Gerichtsverhandlung

Heidenheimer Ehepaar macht sich mit Sozialbetrug und Schwarzarbeit die Taschen voll

Ein Ehepaar holte rumänische Arbeiter nach Heidenheim und übernahm als Subunternehmer Montagearbeiten für namhafte Firmen. Stundenzettel und offizielle Meldungen wichen dabei erheblich voneinander ab.

Die Geschäfte liefen richtig gut für einen ungelernten Handwerker und seine Ehefrau, die sich mit ihrem Betrieb in Heidenheim auf Metall-Montagearbeiten spezialisiert hatten. Die Aufträge für das Subunternehmen kamen von namhaften örtlichen Firmen und wurden gut bezahlt. Die Arbeiter, die die Ehefrau aus ihrem Heimatland Rumänien rekrutierte, erhielten lediglich Mindestlohn. Um die Kasse noch weiter aufzubessern, wurden jedoch in zahlreichen Fällen gar keine oder nur unvollständige Sozialabgaben bezahlt. Jetzt musste sich das Paar dafür vor dem Heidenheimer Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil verantworten, das von einem Sozialversicherungsbetrug in der Höhe von fast einer halben Million Euro ausging.

Aufgeflogen war der Betrug, nachdem sich neun rumänische Arbeiter der Firma beim Zoll gemeldet und beklagt hatten, dass sie seit zwei, drei Monaten kein Geld bekämen. Außerdem berichteten die Männer, dass sie im Sommer bis zu 13 Stunden auf der Baustelle seien, bei Krankheit oder Urlaub aber nicht bezahlt würden.

Statt 230 Arbeitsstunden wurden nur 76,5 offiziell gemeldet

Der zuständige Zollbeamte sagte als Zeuge vor Gericht aus, dass sich bei den Ermittlungen gezeigt habe, dass manche Mitarbeiter gar nicht angemeldet waren, manche nur zeitweise. Zudem fiel es den Zollbeamten auf, dass es erhebliche Abweichungen zwischen den von den Männern handschriftlich ausgefüllten Stundenzetteln und den elektronisch erfassten Arbeitszeiten gab. Als Beispiel nannte der Zeuge die Monatsauflistung eines Mannes mit 230 Arbeitsstunden, aus denen in der offiziellen Abrechnung nur 76,5 Stunden wurden. Auffallend sei zudem gewesen, dass bei der offiziellen Version Arbeitsbeginn und -ende immer gleich gewesen sei und die Arbeitsverträge als Teilzeitverträge mit einer Arbeitszeit von 20 bis 40 Stunden abgefasst waren.

Die Angeklagten sahen sich als Opfer eines Rachefeldzuges einiger ihrer ehemaligen Angestellten, die sie entlassen hätten, weil diese mehr damit beschäftigt gewesen seien „sich herumzutreiben und zu klauen“, so der Angeklagte. Er hätte es sich gar nicht leisten können „so aufzutreten“, argumentierte er mit Hinweis auf seine namhaften Kunden, mit denen er viele Jahre zusammengearbeitet habe. Die ganze Angelegenheit habe ihn in ein schlechtes Licht gerückt.

Auch der aus Köln angereiste Verteidiger des 51-Jährigen, Dr. Christof Miseré, beschwerte sich, dass man sich mit dem Verdacht auf die Angaben einer Diebesbande stütze. Zudem beliefen sich die Berechnungen auf der Annahme, dass 66 Prozent der Nettoeinnahmen für Löhne ausgegeben worden sei. Im Montagebereich liege der Anteil aber lediglich bei 25 Prozent. Der Angeklagte versuchte diese Argumentation zu untermauern, und rechnete vor, wie viel er am Tag bei der Verlegung von Trapezblechen verdient habe und wie viel davon die Löhne ausmachten. Dabei hantierte er bei seinen Einnahmen aber mehrfach mit unterschiedlichen Zahlen.

Bei dieser Rechnung müsste der Angeklagte einen Gewinn von 80.000 Euro im Monat gemacht haben, hielt denn auch Oberstaatsanwalt Oliver Knopp dagegen. Dieser hielt es zudem für zweifelhaft, dass die Auftraggeber so hohe Rechnungen akzeptiert hätten, wenn die Arbeiter mit Mindestlohn bezahlt werden und der Subunternehmer selbst einen Gewinn von 60 Prozent einstreiche, da keine Kosten für Material und nur geringe Kosten für Fahrzeuge und Maschinen angefallen seien.

Neue Firma gegründet, um Forderungen der Exfrau zu entgehen

Die Rolle der 35-jährigen Ehefrau, die ebenfalls von einem Kölner Anwalt vertreten wurde, erschien in der ganzen Sache eher unklar. Zwar war sie ab 2019 Geschäftsführerin einer neuen Firma, in die die seit 2016 bestehende Montagefirma überführt worden war, wohl aber nicht in führender Rolle. Die neue Firma habe man gegründet, um Forderungen seiner Exfrau zu umgehen, erläuterte der Angeklagte.

