Worauf er sich da eingelassen hatte, war dem 29-Jährigen nicht bewusst, als er Mitte 2022 seine ersten Drogengeschäfte machte. Ein bisschen Amphetamin in seinem Umfeld auf dem Zanger Berg verkaufen und ein paar Hundert Euro extra in der Tasche haben – das schien ihm lukrativ genug, um sein bisher unbescholtenes Leben auf die schiefe Bahn zu lenken. „Ich hielt meinen Lohn für zu niedrig und wollte ihn ergänzen“, erklärte der Angeklagte, der damals bei einer Reinigungsfirma arbeitete, als sein Fall jetzt vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Heidenheim verhandelt wurde. Dass der Preis für die Drogengeschäfte hoch ist und er sich auf direktem Weg Richtung Gefängnis befand, blendete er aus.
Sein damaliger Arbeitskollege hatte ihn angesprochen, ob er Amphetamin besorgen könne. Und der 29-Jährige konnte. Woher er die Drogen bezog, blieb während des Verfahrens unklar. Der Mann wollte keine Angaben machen – wohl auch aus Angst vor seinem Lieferanten, wie Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil mutmaßte. Dass die Drogen aus Ungarn stammten, wo der in Serbien geborene Angeklagte familiäre Wurzeln hat, konnte vor Gericht ebenso wenig nachgewiesen werden wie der weitaus schwerer wiegende Vorwurf, dass er sogar an Minderjährige verkauft haben soll – und das in "nicht geringer Menge“.
Die Anfänge des Dealerlebens
Anfangs lief das neue Dealerleben reibungslos. Jeweils rund 100 Gramm Amphetamin hatte der Angeklagte sich besorgt, sieben Euro bezahlte er pro Gramm, für zehn Euro pro Gramm verkaufte er es weiter. Mit einer Gewinnmarge von drei Euro häufte er kein allzu großes Vermögen an. Hauptabnehmer war besagter Kollege, doch auch drei bis vier weitere Kunden soll er gehabt haben, berichtete der Mann vor dem Schöffengericht.
Beinahe wäre dem Angeklagten zum Verhängnis geworden, dass der jugendliche Sohn des Arbeitskollegen bei manchen Drogenübergaben dabei war. Denn Drogenhandel mit Minderjährigen – dazu noch in „nicht geringer Menge“ – wird hart bestraft. Hätte sich dieser Vorwurf erhärtet, wäre eine Haftstrafe für den Angeklagten unausweichlich gewesen. In diesem Fall beträgt die Mindeststrafe zwei Jahre – eine Bewährung kommt dann nicht mehr in Frage.
Die Rolle des Jugendlichen
Doch der Angeklagte versicherte dem Gericht glaubhaft, dass er die Drogen nie an den Jugendlichen verkauft habe, sondern die Geschäfte immer über den Vater liefen. Der Jugendliche sei lediglich als Bote tätig gewesen oder habe die Übergaben im Auftrag des Vaters per Handy-Chat geregelt.
So beschrieb es auch der junge Mann, der als Zeuge geladen war. Allerdings hatte der damals 16-Jährige selbst regen Drogenhandel auf der Straße betrieben, wie aus Chatverläufen hervorging, die Richter Feil vorlas. Der Jugendliche war bereits im Dezember nach Jugendstrafrecht verurteilt worden, ist arbeitslos und leistet derzeit Sozialstunden ab. Der Vater war schon vor dem Zugriff der Polizei verschwunden – womöglich in Ungarn untergetaucht, wie bei der Verhandlung zu erfahren war.
Die Ermittlungen der Heidenheimer Kripo und das Urteil
Viermal soll der Angeklagte Amphetamin und einige Ecstasy-Tabletten eingekauft und weiterverkauft haben. Doch nach dem vierten Kauf war Schluss. Die Polizei hatte in der Drogenszene auf dem Zanger Berg ermittelt und war auch auf den Angeklagten gestoßen. Am 31. Juli 2024 wurde seine Wohnung durchsucht. Die Beamten fanden Amphetamin im Kühlschrank, eine Feinwaage sowie gebündelte Geldscheine im Nachtkästchen. Eine Kripobeamtin berichtete, der Mann sei sofort kooperativ gewesen und habe noch während der Durchsuchung ausgepackt. Weil er nur schlecht deutsch spricht, habe er sich teils mit einer Übersetzungs-App beholfen.
„Der gewerbsmäßige Handel mit Drogen bleibt“, stellte Staatsanwalt Dr. Julian Hänßler fest und forderte eine Strafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. „Wir haben es hier nicht mit einem großen Dealer zu tun“, entgegnete Verteidiger Ferry Bilics. Sein Mandant sei sozial integriert, nicht vorbestraft, habe stets gearbeitet, im Sommer geheiratet und plane, eine Familie zu gründen. „Wir können davon ausgehen, dass so etwas nicht wieder passiert“, sagte er und plädierte auf eine Strafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung.
Die Konsequenzen und Auflagen
„Es liegt an Ihnen, das Gefängnis zu vermeiden“, mahnte Richter Feil den Angeklagten, der das Urteil nickend entgegennahm. Verurteilt wurde er wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. „Sie waren in Gefahr, ins Gefängnis zu müssen“, stellte Feil klar. Der Angeklagte sei „kein eiskalter, professioneller Straftäter“. Damit ist der Mann zwar noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen – allerdings nur, falls er während der dreijährigen Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird.
„Sie haben sich vom Schein des Geldes blenden lassen“, stellte der Richter fest. Doch teuer wird die Sache für den Angeklagten dennoch: Er muss nicht nur als Bewährungsauflage 3000 Euro an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein zahlen, sondern auch den Umsatz aus den Drogengeschäften in Höhe von 2720 Euro an den Staat abführen. Zudem werden ihm die Verfahrenskosten in Rechnung gestellt.
Strafen für Drogenhandel: Das sagt das Gesetz
In Deutschland wird der Drogenhandel durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt. Die Strafen hängen von mehreren Faktoren ab, darunter die Art und Menge der Drogen, die Rolle des Täters, zum Beispiel Gelegenheitsdealer oder professioneller Händler.
Wer mit einer „nicht geringen Menge“ an Drogen handelt, muss mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe rechnen. Die Definition der „nicht geringen Menge“ hängt von der Droge ab. Zum Beispiel gilt bei Amphetamin eine Menge von zehn Gramm reinem Wirkstoff als „nicht gering“. Im verhandelten Fall am Amtsgericht lag die Menge laut Labor darunter.
Besonders hart wird es, wenn der Dealer Betäubungsmittel an Jugendliche unter 18 Jahren abgibt. Dann beträgt die Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe, in schweren Fällen mindestens zwei Jahre. Wenn jemand gewerbsmäßig mit Drogen handelt und an Jugendliche verkauft, also regelmäßig dealt, wird das noch schärfer bestraft mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe. Bewährung ist dann ausgeschlossen.