Sie ächzen, die Vereine. Nicht nur im Landkreis Heidenheim schwindet die Zahl der Vereinsmitglieder immer weiter. Ganz im Gegenteil zum Naturtheater – seit einigen Jahren werden stetig mehr Menschen Teil des Amateurtheaters. Im Interview erklärt der Vorsitzende Stefan Benz, warum das mitunter zum Problem wird, wo die Reise des Naturtheaters generell hingeht und warum er bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten wird.
Herr Benz, als Sie 2020 zum Vorsitzenden des Naturtheaters gewählt wurden, hatte der Verein an die 500 Mitglieder. Heute, vier Jahre später, sind es 650. Woher kommt dieser massive Zuwachs?
Stefan Benz: Der ist vor allem durch Familien bedingt. Die Kinderstücke der vergangenen Jahre haben wie ein Magnet gewirkt. Wenn Kinder mitspielen, treten deren Eltern oft gleich mit ein in den Verein. Das hilft uns in den Volksszenen und in den Ressorts hinter den Kulissen. Vor allem die Technik hat in den vergangenen Jahren einen guten Zuwachs erfahren. Unser Problem sind hingegen Männer zwischen 18 und 30 Jahren – diese Gruppe ist im Verein nicht so stark vertreten.
Wie kommt’s?
Viele in diesem Alter sind eher mit dem Studium beschäftigt und daher mitunter nicht so häufig in Heidenheim präsent. Dabei brauchen wir diesen Spielkörper. Das merken auch die Regieteams. Interessanterweise höre ich immer mal wieder, dass einige Menschen denken, das Naturtheater sei eine Profibühne, bei der man nicht einfach so mitmachen könne. Das spricht zwar für unsere Qualität, trotzdem versuchen wir, dem entgegenzusteuern. Jeder, der in irgendeiner Form theaterbegeistert ist, kann bei uns reinschnuppern.
Der starke Mitgliederzuwachs bringt doch sicherlich eine grundlegende Problematik mit sich: Die Zahl der Rollen ist begrenzt. Nicht jeder, der spielen will, bekommt auch eine Rolle.
Das ist wahr. Wir können aufgrund der Funkstrecken der Mikrofone maximal 24 Sprechrollen besetzen. Dazu kommt, dass Regieteams bei der Rollensetzung manchmal auf Spielerinnen und Spieler setzen, deren Können sie schon kennen. Die Sommerspielzeit muss eben funktionieren, sie hat einen Wirtschaftsfaktor.
Wie reagieren gerade Neuzugänge darauf?
Es kann schon passieren, dass Leute neu zum Verein kommen, nicht direkt eine Sprechrolle bekommen und uns deswegen wieder wegbrechen. Die Zahl der Austritte an sich ist aber marginal.
Wünschen sich langjährige Mitglieder nicht auch etwas mehr Abwechslung bei der Rollenbesetzung?
Seit einigen Jahren gibt es in dieser Hinsicht bereits tatsächlich mehr Abwechslung. Jeder, der eine Sprechrolle möchte, durchläuft inzwischen ein Casting. Das wird konsequent durchgezogen. Dadurch sind auch introvertiertere Menschen hin und wieder zu größeren Rollen gekommen. Das ist ein Weg, den im Verein vielleicht nicht jeder gut findet, ich persönlich halte jedoch viel davon.
Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen bleibt das Naturtheater also vom Vereinssterben verschont. Droht nun das Gegenteil? Kommt als Nächstes der Aufnahmestopp?
Darüber haben wir – ebenso wie über eine maximale Ensemblegröße – schon intern diskutiert. Doch wir versuchen das, wenn es irgendwie geht, zu vermeiden. Vielleicht werden wir irgendwann aber nicht mehr um einen Aufnahmestopp herumkommen.
Was ist die Obergrenze? Wann ist Schluss?
Wenn 180 Spieler gleichzeitig auf der Bühne sind, wird es eng. Das haben wir in diesem Jahr gespürt. 180 Leute durch die Maske durchzuschleusen, ist ebenfalls nicht einfach. Wir kriegen das von den Ressorts immer wieder signalisiert. Ich kann allerdings keine genaue Zahl nennen, bei der wirklich Schluss ist.
