Ensemble von Stein und Paraffin: Neue Ausstellung im Türmle
Steine sind missverstandene Geschöpfe. "Wie ein Stein schlafen" tut unseren mineralischen Freunden Unrecht. In ihrem Inneren haben sie nämlich nicht nur die Ruhe weg, unter der Oberfläche verbergen sich zudem oftmals Schätze. Erze, Edelsteine und Fossilien sind da nur der Anfang. Eine, die viel in Steinen sieht, ganz ordentlich aus ihnen herauskratzt und womöglich sogar noch mehr in sie zurücksteckt, ist die Künstlerin Barbara Deutschmann. "Cum Cera – Schein und Sein" lautet der Titel ihrer Ausstellung, die es ab Freitag, 15. September, im Türmle des Kunstvereins Heidenheim zu betrachten gibt.
"Cum Cera". "Mit Wachs", bedeutet das. Und damit wären wir bei der zweiten Substanz angelangt, der sich Deutschmann neben Gestein verschrieben hat. In ihren Skulpturen treten die beiden in ein Spannungsverhältnis.
Steine in Verbindung mit Paraffin
Bei der Entstehung nimmt sich Deutschmann zunächst den Stein als solchen vor, welchen sie in eine Grundform schneidet und die Oberfläche fein strukturiert. Sie schneidet daraufhin Teile des Steins heraus und füllt diese Lücken mit semitransparentem Paraffin. Innerhalb dessen sind schemenhaft farbige Binnenformen oder Linien zu erkennen, Formen, die zuvor aus Hartwachs separat gegossen und präzise eingesetzt wurden.
Präzision lautet Barbara Deutschmanns oberstes Gebot. Improvisieren, wie es etwa ihre Kolleginnen und Kollegen in der Malerei bisweilen tun, kann sich die Künstlerin nicht leisten. Jedes Objekt und jeder Schritt müssen vorher genau abgemessen, geplant und kalkuliert werden. Die innenliegenden Hartwachs-Linien werden gelegentlich auf der Steinoberfläche durch Schnitte weitergeführt. In einem Balanceakt entsteht ein feines, bewegtes Zusammenspiel der konstruktiv-konkreten Formen beider Werkstoffe, die wie ineinander verwoben wirken.
Deutschmanns Skulpturen spielen nicht nur mit ihrer Zusammensetzung, sondern auch mit den Blicken des Betrachters. Stets hat man den Eindruck, ins Innere der Werke hineinblicken zu können. „Unter die Oberfläche zu schauen, hat mich schon immer fasziniert", sinniert Barbara Deutschmann. Das Äußere habe immer etwas mit dem Inneren zu tun, ein Gegenspiel, das sich konsequent durch „Cum Cera " zieht: warmes Wachs und kalter Stein, glatte und strukturierte Oberflächen, Linien und Flächen, Bewegung und Statik.
Besonders tritt der Effekt des lichtdurchlässigen Paraffins hervor, wenn ein Objekt von hinten mit Licht angestrahlt wird. Nicht selten entsteht dabei ein dreidimensionaler Effekt, etwa ein Stück Stein, das nach vorne kippt oder in die Tiefe zu gehen scheint. Die Paraffin-Einsätze tun gewissermaßen so, als ob sie dreidimensional sind, was sie jedoch eigentlich gar nicht sind. Gleichzeitig deckt die Skulptur an sich tatsächlich alle drei Dimensionen ab.
Griechischer Marmor oder Kalkstein bevorzugt
"In der Regel lasse ich mich vom Stein selbst inspirieren", erzählt Deutschmann. Meistens verwende sie griechischen Marmor oder Kalkstein für ihre Arbeiten, nach Möglichkeit einen homogenen Stein, ohne wildes Innenleben. Bei aller Hingabe zur Präzision zählt für die Künstlerin dennoch die Unschönheit des Endergebnisses. „Das ist schließlich menschliches Handwerk und das soll man durchaus sehen."
Ähnlich gewollt unperfekt gibt sich Deutschmann bei der Titelfindung ihrer Werke. Dieser Schritt sei immer schwierig, man wolle eine Skulptur nicht zu sehr erklären, gleichzeitig brauche sie einen Namen, allein schon, um sie für die Künstlerin selbst einzusortieren. Bei ihren Werken wählt Deutschmann gerne pseudowissenschaftliche beziehungsweise pseudolateinische Namen. Eine ihrer neueren Arbeiten trägt etwa den Titel "Lapis Stabilabilus" – der Name weist auf ein statisches Objekt hin, dessen Inneres in der Realität jedoch vorgaukelt, hin und her zu schwingen. Was Steine alles so können. Echte Tausendsassas eben.
Vernissage im Heidenheimer Türmle
Neben ihren Steinskulpturen stellt Barbara Deutschmann im Türmle Papierarbeiten aus, die mittels einer speziellen Enkaustik-Technik entstanden sind. Handgeschöpftes Papier wird dabei von vorne und hinten mit transparentem und farbigem Wachs getränkt. Auch hier spielt die Künstlerin viel mit geometrischen Formen, verschiedenen Dimensionen und Oberflächenstrukturen.
Die Vernissage zu "Cum Cera – Schein und Sein" findet am Freitag, 15. September, ab 19 Uhr im Türmle statt. Die Ausstellung kann nur im Zuge einer Führung besucht werden. Diese gibt es mittwochs ab 16 Uhr und samstags ab 11.30 Uhr. Die Finissage samt Künstlergespräch findet am Sonntag, 22. Oktober, ab 11 Uhr statt.