Mehr als nur "Action!" rufen: So inszeniert das Regie-Team "Der Raub der Sabinerinnen"
Theater machen ist Arbeit. Harte Arbeit, die wahlweise schlaflose Nächte – weil stressig – oder Erschöpfungsmüdigkeit – weil anstrengend – verursacht. Irgendwo dazwischen finden sich derzeit Brigitte Prinz und Markus Hischberger wieder. Die beiden inszenieren das diesjährige Erwachsenenstück des Naturtheaters, „Der Raub der Sabinerinen“. Kein leichter Job. Denn Regie führen bedeutet dabei keinesfalls, nur „Action!“ zu rufen. Abseits der Bühne schlüpfen Prinz und Hirschberger in mindestens ebenso viele Rollen wie der Rest der Besetzung. Einige dieser Rollen sollen an dieser Stelle vorgestellt werden.
Erwachsenenstück im Naturtheater: Hommage ans Amateurtheater
Am Anfang steht die Idee. Diese anderen schmackhaft zu machen, ist mitunter nicht ganz einfach – egal ob dem Publikum oder anderen Naturtheatermitgliedern. „Den Wunsch, die ‚Sabinerinnen‘ zu inszenieren, habe ich schon seit vielen Jahren“, erzählt Brigitte Prinz. Nun sei die Zeit dafür endlich reif. Markus Hirschberger davon zu überzeugen sei anfangs gar nicht so leicht gewesen: „Ich habe zuerst gesagt, dass man diesen Schwachsinn doch nicht machen kann“, erzählt Hirschberger und lacht. „Beim gemeinsamen Lesen hat mich das Stück dann aber doch überzeugt. Ausschlaggebend für mich war, dass die Handlung ja eine Hommage ans Theater ist.“
Die eigentliche Regie-Arbeit beginnt viele Monate, bevor überhaupt die erste Probe ansteht. Eine Hürde, die sich gleich zu Beginn offenbart hat: „Der Raub der Sabinerinnen“ klingt nach Historiendrama. Ist es aber nicht, sondern vielmehr eine Komödie. Dem Regie-Duo war klar, dass es nicht leicht werden wird, dem geneigten Publikum jenen Schwank auch als solchen zu verkaufen. „Dazu kommt, dass Komödien mit das Schwierigste sind, was man auf der Freilichtbühne spielen kann“, findet Hischberger. „Timing ist das A und O. Jede Pointe muss sitzen“, ergänzt Prinz.
Geschichte umschreiben für die Heidenheimer Freiluftbühne
Eigentlich ist das Stück auf 16 Rollen ausgelegt. Nun wollen in dieser Spielzeit im Naturtheater aber gut 150 Personen mitspielen. Wie man das löst? Indem man die Geschichte umschreibt – im doppelten Sinne. Zum einen wurde die Zahl der Hauptrollen in der Textvorlage erhöht. Nun sind es 24 Stück – wie praktisch immer sind im Naturtheater zudem alle Rollen doppelt besetzt. „Damit aber wirklich jeder mitmachen kann, haben wir einige große Stadtszenen eingefügt“, erzählt Prinz.
Die im wörtlichen Sinne historische Geschichte hat das Regie-Duo ebenfalls umgeschrieben. Statt im deutschen Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts siedeln Prinz und Hirschberger die Komödie in einer deutschen Kleinstadt in den frühen 1950er-Jahren an. Besatzungszone, amerikanische Soldaten, geheime Nachtclubs: „Das alles entstaubt die Handlung etwas und erlaubt uns zugleich, große Volks- und Tanzszenen einzubauen“, erläutert Hirschberger.
Ereignisreiche Wochen im Naturtheater Heidenheim
Stehen das Team und die Besetzung, ist der erste große, schwierige Schritt gegangen. In den Folgemonaten zeigt sich dennoch: Das Regie-Team führt eben nicht nur Regie, es muss zudem organisieren, koordinieren und nicht zuletzt: kümmern. Wer bringt die Requisiten mit zur Probe? Wer bestellt die Pizza? Wann stimmt man sich mit der Planung des Kinderstücks ab? All das sind Fragen, die es permanent zu klären gilt. „‚Om‘ ist ein großer Überbegriff in dieser Zeit“, sagt Brigitte Prinz und lacht. Auf dem Schlossberg Theater zu machen sei 20 Prozent Kunst und 80 Prozent Organisation.
Theater, Beruf und Familien unter einen Hut bringen
Unzählige Stunden investieren sämtliche Involvierten insbesondere in der Zeit vor der Premiere. Privatleben? Beruf? Müssen gewissermaßen „nebenher“ laufen. „Manchmal merke ich schon, dass sich die schmutzige Wäsche zuhause stapelt“, so Prinz. „Und natürlich gibt es Momente, in denen man sich kurz fragt, ob man jetzt wirklich schon wieder auf diesen Berg hochfahren muss“, gibt Hirschberger zu. Eine Familie, die einem in dieser Phase den Rücken stärke, sei eine große Unterstützung.
Klingt alles furchtbar negativ, oder? Ist es aber nicht, findet das Regie-Duo. „Wir machen das alle aus Leidenschaft“, sagt Hirschberger. „Wenn beispielsweise eine Szene nach vielen Versuchen endlich gut funktioniert, ist es das wert. Man bekommt die Energie, die man hineinsteckt, auch zurück.“ Die Besonderheit im Amateurtheater sei, dass alle Beteiligten neben der Kunst zugleich Beruf, Schule oder Familie unter einen Hut bringen müssen – feste Arbeitszeiten wie im Profi-Theater gibt es eben nicht.
Diese Liebe zum Amateurtheater ist im Übrigen Gegenstand vom „Raub der Sabinerinnen“. „Es gibt in dem Stück einen Monolog, eine flammende Rede für das Amateurtheater“, erzählt Prinz. „Das spiegelt unsere Arbeit absolut wider.“ Im Hintergrund passiert schließlich mindestens ebenso viel wie im auf der Bühne.