Wenn 180 Spieler gleichzeitig auf der Bühne sind, wird es eng.
Stefan Benz über den Mitgliederzuwachs des Naturtheaters
Mehr Mitglieder bedeutet auch mehr Mitgliedsbeiträge. Macht sich das im Theater bemerkbar?
Wer bei uns eine gewisse Anzahl an Stunden einbringt, zahlt keinen Mitgliedsbeitrag. Das trifft auf etwa 70 Prozent der Mitglieder zu. Aber klar, je mehr Mitglieder, desto höher die Einnahmen. Das ist eine spürbare Summe, die der Verein gut gebrauchen kann.
Seit ein paar Jahren gibt es den sogenannten Dreijahresplan. Abwechselnd wird dabei innerhalb von drei Jahren eine Komödie, ein Musical und ein klassisches Sprechtheater aufgeführt. Wie wird dieser Plan im Verein aufgenommen?
Ich halte ihn für unseren künstlerischen Bereich, aber auch für unser Publikum für enorm wichtig. Der Verein und die Zuschauer können sich dadurch besser auf die Zukunft einstellen.
Blicken wir über die nächsten drei Jahre hinaus in die Zukunft. Wo geht die Reise des Naturtheaters hin?
Ein großes Thema ist der Bereich Geschäftsführung. Inzwischen ist es kaum noch möglich, den Verein ehrenamtlich zu führen. Erste Gespräche für diese Stelle sind schon angelaufen. Wir wollen das Thema gerne noch in diesem Jahr abschließen.
Inzwischen ist es kaum noch möglich, den Verein ehrenamtlich zu führen.
Stefan Benz über den Bereich Geschäfstführung
Was unterscheidet eine Geschäftsführung denn von einem Vorsitzenden wie Ihnen?
Grundsätzlich bleiben der Vorsitzende sowie der Vorstand die Vertretungsorgane des Vereins, sie treffen die abschließenden Entscheidungen. Ein Geschäftsführer ist mehr im operativen Geschäft tätig. Vorstandsmitglieder haben zusätzlich ja ganz normale Jobs, die sie tagsüber einbinden. Wenn schnell eine Entscheidung innerhalb des Vereins getroffen werden muss, steht oft die Frage im Raum, wen man jetzt am besten kontaktiert. Darüber hinaus soll ein Geschäftsführer zusammen mit dem Vorsitzenden gewissermaßen das Gesicht des Naturtheaters sein. Wichtig ist, dass ein Geschäftsführer nach außen nicht vertretungsberechtigt ist. Es bleibt dem Vorstand vorbehalten, Verträge abzuschließen. Diese Stelle soll keine Spaltungen im Verein verursachen.
Diesen Herbst wird der Vorsitzende neu gewählt. Treten Sie wieder an?
Ich werde dieses Jahr aufhören, das ist familiär bedingt. Ich habe zwei kleine Kinder zu Hause, die viel zu häufig auf ihren Papa verzichten müssen, weil der so viel Zeit im Naturtheater verbringt. Allerdings will ich den Verein nicht loslassen. Ich möchte gerne dabeibleiben, aber eben nicht als Vorsitzender. Das ist zeitlich momentan einfach nicht möglich.
So finanziert sich das Naturtheater Heidenheim
Der Großteil der Naturtheater-Einnahmen wird durch den Verkauf von Karten generiert. Eigenproduktionen machen zwischen 60 und 70 Prozent der finanziellen Erträge aus, Mitgliedsbeiträge etwa fünf Prozent. Der Servicebereich erzeugt etwa 30 Prozent der Einnahmen.
Externe Veranstaltungen, wozu beispielsweise das kürzlich im Naturtheater ausgerichtete Kino-Open-Air gehört, machen rund zehn Prozent der Einnahmen aus. „Diese Veranstaltungen haben keinen monetären Hintergrund“, erklärt Stefan Benz. „Es geht darum, nach außen zu zeigen, was das Naturtheater alles sein kann und dadurch den Namen bekannter zu machen.“
Ausnahmen gebe es dennoch: „Politische Veranstaltungen halten wir bei uns grundsätzlich nicht ab.“ Im kommenden Jahr wird das Naturtheater den Lamathea, den Landesamateurtheaterpreis Baden-Württemberg, ausrichten.