Drei junge Menschen müssen sich seit Freitag vor dem Landgericht Ellwangen wegen einer Gewalttat verantworten, die in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli vergangenen Jahres zwischen Schnaitheim und Aufhausen geschah. Angeklagt sind ein 21-jähriger Heidenheimer, der das Opfer brutal zusammengeschlagen haben soll. Mit einem Schlagstock oder einer Stange, später dann auch mit Fäusten und Fußtritten soll er derart auf den anderen Mann eingewirkt haben, dass dieser ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Pneumo-Thorax und Rippenbrüche erlitt. Die beiden 22 und 25 Jahre alten Frauen saßen während der Tat einige Meter entfernt im Auto. Mit diesen „massiven Verletzungen“, so Staatsanwalt Patrick Schmidt, ließ das Trio den Verletzten liegen. Einige Stunden später kehrten sie zurück, der 21-Jährige nahm dabei die Tatwaffe und das Handy des Opfers mit. Auch zu diesem Zeitpunkt holten sie keine Hilfe für den Schwerverletzten. Dieser wurde kurz nach 5 Uhr von einem Radfahrer gefunden, der Polizei und Rettungsdienst verständigte.
Der 21-jährige Lkw-Fahrer ist wegen versuchten Mordes angeklagt, da die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass er in der Absicht gehandelt hat, das Opfer zu töten. Er soll sich hinter einem Busch versteckt und den Mann von hinten attackiert haben. Die beiden Frauen sollen sich der Beihilfe zur Körperverletzung in Verbindung mit versuchtem Totschlag schuldig gemacht haben.
Die 2. Große Jugendkammer unter dem Vorsitzenden Richter Jochen Fleischer hörte am ersten Verhandlungstag von den drei Angeklagten drei Versionen des Geschehens, von denen wohl keine der vollständigen Wahrheit entsprach. Den 21-Jährigen, laut dem die Initiative vollkommen von der 22-Jährigen ausging, ermahnte Jochen Fleischer sehr deutlich: Seine Geschichte sei grottenschlecht. "Wenn wir glauben sollen, dass Sie Reue empfinden, dann müssen Sie auch mal mit den Fakten rüberkommen", so der Richter.
Komplizierte Beziehungen
Würde man das Beziehungsgeflecht zwischen den drei Angeklagten und dem Opfer beschreiben wollen, könnte man sagen: Es ist kompliziert. Die 22-jährige Angeklagte, die in Giengen wohnt, ist verheiratet und Mutter einer Tochter. Sie hatte im vergangenen Jahr eine Affäre mit dem späteren Opfer, die zur Tatzeit aber schon beendet war. Der Mann soll sie während ihrer Beziehung mit einer anderen Frau betrogen haben, worüber sie in der Tatnacht extrem aufgebracht gewesen sein soll. So schilderte es jedenfalls der 21-Jährige. Die 22-Jährige habe ihn aufgefordert, den Mann zu bestrafen, erzählte der Angeklagte. „Sie wollte ihn bluten sehen“, sagte er. Seiner Erzählung nach habe er gar kein Interesse daran gehabt, den Mann anzugreifen. Weil ihn die 22-Jährige aber wieder und wieder dazu aufgefordert habe, hätte er schließlich zugeschlagen. Er bestritt aber, ein Werkzeug benutzt zu haben, außerdem habe er das Opfer nicht mit Füßen getreten, auch nicht, als der Mann schon am Boden lag.
Gewalt war ein Thema in der Liebesbeziehung
Mit der 25-jährigen Angeklagten hatte der 21-Jährige eine Beziehung, wobei diese auch verheiratet ist und zwei Kinder hat. Als die Liebesbeziehung zwischen den beiden anfing, war der Angeklagte 16 Jahre alt, die Frau 21. Nach einem Jahr war Schluss, anschließend sei man befreundet gewesen, immer wieder aber auch in einer Beziehung. Als die Frau ihren späteren Mann kennenlernte, habe der Angeklagte extrem eifersüchtig reagiert. Es wurden Reifen zerstochen und Scheiben eingeschlagen, schließlich kam es auch zu einem Vorfall, bei dem der verschmähte Liebhaber die Frau zu Boden geworfen und gewürgt hat. Die Frau erwirkte ein Kontaktverbot, das wohl auch eingehalten wurde.
