Auch mit veränderter Besetzung versprach der Titel „Tastenwunder“ keineswegs zu viel. Der für den erkrankten Alexander Gadijev kurzfristig eingesprungene Joseph Moog überzeugte in der trotz Programmänderung gut besuchten Waldorfschule.
Mit Auszügen aus Robert Schumanns Fantasiestücken eröffnete Moog den herausragenden Abend. In den ausgewählten drei von insgesamt acht Stücken aus diesem ersten von Schumann programmatisch überschriebenen Klavierzyklus charakterisierte der Pianist sehr ausdrucksvoll die beiden darin musikalisch dargestellten Phantasiefiguren: Eusebius, der im ersten Stück mit verträumten und zarten Melodien als der Milde des Schelmenpaars beschrieben wird, und sein Gegenstück Florestan, dessen wildes Temperament im folgenden Stück „Aufschwung“ von Joseph Moog vortrefflich herausgearbeitet wurde. Nach den energisch aufstrebenden Melodien, in denen sich der Pianist mit Hingabe über die gesamte Klaviatur bewegte, musste er sich sichtlich sammeln, um abschließend ganz sanft und gefühlvoll die Frage nach dem „Warum“ im dritten Stück zu stellen.
Emotionen des Komponisten gezielt herausgearbeitet
Die folgende Sonate Nr.8 Pathétique ist zweifellos eine der bekanntesten Klaviersonaten Beethovens. In seiner Interpretation arbeitete Joseph Moog die schwerwiegenden Emotionen, die den Komponisten während der Entstehung der Sonate bewegt haben, gezielt heraus. Gleich in der gewaltig einsetzenden Einleitung im ersten Satz setzte er die mit der Erkenntnis über die allmähliche Ertaubung verbundenen, aufwühlenden Gefühle sensibel um. Durch die präzisen Tempiwechsel, die Hervorhebung der thematischen Kontraste auch innerhalb der Sätze, sowie die Ausschöpfung des gesamten Dynamikumfanges, stellt Moog die inneren Konflikte des Komponisten während der Schaffensphase ganz plakativ dar.
Bereits hier in der Pathétique, die unter den berühmtesten Sonaten als technisch noch eher einfach zu bewältigen gilt, fiel die souveräne Leichtigkeit im leidenschaftlichen Spiel des preisgekrönten Pianisten auf. Dass er diese jedoch auch in der folgenden Wanderer-Fantasie von Franz Schubert auf imposante Weise demonstrieren konnte, ist unbedingt bemerkenswert. Hat doch der Komponist seinerzeit angeblich zugegeben, dieses Werk selbst nie beherrscht zu haben.
Tief ausgeprägte Musikalität
Im zweiten Konzertteil konnte Joseph Moog mit ausgewählten Stücken von seiner zutiefst ausgeprägten Musikalität und seinem ja bereits in jungen Jahren unübersehbaren Talent beeindrucken. Neben Werken von Chopin gelang es dem Solisten besonders in seiner einfühlsamen Umsetzung des in der Zeit des musikalischen Impressionismus entstandenen „Jeux d’eaux“ (Maurice Ravel), die klangmalerischen Elemente so ausgesprochen treffend auszudrücken, dass sich dem verzückten Publikum unweigerlich flinke Bachläufe, imposante Springbrunnen und unermüdlich plätschernde Quellen vor dem inneren Auge aufdrängten. Dessen nicht genug, fügten sich die Hände des begnadeten Pianisten in dieses Bild wie kleine Stromschnellen ein, die sich bis zum höchsten Ton rasant emporschraubten um sich dann, mit dem letzten Tropfen, wie ein Wasserfall verwirbelnd wieder abwärts zu ergießen, sich dabei zu überschlagen und sich langsam pulsierend wieder zu vereinen.
Eine verblüffende Erkenntnis, insbesondere für Klavierschüler, dürfte wohl die Konzertetüde „La Leggierezza“ von Franz Liszt offenbart haben. So hätte man wohl kaum vermutet, dass es möglich ist, die technisch tückischen Figuren einer Fingerübung derart hingebungsvoll darzubieten. Ebenfalls aus der Feder von Franz Liszt stammte die „Ungarische Rhapsodie Nr.12“, die Joseph Moog zum Abschluss des Programms in einem eigenen Arrangement präsentierte, in dem er nochmals die gesamte Bandbreite an Klangfarben in seinem von scheinbarer Mühelosigkeit geprägten Spiel unter Beweis stellte. Während er versiert zwischen ausdrucksstarken Motiven und perlschnurartigen Melodien in oft hoher Geschwindigkeit wechselte, verschmolzen seine Hände abermals förmlich auf den Tasten des Flügels und würdigten jeden einzelnen angespielten Ton, bevor sich Moog im letzten Teil des Stückes mit einem fulminant anschwellenden Accelerando schließlich selbst herauszufordern schien.
Drei Zugaben
Das Publikum quittierte mit anhaltendem Beifall Moogs Spiel. Dieser ließ es sich nicht nehmen, sich mit sagenhaften drei Zugaben zu verabschieden: zunächst ließ das Piano-Ausnahmetalent mit einem überzeugenden eigenen Arrangement des unter anderem von Ella Fitzgerald besungenen Gershwin-Titel „‘S Wonderful“ etwas modernere Töne ebenso routiniert anklingen, wie die zuvor rezitierten Werke. Das folgende achte Stück aus Rachmaninov´s Etudes-tableaux belegte schließlich das Können des jungen Künstlers nochmals gleichermaßen, wie „Die Pfade der Liebe“ von Francis Poulenc, mit deren sanften, tänzerischen Melodien der Virtuose nicht nur von den mal leisen und mal überschwänglichen amourösen Zeiten schwärmte, sondern auch gleichzeitig seinem Instrument eine kleine Liebeserklärung machte.