Es war ein zähes Ringen um die Wahrheit mit etlichen Unbekannten und vielen unterschiedlichen Zahlen, die teilweise aus den Lohnzetteln, teilweise aus Rechnungen eines großen Auftraggebers stammten. Vor allem in der Berechnung des Anteils der Lohnkosten lagen die Vorstellungen weit auseinander.

Während das Gericht die im Baubereich übliche Quote von 66 Prozent für berechtigt hielt, wollte die Verteidigung eine Minderung auf 25 Prozent. Damit wäre nicht nur die Schadenshöhe erheblich geringer ausgefallen, sondern auch die Anzahl der Anklagepunkte deutlich geschrumpft.

Angeklagter hatte bereits eine Vorstrafe wegen Betrugs

Genau darin sah die Verteidigung die Chance, dass der 51-Jährige mit einer Bewährungsstrafe davonkommen könnte. Eine allerletzte Chance sozusagen, denn der Angeklagte war bereits 2015 in Mainz wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Die Bewährungszeit wurde bis 2020 verlängert. Im damaligen Verfahren ging es um teure Autos, für die der Mann Kredit- und Leasing-Verträge abgeschlossen hatte, diese aber nicht bezahlte und weitere Geschäfte mit den Autos machte. Kurioserweise hieß seine Firma damals genauso, wie die, die er zuletzt betrieb.

Schließlich zogen sich Richter, Schöffen, Staatsanwalt und Verteidiger für Verständigungsgespräche zurück, um einen Konsens für das weitere Vorgehen zu finden. Die Einigung darauf, zur Berechnung des Schadens 40 Prozent als Lohnkosten anzunehmen, brachte das Verfahren schließlich voran. Damit ging das Gericht nur noch von einer Summe von rund 230.000 Euro aus, die den Sozialkassen vorenthalten worden war. Vor allem aber die Zusicherung einer höchstens zweijährigen Bewährungsstrafe für den 51-Jährigen, sowie einer Verwarnung und einer Bewährung für die Ehefrau, sofern beide ein Geständnis ablegen, brachte das Verfahren voran. Beide Angeklagten stimmten dieser Verständigung zu und räumten Verfehlungen bei der Stundenabrechnung ein.   

Bereits im Vorfeld hatte Staatsanwalt Knopp signalisiert, dass die Vorstrafe aus 2015 für ihn eine wenig relevante Rolle spiele, zumal die Tat bereits 2008 begangen wurde. Entsprechend auch sein Plädoyer, in dem er eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren ausgesetzt zur Bewährung (drei Jahre) und eine Zahlung von 6000 Euro an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein für den Angeklagten forderte. Er sei überzeugt „dass man die Lohnnachweise passend gemacht hat“, auch um Lohn schwarz auszuzahlen oder Lohn vorzuenthalten. Die Ehefrau sei dagegen in ein bestehendes System „hineingewachsen“. Er forderte für die 35-Jährige eine Verwarnung und eine zweijährige Bewährung. Sollte sie dagegen verstoßen, wird eine Zahlung von 180 Tagessätzen zu je 20 Euro fällig. 2400 Euro müsse sie zudem an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein bezahlen.

Die beiden Verteidiger griffen nochmals auf, dass es Rache und „Unredlichkeit“ von Seiten der rumänischen Arbeiter gegeben habe, hielten sich aber sonst in ihren Plädoyers mit Blick auf die Verständigungsgespräche zurück.

Das Urteil des Schöffengerichts entsprach den Forderungen des Staatsanwaltes. In solchen Verfahren bestehe oftmals das Problem, dass man keine exakten Aufzeichnungen habe und damit die Berechnungsgrundlage fehle, so die Begründung von Richter Feil. Für den Angeklagten sei es angesichts der einschlägigen Vorstrafe knapp gewesen, nochmal die „allerletzte Chance“ für eine Bewährung zu bekommen. „Sie haben jetzt den Rücken frei für die Zukunft, machen Sie was draus“.

Laut eigenen Angaben lebt das Paar nach der Insolvenz ihrer Firma 2022 mit bescheidenen Einkommen. Der Anklagte arbeitet als Angestellter im Betrieb seines Cousins, der ebenfalls eine Metall-Montagefirma betreibt, die Ehefrau in Teilzeit als Kassiererin in einem Supermarkt.

Ob die Sozialversicherungsträger versuchen werden, die ihnen entgangene Summe einzutreiben, wurde im Verfahren nicht angesprochen.

Genaue gesetzliche Vorgaben für einen Deal

Verständigungsgespräche zur Einigung in einem Strafprozess sind gesetzlich genau geregelt. Ziel ist es, den Aufwand eines Verfahrens zu verringern. Dabei ziehen sich Richter (im vorliegenden Fall auch die Schöffen), Staatsanwalt und Verteidigung zu einem nicht öffentlichen Gespräch zurück, dessen Ergebnis jedoch in der Verhandlung verlesen wird. Der Vorteil für die Angeklagten liegt darin, dass sie Gewissheit darüber erhalten, mit welchen Strafmaß maximal zu rechnen ist. Im Gegenzug erwartet das Gericht üblicherweise ein Geständnis. In Heidenheim sind solche Deals allerdings bisher absolute Ausnahme. Laut Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil sei das erst zum zweiten Mal der Fall gewesen.

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