Gerüchte über eine angebliche Affäre
Ab Anfang des Jahres 2023 hat die Frau wieder Kontakt zu ihrem früheren Freund, dem heutigen Angeklagten, aufgenommen. Auch das Verhältnis, das beide als „On-off-Beziehung“ bezeichneten, bestand wieder. Im Handy des Mannes war die Frau zur Tatzeit als „Schatz“ abgespeichert. In der Zeit kurz vor der Tat soll das spätere Opfer herumerzählt haben, er hätte ein Verhältnis mit der 25-Jährigen, was diese aber abstritt. In der Tatnacht, als sich alle Beteiligten auf dem Parkplatz eines Gartenmarkts in den Tieräckern trafen, habe der 21-Jährige das spätere Opfer hinsichtlich dieser Gerüchte zur Rede gestellt und der Mann habe zugegeben, dies verbreitet zu haben.
Welches der beiden Motive – die Eifersucht des 21-Jährigen wegen der Gerüchte oder die Eifersucht der 22-Jährigen wegen des Betrugs – zur Tat führte, oder ob sich in dieser Julinacht zwei Rachsüchtige getroffen haben, blieb offen.
Den Ablauf der Geschehnisse schilderten aber alle drei weitgehend übereinstimmend: Vom Parkplatz aus machte sich das spätere Opfer zu Fuß auf den Heimweg nach Oberkochen, da keiner der Anwesenden den Mann nach Hause fahren wollte. Die drei Angeklagten stiegen ins Auto der 22-Jährigen, die auch am Steuer saß. Sie trafen das Opfer zunächst an der B19 an und hielten mit dem Auto auf der Straße. Der 21-Jährige stieg aus und schlug den Mann zu Boden. Danach fuhr das Trio mit dem Auto wieder zurück zum Parkplatz.
Hinter einem Busch gelauert
Von dort aus startete eine zweite Suchaktion nach dem Mann, die über den Rathausplatz in Schnaitheim zum dortigen Bahnhof führte. Das Trio fuhr zunächst mit dem Auto von dort weiter der Bahnlinie entlang in Richtung Aufhausen. Die beiden Frauen ließen den Mann in der Nähe einer Trafostation aussteigen und fuhren wieder zurück nach Schnaitheim. Dann folgten sie dem Opfer, das den Weg zu Fuß nahm. Per Telefon instruierte der 21-Jährige die Frauen, ihm Bescheid zu sagen, wenn der Mann das Trafohäuschen passiert.
Dieser Anweisung sind die Frauen offenbar gefolgt. Die 22-Jährige machte auch das Licht am Auto aus, sodass beide nicht sehen konnten, was dann geschah. Laut Aussage der 22-Jährigen konnten die Frauen aber übers Telefon hören, wie der 21-Jährige aus dem Gebüsch sprang und den Mann mit einem Gegenstand niederschlug. Als die Fahrerin das Autolicht wieder einschaltete, habe sie sehen können, wie der 21-Jährige den zusammengekrümmt am Boden liegenden Mann getreten und geschlagen habe. Dies bestätigte auch dessen 25-jährige Freundin so.
Blutige Kleidung und Schuhe verbrannt
Blutüberströmt sei der 21-Jährige danach wieder ins Auto eingestiegen, erzählten beide Frauen. Das am Boden liegende Opfer ließ man in der regnerischen Nacht zurück, die Fahrt ging zurück zum Parkplatz, wo das Trio ins Auto des 21-Jährigen umstieg und zu diesem nach Hause fuhr. Dort verbrannte der Mann seine Kleidung und Schuhe. Nachdem er geduscht hatte, kehrten alle drei nochmal an den Tatort zurück. Zwar stellten die drei fest, dass das Opfer noch lebte, holten aber auch dieses Mal keine Hilfe für den Schwerverletzten, nahmen aber die Tatwaffe und das Handy des Mannes mit, das an einem späteren Tag zerstört und bei Ulm in die Donau geworfen wurde.
Angst vor der Entdeckung der Tat hatte wohl nicht nur der 21-Jährige, der seine blutverschmierte Kleidung und Schuhe vernichtete, sondern auch die 22-Jährige, die wegen einer anderen Straftat unter Bewährung stand. Die Rolle der 25-Jährigen war offensichtlich die passivste, sie versuchte aber auch zu keinem Zeitpunkt, in das Geschehen einzugreifen oder Hilfe zu holen. Der Prozess wird am 11. März vor dem Landgericht Ellwangen fortgesetzt.