Überfüllt und unterfinanziert

Mit diesem Problem kämpft das Heidenheimer Frauenhaus

Das Heidenheimer Frauenhaus war für zwei Monate wegen Überfüllung geschlossen. Auch derzeit ist es voll belegt. Deshalb wenden sich die Verantwortlichen an politische Vertreter, aber auch an die Öffentlichkeit.

Wenn die Tür des Heidenheimer Frauenhauses hinter ihnen ins Schloss fällt, lassen viele Frauen und Kinder nicht nur ein Zuhause zurück, sondern auch eine schmerzvolle Vergangenheit, geprägt durch Gewalt des Partners, Angst und Verzweiflung. Doch die Zukunft dieses Schutzraums hängt vor allem von einer gesicherten und ausreichenden Finanzierung ab. Nur so kann gewährleistet werden, dass jede schutzsuchende Frau und die Kinder auch wirklich aufgenommen werden können.
Der Förderverein mit der Vorsitzenden Karin Bühner und der Stellvertreterin Elli Nerz sowie die Diakonie als Trägerin des Frauenhauses mit Geschäftsführer Frank Rosenkranz fordern daher mit Nachdruck, dass die Politik die Finanzierung des Betriebs regelt.

Ihr weiterer Wunsch: Notfalls sollte für eine Übergangszeit auch eine Unterbringung im Hotel oder in Wohnungen möglich sein, bis wieder Platz im Frauenhaus ist. Bislang springt der Förderverein des Frauenhauses finanziell ein, kommt damit aber an die Grenzen des privat Machbaren, fürchten die Verantwortlichen.

So viel Frauen können im Heidenheimer Frauenhaus aufgenommen werden

„Wir waren in den letzten beiden Monaten überbelegt und mussten zumachen“, sagt Frank Rosenkranz. Er verweist auf den Vertrag mit dem Landkreis: „Und darin steht, wir haben für fünf Frauen und elf Kinder zu sorgen.“ Jährlich würden zwischen 40 und 60 Frauen aufgenommen. Einige blieben nur einen Tag, manche sechs Monate. Nach dieser Zeit müsse das Frauenhaus begründen, warum eine längere Unterbringung vonnöten ist. Rosenkranz erinnert sich an den Fall einer 78-Jährigen aus einer Kreisgemeinde, die zwei Jahre blieb, um sie auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Aktuell sei es oft schwierig, geeigneten Wohnraum für die Frauen zu finden, merkt Elli Nerz an.

Zwei Sozialpädagoginnen mit je einer 60-Prozent-Stelle arbeiten derzeit im Frauenhaus sowie sechs Helferinnen in Teilzeit, die alltagsbegleitende und hauswirtschaftliche Aufgaben übernehmen. „Doch das reicht nicht aus, weil Frauen oft mit multiplen Problemlagen zu uns kommen und eine enge Betreuung benötigen“, so Rosenkranz. Wegen des finanzierungsbedingten Personalmangels sei eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit nicht zu leisten.

Finanzierungslücke: Kirchenbezirk in Heidenheim springt ein

Um die 220.000 Euro kostet der Betrieb des Frauenhauses jährlich, wobei nur 150.000 Euro von der öffentlichen Hand kommen, der Rest wird aus verschiedenen Töpfen zusammengekratzt. 100.000 Euro Zuschuss kommen vom Landkreis Heidenheim, 50.000 Euro vom Land. 18.000 Euro schießt der Kirchenbezirk Heidenheim aus Kirchensteuermitteln für Personalkosten zu. 15.000 Euro stemmt der Förderverein. Dennoch bleibt ein Defizit von jährlich rund 41.000 Euro, das ebenfalls die Kirche übernimmt.

„Das ist aber eigentlich nicht richtig, denn die Finanzierung der Frauenhäuser ist Aufgabe des Staates“, sagt Rosenkranz. Die Kirche in die moralische Pflicht zu nehmen, für die Frauen zu sorgen, auch wenn der finanzielle Rahmen nicht reicht, finde er schwierig.

Wir sind angewiesen auf Spenden, um das Frauenhaus in Heidenheim halten zu können.

