Mitgliedsbeitrag mit neun Nullen
Die Deutschen gelten als Vereinsmeier. Angeblich gehört fast jeder Zweite im Land einem Verein an, und häufig eint Klamauk die Mitglieder, wie beispielsweise die tatsächlich existierende Bezeichnung Lachclub nahelegt. Andere verbinden ernsthafte Anliegen, ohne dass deshalb freilich die Fröhlichkeit zu kurz käme. Die Mergelstetter Naturfreunde etwa gehen seit mittlerweile 100 Jahren gemeinsam durch dick und dünn.
Wenn dieses Jubiläum jetzt gefeiert wird, dürften schwere Zeiten wie auch erfreuliche Begebenheiten zur Sprache kommen. Schon der Beginn spiegelt im Rückblick beides wider: Weil sie mit nicht näher beschriebenen Entwicklungen bei den Heidenheimer Naturfreunden unzufrieden sind, treffen sich am 24. Juli 1923 einige Wechselwillige im Mergelstetter Gasthaus Linde. Nach einer Aussprache unterzeichnen 49 Gleichgesinnte das Gründungsprotokoll der an diesem Tag aus der Taufe gehobenen Ortsgruppe Mergelstetten.
Eine der ersten Entscheidungen unter Vorsitz von Karl Joas: Der Monatsbeitrag für Männer beträgt 3000 Reichsmark. Im November 1923 sind es bereits drei Milliarden Reichsmark – die Inflation bringt es mit sich.
Reste der Ruine Hurwang freigelegt
2400 freiwillige Arbeitsstunden stecken die Mitglieder in das erste Großprojekt: Unter sachkundiger Begleitung des Heimatforschers Eugen Gaus legen sie 1926 die Reste der Ruine Hurwang frei. Die Treffen in der „Linde“ sind derweil zwar gesellig, doch schon bald wächst der Wunsch nach einem eigenen Vereinsheim. Eingeweiht wird in einem kleinen Steinbruch auf dem Erbisberg zur Sonnwendfeier 1930 ein 25 Quadratmeter großes Blockhaus.
Die Freude darüber ist von kurzer Dauer: Im März 1933 wird der Verein verboten, die Polizei beschlagnahmt das Domizil und überlässt es der Hitlerjugend. Auch während der NS-Zeit halten die Naturfreunde allerdings den Kontakt zueinander, und mit Genehmigung der US-Militärregierung kommt es am 30. März 1946 zur Wiedergründungsversammlung.
1954 löst Richard Nicoletti als Obmann Karl Joas ab, und unter seiner Ägide erwirbt der Verein für 790,50 Mark von der Stadt das zuvor gepachtete Grundstück. Die Mitgliederzahl wächst unterdessen stetig, folglich muss ein Neubau her. Am 21. Juni 1959, abermals zur Sonnenwende, kann es bezogen werden. Die Langenauer Naturfreunde kaufen derweil für 300 Mark das Blockhaus, bauen es ab und anschließend am neuen Bestimmungsort wieder auf, und nutzen es bis heute.
Vereinsgelände wird zur atomwaffenfreien Zone
Auch in Mergelstetten wird Wert auf Kontinuität gelegt: Im Laufe der Zeit erhält das Erbisberghaus einen Anbau, und 1981 ist der Verein aus den roten Zahlen. Aus Protest gegen die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa erklären die Naturfreunde ihr Gelände 1983 zur atomwaffenfreien Zone. Der Staffelstab ist zu diesem Zeitpunkt von Hermann Oberglock über Werner Alisch an Wolfgang Rink übergegangen. Heinz Strauß übernimmt 1991 den Vorsitz, ehe im Jahr 2000 Rainer Prechtel folgt.
In seine Amtszeit fällt die Landesgartenschau 2006. Die Heidenheimer Ortsgruppen zeichnen zusammen mit den Naturfreunden aus Oberkochen für die Renaturierung des Eisweihers verantwortlich. Es schließt sich für einige Zeit die Zusammenarbeit mit dem „Grünen Klassenzimmer“ an.
Das Augenmerk gilt in der jüngeren Vergangenheit aber verstärkt dem Vereinsheim: Aufs Dach kommt eine Fotovoltaik-Anlage, im Garten entstehen eine Boulebahn und ein Holzofen-Backhaus. Nächstes großes Vorhaben ist die nun anstehende Jubiläumsfeier. Der Vorsitzende Werner Wagenblast zeigt sich zusammen mit seinen Stellvertretern Ingrid Eder und Reiner Stern zuversichtlich, der Erfolgsgeschichte der Mergelstetter Naturfreunde ein weiteres Kapitel hinzufügen zu können: „Das Jubiläum wird sicher ein organisatorischer Kraftakt, aber wir Naturfreunde werden wie immer alle gemeinsam anpacken.“
Zwei Tage lang wird gefeiert
Am Anfang der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Mergelstetter Naturfreunde steht am Samstag, 22. Juli, ein Festakt mit Gästen. Auf dem Programm findet sich tags darauf eine Wanderung zu der Stelle, an der einst die von Naturfreunden wieder freigelegte Ruine Hurwang stand. Von ihr ist heute nichts mehr zu sehen. Anschließend feiern die Vereinsmitglieder in einem großen Zelt auf dem Erbisberg.