Musikalisches Gedenken an Thomas Winger
Einem denkwürdigen Ereignis bot am Freitagabend die Michaelskirche eine Bühne: Der preisgekrönte Musiker Axel Nagel und die Kulturbühne Halbe Treppe hatten Freunde und Weggefährten des im Alter von 55 Jahren verstorbenen Thomas Winger eingeladen, um auf vielfältige Weise an ihn zu erinnern. Viele kamen, die Winger auf seinem Lebensweg berührt hat. Keiner, der mehr als 150 Plätze blieb frei.
Nagel führte, auch wenn ein trauriger Anlass zugrunde lag, leichtfüßig durch den Abend. Er trug ein Gedicht Wingers vor: „Kleinigkeiten“. Dieses zeigte gleich zu Beginn die philosophische und poetische Weite des Verstorbenen: „Kleinigkeiten machen Mut, Kleinigkeiten führen zurück auf den Weg. In Kleinigkeiten zeigt sich das Leben, in Kleinigkeiten spricht die Liebe ganz groß.“
Erinnerungen an einen besonderen Menschen
Nagel erzählte zutiefst persönlich, aber auch witzig von seinem Freund Thomas, wie er ihn kennengelernt und mit ihm musiziert hat. Auch die anderen Musiker brachten immer wieder zum Ausdruck, was für ein herausragender Mensch Thomas Winger gewesen sei.
Er war gelernter Schreiner und Pfleger, auf vielen Instrumenten bewandert und in vielen Welten zu Hause. Winger war offen, neugierig, weitherzig. Und – so erzählten viele auch in den Pausen im Publikum -, wo er hinkam, da strahlte die Sonne. Dieses Strahlen brachten nun seine musikalischen Begleiter zurück auf die Bühne.
Auernheim war die Zentrale
Winger war in zahlreichen Projekten engagiert, und so kamen die Zuhörerinnen und Zuhörer, die auch in den Seitenschiffen und auf der Empore der Michaelskirche saßen, in den Genuss vielfältiger, höchst abwechslungsreicher und faszinierender Musik. „Die kleine Konditorei“ mit Peter Epple am Akkordeon und Hans Fickelscher an der Trommel entführte mit „Misirlou“ in die Welt des Tanzes, traumhaft und berührend. Die „Außenstelle“ – da Wingers Haus in Auernheim die Zentrale und ein Herzstück der vielen Projekte war, wurde Heidenheim zur musikalischen Außenstelle ernannt – improvisierte mit Posaune, Kontrabass, Schlagzeug, Gitarre, dass man sich nur noch zurücklehnen und den Klangwelten folgen musste.
Als begnadeter Solopianist trat Andreas Weiss auf, und als er „You’ve Got A Friend“ von Carole King/James Taylor spielte und sang, sah man im Publikum Tränen. „Beside the Cage“ zeigte an diesem Abend, welch faszinierende Klang- und Rhythmuswelten zwei Schlagzeuge hervorbringen; spannend und ebenfalls mit großem Applaus bedacht.
Mit Thomas Winger aufgetreten
Die Märchenerzählerin Irmgard Renner-Heck, die in der Region oftmals mit Winger an der Trommel aufgetreten war und nun Fickelscher dazubat, erzählte als berührende Metapher auf Winger das Märchen von einem Häuptling, der dem Gesang folgt, und am Stamm eines uralten Baumes das Grab eines Freundes findet.
Nach der Pause folgte wehmütig Piazzollas „Libertango“, und dann kam Magie ins Spiel. Nagel erklärte, die „Küpfendorfer Hausmusik“ („irgendwo im Nirgendwo“), bestehend aus sechs hochkarätigen Musikern, schaffe seit vielen Jahren etwas ganz Eigenes. Und so war es: mystisch, fast sakral, faszinierend in den Raum der Michaelskirche emporsteigend. Nagels Band „Tightrope“ zeigte ganz anders, aber ebenso virtuos und mit herausragendem Gesang und Spiel, welch unterschiedliche musikalische Stile Winger interessiert und inspiriert haben, und wie viele Musiker er mit seinem weiten Geist zusammenbrachte.
Michaelskirche als würdiger Ort des Gedenkens
Nagels Hommage „Thomas und die Trommeln“ war so atemberaubend wie berührend, und nach drei Stunden, die wie im Flug vergingen, performten noch einmal alle 15 Musiker eine spannende Improvisation. Herausragend. Das Publikum applaudierte jubelnd im Stehen. Und die Michaelskirche erwies sich als würdiger Ort, um des Musikers und Menschen Thomas Winger zu gedenken.
Nächstes Konzert im Talhof
Das nächste Konzert der „Halben Treppe“ beginnt am kommenden Samstag, 22. Juli, um 19.30 Uhr im Talhof. Annett Kuhr und Sue Sheehan präsentieren dann preisgekrönte Singer-Songwriter-Folk-Chansons.