Karin Bühner, Vorsitzende des Fördervereins Frauenhaus

Die finanziellen Lücken stopft derzeit oftmals der Förderverein des Frauenhauses, den es nahezu so lange gibt wie das Frauenhaus selbst, seit mehr als 40 Jahren. Das ist auch der Grund, weshalb die Gründungsmitglieder weniger werden. „Wir sind angewiesen auf Spenden, um das Frauenhaus in Heidenheim halten zu können“, sagt Karin Bühner, die den Förderverein und die Arbeit des Frauenhauses deshalb bekannt machen möchte. Der Förderverein bezahlt zudem zum Beispiel Renovierungen oder Sonderprojekte, wie etwa als Nächstes einen Spielbereich. „Manche wissen gar nicht, dass es in Heidenheim ein Frauenhaus gibt, das will ich ändern.“ 15 Euro im Jahr sei der Mindestbeitrag. „Dass Frauen, die Hilfe benötigen, die Hilfe auch bekommen können, das ist mir eine Herzensangelegenheit.“

Ein weiteres Problem, das sich in der Kasse bemerkbar macht: Immer wieder kämen auch Frauen ohne Aufenthaltstitel, für die der Landkreis nicht bezahle. „Als ob die keine Gewalt erfahren“, sagt Rosenkranz. Dass die Frauen sich hier illegal aufhalten, das bemerkten die Mitarbeiterinnen erst, wenn die Frauen schon im Haus seien und wenn die Formalitäten erledigt würden. „Sollen wir diese dann einfach wieder wegschicken?“

Heute kämpft kaum ein Mann mehr für seine Frau.

Frank Rosenkranz, Geschäftsführer Diakonie Heidenheim

Mit der schwierigen Situation ist Heidenheim nicht allein. „43 Frauenhäuser gibt es in Baden-Württemberg. In keinem ist aktuell ein Platz frei“, sagt Elli Nerz. Gewalt an Frauen gehe durch alle Altersgruppen. Verändert habe sich, dass Frauen aus anderen Kulturkreisen Hilfe suchen. Sie seien mutiger geworden, so Rosenkranz. Verändert habe sich auch das Verhalten innerhalb der Familien. Früher hätten sich Männer über die Diakonie an ihre Frauen gewandt, hätten Liebesbriefe geschrieben und versichert, eine Therapie zu beginnen. „Heute kämpft kaum ein Mann mehr für seine Frau.“ Ebenso fällt Rosenkranz bei den Frauen eine Gleichgültigkeit dem Frauenhaus und dem fremden Eigentum gegenüber auf. Früher hätten sich die Frauen gefreut, dass sie aufgenommen werden, hätten das Haus in Ordnung gehalten. „Heute haben wir Bewohnerinnen, die einen Topf wegwerfen, wenn er eingebrannt ist.“ Das seien Veränderungen, die in der gesamten Gesellschaft auszumachen seien.

Völkerrechtlicher Vertrag gegen Gewalt an Frauen

Von der Politik fordern die Heidenheimer Verantwortlichen, ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung nachzukommen. Elli Nerz verweist auf die sogenannte Istanbuler Konvention. Dieser 2011 ausgearbeitete völkerrechtliche Vertrag schaffe verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt, Schutz der Betroffenen und Bestrafung der Täterinnen und Täter. In Deutschland trat diese Regelung am 1. Februar 2018 in Kraft. „Bloß Gelder fließen bis heute nicht. Es wurde bis heute nicht geregelt, wie Frauenhäuser finanziert werden“, prangert Elli Nerz an.

2022 habe die SPD im Landtag einen Antrag eingebracht, um in Baden-Württemberg die Finanzierung der Frauenhäuser gesetzlich zu sichern. Doch die Grünen hätten dem nicht zugestimmt, weil der Antrag von der Opposition gekommen war. „Das macht mich noch immer wütend“, erinnert sich Rosenkranz an den 8. März 2022, als die grüne Landtagspräsidentin Muhterem Aras in der Heidenheimer Stadtbibliothek zu Gast gewesen sei und er ihr die Frage nach dem Warum gestellt habe. Auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung sei festgelegt worden, die Finanzierung zu sichern, sagt Bühner. Doch passiert sei nichts.

Polizeivertreter und Anwältin informieren über das Frauenhaus

Um die Arbeit des Frauenhauses publik zu machen, lädt der Verein zur Förderung des Frauen- und Kinderschutzhauses Heidenheim zu einer Informationsveranstaltung ein. Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 25. September, um 19 Uhr im Haus der Kirche (früher Paulusgemeindehaus), Bahnhofstraße 33 in Heidenheim im 1. Stock, statt.

Frank Rosenkranz, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Heidenheim (Träger des Frauen- und Kinderschutzhauses), berichtet über die Rahmenbedingungen der Arbeit. Janett Fichtner, Rechtsanwältin, beleuchtet die Aspekte der Istanbul-Konvention. Felix Wiedmann, Polizei, gibt einen kurzen Einblick zum Thema „gewaltbetroffene Frauen in Heidenheim“.

Eingeladen sind neben den Mitgliedern des Fördervereins und der Heidenheimer Öffentlichkeit auch Heidenheimer Vertreter im Bundestag, im Landtag und aus der Heidenheimer Lokalpolitik. Um Anmeldung wird gebeten an Karin Bühner unter Foerderverein-Frauenhaus.hdh@elkw.de

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