Missratener Ableger des Gedankens der Volkssouveränität
Ein sehr kluger Kommentar! Links und rechts sind die beiden Pole, die eine Mitte erst möglich machen. Setzt man links mit progressiv (auf Veränderung zielend) und rechts mit konservativ (bewahrend) gleich, gibt dieser Dualismus, grob auf den Punkt gebracht, zwei in der menschlichen Natur begründete, stetig im Widerstreit liegende Bedürfnisse wider. Sinn und Zweck der Demokratie bestehen nicht zuletzt in der Austarierung dieser antagonistischen Bedürfnisse zum Wohl des Einzelnen und zu dem der Gesamtheit.
In Deutschland ist rechts einzig und allein durch den Nationalsozialismus in Misskredit geraten. Doch war der Nationalsozialismus wirklich rechts im Sinne von konservativ, wenn er wichtige Stützpfeiler konservativen politischen Denkens und Handelns wie Föderalismus, Rechtsstaatlichkeit, Verantwortung vor Gott zum Einsturz brachte und an deren Stelle die Vergötterung der eigenen Nation, der eigenen Rasse (bei der er sich in Wahrheit um eine Schimäre handelte) und des eigenen Führers (eines vor Halbbildung strotzenden Demagogen) setzte, die einem gebildeten Konservativen wie Theodor Fontane das Blut in den Adern hätte stocken lassen? Konservativismus in bestem Sinne zeichnet sich durch Pragmatismus und Verantwortungsethik aus – Kennzeichen, die einer wahnhaften Weltanschauung wie der des Nationalsozialismus völlig abgehen und die darum auch krachend gescheitert ist.
Nationalismus gilt als rechts. Doch in Wahrheit ist der Nationalismus kein Kind des Konservativismus, sondern ein missratener Ableger des Gedankens der Volkssouveränität. Franz Grillparzer behielt recht mit seiner Prophezeiung: „Der neuere Weg der Menschheit führt von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität“.
Dr. Veit Gruner, Heidenheim