bauernverband im Hinblick auf die Protestwoche zur Mäßigung und zum Verzicht auf derlei Symbolik aufgerufen.

Die Traktoren der Bauern verengen die Straße zwischen beiden Auffahrten zusätzlich. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen, weil Autofahrer meinen, sie könnten mitten auf der Straße plötzlich wenden. Inmitten des Chaos fährt ein Truck auf den Autohof. Auf dem Banner auf seiner Ladefläche steht „Weg mit der ReGIERung.“ Durch die Lautsprecher auf seinem Dach erklingt laut Blasmusik. Irgendwo zwischen Protest und Party.

Ein Galgen als Symbol des Protests: Das weckt im ersten Moment böse Erinnerungen an eine ähnliche Symbolik auf Pegida-Demonstrationen oder bei Querdenker-Protesten während der Corona-Pandemie. Die Landwirte wählten am Montag allerdings eine Puppe in der Arbeitskleidung eines Landwirts. Dennis Straub

Gegen 11 Uhr geben die Landwirte die Autobahnauffahrt und Abfahrt zunächst wieder frei. Schneller voran zurück Richtung Heidenheim geht es deshalb aber nicht unbedingt: Zwei Traktoren führen die Autokolonne an, auf der Gegenfahrbahn sieht es nicht anders aus. Maximal zehn Stundenkilometer sind drin. Immerhin: Die Rettungsgasse funktioniert einigermaßen, als ein Rettungswagen durch muss.

Polizei war im Dauereinsatz

Auch für die Polizei war die Protestaktion der Landwirte am Montag natürlich nicht alltäglich. „Wir sind Demonstrationszüge und Versammlungen gewöhnt, allerdings nicht in diesem Ausmaß“, so ein Sprecher am Nachmittag. Im Großen und Ganzen verliefen die Proteste friedlich, von problemlos könne im Hinblick auf die Verkehrsbehinderungen allerdings nicht die Rede sein. Gerade auf den Straßen Richtung Autobahn und an den Zufahrten an sich seien die Beamten bemüht gewesen, zumindest die Rettungswege so gut wie möglich freizuhalten. „Da waren sicherlich manche Demonstranten mehr und andere weniger einsichtig“, so der Sprecher weiter. Dabei seien gerade diese Knotenpunkte neuralgische Punkte gewesen, an denen die Polizei dauerhaft präsent war, um für Sicherheit zu sorgen. Ansonsten habe man die Beamten immer zu den Orten im Landkreis gerufen, an denen zur gegebenen Zeit am meisten Aufkommen war.

Die Protestfahrten am Montag haben also ihre Wirkung in der Öffentlichkeit nicht verfehlt. Ob die Landwirte aber auf politischer Ebene damit tatsächlich etwas für sich erreichen werden, bleibt abzuwarten - zumal die Bundesregierung Ende vergangener Woche bereits Zugeständnisse angekündigt hatte: Die Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft soll bestehen bleiben, die Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel sollen nur schrittweise wegfallen.

Bauernverband Ostalb-Heidenheim: „Immer mehr Auflagen und Anforderungen“

Für den Bauernverband ist das aber nicht genug: In einer Mitteilung fordert der Verband Ostalb-Heidenheim die Rücknahme sämtlicher geplanten Subventionsstreichungen. „Einerseits haben wir Landwirte durch die Steigerung der Effektivität in der Produktion von Lebensmitteln den Wohlstand, den wir heute haben, erst ermöglicht“, heißt es in dem Schreiben: „Andererseits hat die Politik den Landwirten über Jahre hinweg immer mehr Auflagen angeordnet und Anforderungen erhöht.“ Dazu gehören laut dem Bauernverband überzogene Regelungen bei der Düngeverordnung, die Einschränkung von Pflanzenschutz, und Auflagen beim Tierwohl. „Deshalb kann man nicht einfach von jetzt auf nachher unentbehrliche Finanzierungsmittel streichen.“

Proteste gehen weiter

Mit den Blockaden und Protesten am Montag wird es nicht getan sein. Die Landwirte wollen ihrem Unmut weiter Luft machen. Am kommenden Mittwoch, 10. Januar, wird es eine Bauernkundgebung in der Ellwanger Stadthalle geben. Erwartet wird der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Beginn ist um 10 Uhr.

Am Donnerstag, 11. Januar, ist eine Schleppersternfahrt nach Heidenheim mit anschließender Kundgebung geplant. Näheres zu Uhrzeit und Ort ist noch nicht bekannt.

Auf den Protest der Landwirte aufgesprungen ist am Montag auch der Giengener Markus Thumm, der dort die Pflegekräfte Service GmbH betreibt. Er hatte eine Demonstration mit Autokorso von Giengen nach Heidenheim angemeldet, außerdem sollten Kurzkundgebungen vor dem Heidenheimer Rathaus und dem Landratsamt stattfinden. Mit der Aktion wolle er die Forderungen der Landwirte unterstützen und sich am „Generalstreik“ beteiligen, heißt es in der Anmeldung der Demonstration. cw/ui

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