Aufwand und Kosten waren enorm, der Nutzen ging gegen null und heute sind allenfalls Naturschützer froh um die Rückzugsräume für Fledermäuse: Dutzende künstlich geschaffene Stollen bohren sich in die Hügel um Heidenheims Innenstadt, und fast alle wurden zwischen 1933 und 1945 in den Fels getrieben. Als Luftschutzstollen für jene Bombennächte, die unsere Gegend zum Glück gar nicht erleben musste. Jeder kennt die bis heute sichtbare Türen an den Felshängen, viele waren schon bei Führungen dabei.
Viele Luftschutzstollen, die nie gebraucht wurden
Doch Günther Brommler hat einfach alles, was über den Luftschutz in Heidenheim und Giengen in den Archiven zu finden ist, zusammengetragen. Heidenheimer werden also staunen, dass es nicht nur in ihrer „Industriestadt“ (die bis Kriegsende nie wichtig genug für einen echten Angriff war), sondern auch in Giengen viele Luftschutzstollen gibt. Und selbst Giengener werden staunen, dass im kleinen Burgberg ein Luftschutzstollen existiert. Brommlers akribische Arbeit liefert auch sonst erstaunliche Erkenntnisse: Ja, für die Luftschutzstollen mussten oft Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter schuften, aber auch Anwohner oder Angehörige der örtlichen Fabriken. Und noch 1944 gaben manche Firmen ihre Luftschutzstollen ganz zivil bei Baufirmen in Auftrag.
Brommlers Arbeit über den Luftschutz ist nur einer von elf Beiträgen im jüngsten Jahrbuch des Heimat- und Altertumsvereins, das mit einem neuen bebilderten Cover und spürbar mehr Illustration daherkommt. Inhaltlich ist es bunt wie eh und je, denn die Autoren (tatsächlich allesamt Männer) sorgen schon allein durch ihre unterschiedlichen Interessen und Fachgebiete für viel Abwechslung – gerne auch in mehreren Beiträgen. Günther Brommler zum Beispiel widmet sich nicht nur dem Luftschutz, sondern auch dem „Zigeunerweg“ auf dem Albuch, inklusive der bei Brommler nicht überraschenden Grenzsteine.
Verfolgung Heidenheimer Juden im 17. Jahrhundert
Gleich vier Beiträge steuert Alfred Hoffmann bei. Er führt seinen Blick in Heidenheimer Gerichtsverfahren des 18. Jahrhunderts fort, als man in der Stadt noch gehängt oder geköpft wurde, untersucht Judenverfolgung einmal nicht im „Dritten Reich“, sondern bereits im 17. Jahrhundert, erinnert an die kurze Geschichte des Heidenheimer Waldheims auf den Heeräckern und beleuchtet den Mythos der Razzia unter den „Displaced Persons“ in der Voith-Siedlung im Januar 1948. Alles kriminelle Geldfälscher? Wer der Wahrheit näherkommen will, sollte Hoffmann lesen.
Vereinsvorsitzender Martin Burkhardt ist mit zwei Beiträgen vertreten, erinnert an den Demokratievorkämpfer Carl Freisleben (und sein wenig gepflegtes Heidenheimer Wohnhaus) und an die Absurditäten der Hyperinflation 1923, in der Heidenheim und Giengen eigenes Geld druckten und Firmen wie Voith ihre Angestellten mit Lebensmitteln auszahlten. Uwe Siedentop verbindet seinen Rückblick in die Geschichte der legendären Heidenheimer „Bettlade“ mit einem Appell zum achtsamen Umgang mit Heidenheims historischer Bausubstanz.
Britischer Podcast über das Rommel-Denkmal
Auch die Gastbeiträge im Jahrbuch sind ebenso bunt wie erhellend. Helmut Mosers „Eiserne Geschichten von der Ostalb“, eine Textversion seines Vortrags, setzt die Schwerindustrie in Heidenheim und Königsbronn in einen regionalen Zusammenhang, und der Nürtinger Historiker Steffen Seischab macht deutlich, dass der Heidenheimer „Kirschenkrieg“ 1920 keineswegs ein obskurer Einzelfall, sondern Teil einer ganzen Welle ähnlicher Unruhen im Südwesten war. Ganz neu in einem Jahrbuch auch der Abdruck eines Podcasts – dem der britischen BBC über das Heidenheimer Rommel-Denkmal und das Gegendenkmal. Da ist dann nicht der Inhalt neu, sondern die entspannte Sicht von außen ohne die ortsüblichen Aufgeregtheiten.
Jahrbücher auch in digitaler Form
Das Jahrbuch 2023/24 ist im Stadtarchiv und bei der Buchhandlung Konold erhältlich. Ältere Jahrbücher gibt es jetzt auch in digitaler Form auf hav-heidenheim.de