Schon in der Berichterstattung über die Aufführung der „Physiker“ wurde das störende Verhalten einiger Schülerinnen und Schülern beanstandend erwähnt. Ich habe an der Aufführung teilgenommen und war recht erfreut zu sehen, wie viele junge Gäste anwesend waren. Auch wenn diese Tragikomödie von Friedrich Dürrenmatt Prüfungsthema der Realschulen ist: Das sollte auf jeden Fall positiv festgehalten werden. Ich wünschte mir öfter einen solchen Besuch junger Menschen in unseren in Heidenheim gut ausgesuchten und zusammengestellten Theateraufführungen.
Respekt vor den Realschulen, die sich für die Abschlussprüfungen an dieses schwierige Thema herangewagt haben. Zu meiner lange zurückliegenden Schulzeit kamen wir gerade bis zu Schillers „Räuber“, was das Gerechtigkeitsthema sehr viel direkter und für junge Empfindungen hautnäher vermittelt. Dürrenmatts „Physiker“ enthalten dagegen sehr viel mehr Symbolik und auch einen historischen Hintergrund, der in einer Vorbesprechung erklärt werden muss, damit ihn Menschen der heutigen jungen Generation nachvollziehen können.
Die Zeit um 1961, in der das Stück entstand, und die Gegenwart enthalten bedauerlicherweise viele Parallelen. Die aber müssen vorher vermittelt werden. Sonst erreicht die Botschaft Dürrenmatts nicht die Köpfe derer von heute. Bleibt also zu fragen, ob das in ausreichender Weise erfolgte. Hätte vielleicht zu mehr Aufmerksamkeit bei den Schülerinnen und Schülern geführt.
Schauspieltheater gehört leider nicht zum normalen Alltag von Jugendlichen unserer Zeit. Da wäre es nicht verkehrt, vorher über den Ablauf einer solchen Vorstellung zu informieren und die Problematik von Störungen zu besprechen. In der Aufführung ist das zu spät. Da kommt es dann nur zu möglichen Eskalationen. Übrigens sind nicht jeder Zwischenruf und jede Unmutsäußerung als unbotmäßige Störung abzuqualifizieren. Sie sind zulässig und üblich, gerade bei zeitkritisch angelegten Themen.
Ein Wort zu „früher“: Wir waren in unserer Schulzeit auch nicht disziplinierter. Aber unser Schulalltag war bis zum Abitur autoritär geprägt, die Angst vor den Folgen unbotmäßigen Verhaltens Gesetz. Man verhielt sich angepasst, um bis zum Schluss gut durchzukommen. Ich bin froh, dass unsere jungen Menschen heute dieser Gesetzmäßigkeit nicht mehr unterworfen sind. Für die Lehrerinnen und Lehrer, Schauspielerinnen und Schauspieler, wird es dadurch natürlich schwieriger, und das ist bei der Bewertung solcher Erscheinungen zu berücksichtigen.
Waldemar Hirsch, Heidenheim